China: Weniger Wachstum = weniger Klimaschutz?

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China wird seine Zusagen für das Pariser Klimaabkommen wohl erfüllen. Doch Experten sagen, dass das nicht reicht. Der größte Umweltverschmutzer müsste mehr tun, leidet aber unter der schwächeren Konjunktur.

Die Einwohner Pekings konnten es kaum glauben, als der Himmel über ihrer Stadt im Winter 2018 tatsächlich einmal blau wurde. Es war eine angenehme Überraschung für alle, die sich mit dem giftigen Smog über der chinesischen Hauptstadt abgefunden hatten.

Der blaue Himmel bedeutete, dass die Regierungskampagne gegen Umweltverschmutzung, die nach massiven Protesten ins Leben gerufen worden war, erste Ergebnisse zeigte.

Die Kampagne war eine von zahlreichen Maßnahmen, um die Emissionen des Landes zu reduzieren. So wurde China – in absoluten Zahlen der weltgrößte Umweltverschmutzer – auch zur weltweiten Nummer Eins bei der Erzeugung erneuerbarer Energien und damit verbundener Technologien wie Lithium-Ionen-Batterien und Elektroautos.

“China verdient enorme Anerkennung für seine großen Fortschritte in den vergangenen 20 Jahren”, so Charlotta Pera von der ClimateWorks Foundation, einer in San Francisco ansässigen Stiftung. “Das Land hat seine Umweltverschmutzung eingeschränkt, saubere Energie und Energieeffizienz gefördert und beim Kampf gegen den Klimawandel eine Führungsrolle übernommen – all das in einer Zeit gewaltigen Wirtschaftswachstums, das Millionen Menschen aus der Armut befreit hat”, sagte Pera auf dem Davos Weltwirtschaftsforum.

China ist jetzt auf gutem Weg, seine Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen zu erfüllen. Dazu gehört die Zusage, dass die Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase spätestens im Jahr 2030 ihren Höchststand erreichen werden – danach also nicht weiter zunehmen. Ein hochrangiger Wissenschaftler, der für die Regierung tätig ist, sagte im September vergangenen Jahres, China könne dieses Ziel bereits 2022 erreichen, ohne die Umweltauflagen zu verschärfen.

Wirtschaftliche Probleme halten Peking zurück

Experten halten Chinas Pläne zwar für ermutigend, sagen aber auch, dass sie nicht ausreichen. Das Land – mit Abstand der größte Emittent von Kohlendioxid (CO2) – müsse seine Anstrengungen bei der Reduzierung von Emission mindestens verdreifachen.

Der von der deutschen Regierung unterstützte “Climate Action Tracker” stuft die derzeitigen chinesischen Zusagen als “höchst unzureichend” ein. Wenn alle Länderzusagen in diese Kategorie fielen, würde die Erderwärmung um drei bis vier Grad zunehmen – deutlich stärker als das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen.

China – das auch der mit Abstand größte Produzent und Verbraucher von Kohle ist – hat bereits angedeutet, seine Pariser Klimazusagen nachzubessern. Vor einer verpflichtenden Erklärung scheut die Regierung allerdings zurück. Die Wirtschaft des Landes wächst derzeit schwächer, und es besteht die Befürchtung, dass strengere Umweltauflagen das Wachstum zusätzlich bremsen.

“Es ist gerade ziemlich kompliziert, die Wirtschaft und den Umweltschutz in China in Einklang zu bringen. Es gibt da viele Herausforderungen”, sagt Ma Jun, Gründer des in Peking ansässigen NGO-Instituts für öffentliche und ökologische Angelegenheiten, zur DW.

Laut Ma haben Städte und Regionen die Zentralregierung in Peking gebeten, einige Umweltauflagen wieder zu lockern – in der Hoffnung, dadurch die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Außerdem sei seit dem vergangenen Jahr zu beobachten, dass fossile Produktion und Kohleverbrauch wieder stärker ansteigen, nachdem die Kurve in den fünf Jahren davor etwas abgeflacht war.

Das Seidenstraßen-Problem

Ein von Peking gefördertes Großprojekt macht Umweltschützern besonders große Sorgen: die Neue Seidenstraße, auf Englisch meist “Belt and Road Initiative” (BRI) genannt. Dieses gigantische globale Infrastruktur-Entwicklungsprojekt sieht unter anderem den Bau von Kohlekraftwerken, Bergwerken und Fabriken in 70 Ländern vor, von denen viele nur geringe Umweltstandards haben.

“Schauen Sie sich die Zahlen an”, sagt Nicholas Stern, Klimaexperte und Ökonom an der London School of Economics. “China ist für fast ein Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich. In den Belt-and-Road-Ländern leben insgesamt mindestens doppelt so viele Menschen wie in China. Derzeit ist ihr pro Kopf Einkommen nur halb so hoch wie in China, doch in 20 Jahren wird es dem chinesischen entsprechen”, so Stern auf dem Weltwirtschaftsforum.

“In 20 Jahren haben wir also, was die Einkommen angeht, zwei weitere Chinas – außerhalb Chinas. Wenn deren Emissionen so hoch sind wie die chinesischen jetzt, dann können wir selbst ein Drei-Grad-Ziel begraben”, so Stern. China müsse aufhören, in den Ländern an der Seidenstraße in Kohlekraftwerke zu investieren, wenn es das Projekt wirklich grüner machen wolle.

Feste Verpflichtung?

Die chinesische Führung arbeitet gerade an ihrem 14. Fünfjahresplan, der die Jahre 2021-2015 umfasst. Umweltschützer hoffen, dass Peking darin strengere Maßstäbe festschreibt in Bezug auf den Klimaschutz und die Seidenstraße.

“Wie könnte das aussehen, wenn China hier ehrgeizigere Ziele verfolgen würde?”, fragte Stern in Davos. “Besonders wichtig wäre, dass der Höchststand der Emission schon während des 14. Fünfjahresplans erreicht wird, also bis spätestens 2025. Und das müsste als Ziel im Fünfjahresplan festgeschrieben werden. Dann würde es zu einem chinesischem Gesetz, an dessen Einhaltung sich die chinesische Führung messen lassen muss.”

Allerdings glaubt Ma vom Pekinger Institut für öffentliche und ökologische Angelegenheiten nicht, dass Chinas Führung zu einer solchen Festlegung bereit ist. Er sagt, die Regierung habe derzeit eine andere Priorität: die Stabilisierung der Wirtschaft.


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    Autorin/Autor: Jun Yan