Brasilien: Verheiratet und Priester?

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Der Priestermangel im Amazonasgebiet ist ein großes Problem für viele katholische Gemeinden. Die Zulassung verheirateter Priester sehen viele als eine von mehreren Maßnahmen, um abgelegene Gegenden besser zu erreichen.

Um ihre Präsenz im dünn besiedelten Amazonasgebiet zu stärken, hatte die katholische Kirche angekündigt, in der Region eines ihrer zentralen Dogmen zu überdenken: den Zölibat der Priester. Auf der Amazonas-Synode, bei der sich im Oktober vergangenen Jahres rund 250 Kardinäle, Bischöfe und Experten trafen, wurde mehrheitlich beschlossen, in entlegenen Gebieten die Priesterweihe verheirateter Männer zu erlauben. Ob dies tatsächlich in die Tat umgesetzt werden soll, muss in letzter Instanz Papst Franziskus noch entscheiden.

Ein finales Wort des Oberhauptes der katholischen Kirche wird in den kommenden Wochen erwartet. Doch Ende vergangener Woche kam ihm der zurückgetretene deutsche Papst Benedikt XVI. erstmal zuvor – mit einem unerwarteten Kapitel in einem Buch zu dem Thema. In einem zusammen mit dem erzkonservativen Kardinal Robert Sarah verfassten Buch pocht Benedikt auf die priesterliche Ehelosigkeit. Der Dienst für den Herrn erfordere die völlige Hingabe eines Mannes, so die Begründung. Die im Vorfeld der Bucherscheinung veröffentlichen Passagen haben für so viel Furore gesorgt, dass der frühere Papst seine Mitautorenschaft zurückzog. Ob Co-Autor oder nicht: Seit dem Bekanntwerden des Kapitels ist ungewiss, ob Papst Franziskus Priester in Amazonien vom Gebot der

Der ehemalige Papst Benedikt hat seine Mitautorenschaft an diesem Buch zurückgezogen

Enthaltsamkeit befreit.

Messe nur dreimal im Jahr

Wenn nicht, könnte sich das Nachwuchsproblem der katholischen Kirche in der Region verschärfen. Im Einzugsgebiet des Ortes Machadinho do Oeste etwa muss Priester Dionísio Kuduavicz alleine 63 Kirchengemeinden bedienen. Die abgelegensten besucht er nur dreimal im Jahr. Das sind dann auch die einzigen Male, dass Messen abgehalten werden.

Kuduavicz ist 76 Jahre alt, seit gut 40 Jahren ist er in der Region tätig. “Wir haben hier Leute, die schon lange in der Kirche aktiv sind und die sich als vertrauenswürdig und geeignet erwiesen haben. Diese verheirateten Männer könnten ohne Probleme Priester werden”, findet er. All das brauche allerdings gute Vorbereitung und viel Zeit. “So etwas geht nicht von heute auf morgen.”

Gekündigt, um zu heiraten

In den letzten Jahrzehnten wurde der Priestermangel im nordwestbrasilianischen Amazonasgebiet oft ausgeglichen, indem man Missionare aus dem Ausland holte. So auch der spanische Josep Iborra, der seit 26 Jahren im Bundesstaat Rondônia im Amazonasgebiet lebt. Etwa zehn Jahre lang kümmerte er sich um die Uferbewohner des Flusses Guaporé an der Grenze zu Bolivien – darunter Bewohner von Siedlungen von aus der Sklaverei geflohenen Sklaven und Indigene, die noch nicht lange Kontakt zur Außenwelt hatten.

Wird Papst Franziskus das Zölibat für Priester im Amazonasgebiet aufheben?

Doch vor zehn Jahren kündigte Iborra, um heiraten zu können. Seitdem haben die Uferbewohner nie wieder Besuch von einem Priester erhalten. Vor diesem Hintergrund steht Iborra der Zulassung verheirateter Priester im Amazonasgebiet wohlwollend gegenüber. “Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas einmal erlebe. Verheiratete Männer als Priester einzusetzen, wird aber alleine das Problem nicht lösen. Diejenigen, die sich für die Kirche einsetzen, müssen auch besser unterstützt werden.”

Auch Pater Kuduavicz wäre froh, wenn es andere Priester gäbe, die ihm Arbeit abnehmen könnten. Ein weiteres Problem für seine Arbeit sieht er darin, dass immer mehr Menschen den ländlichen Raum wegen dem Agrobusiness verlassen: “Große Industrieunternehmen ersetzen und vertreiben die Kleinbauern, vor allem beim Soja-Anbau. Die Leute ziehen dann in die Stadt, wo sie oft arbeitslos sind und in Armut leben. Und auf dem Land wird es noch leerer.”

Ein Priester für 17.000 Menschen

Iborra hat während seiner eigenen Zeit als Priester festgestellt, dass der temporäre Einsatz von Kirchenvertretern aus anderen Regionen oder aus dem Ausland es schwierig macht, wirklich eine Bindung zu den Gemeinden aufzubauen. “Die Priester bleiben vielleicht ein, zwei Jahre. Wenn sie sich gerade in ihrem Umfeld zurechtgefunden haben, ist es schon wieder Zeit zu gehen. Die meisten Priester kommen aus Südbrasilien und ticken ganz anders als die Leute hier.”

Im brasilianischen Amazonasgebiet ist statistisch gesehen ein Priester für 17.000 Katholiken zuständig. Falls der Vorschlag der Amazonas-Synode umgesetzt wird, würde die Befreiung vom Zölibat nur für neue, lokale Priester gelten. Solche aus anderen Gegenden Brasiliens oder aus dem Ausland müssten weiterhin enthaltsam leben.

In manchen Gegenden des Amazonas findet aufgrund des Priestermangels nur drei Mal im Jahr eine Messe statt

Aufweichung des Zölibats auch andernorts?

Roque Paloschi, Erzbischof der Stadt Porto Velho in Rondônia, war bei der Amazonas-Synode im Vatikan dabei und gehört nun zum von Papst Franziskus einberufenen postsynodalen Beirat. Er betont, die Zulassung verheirateter Priester sei nur “eine von mehreren angedachten Maßnahmen” gewesen in der Diskussion um “Wege zur Erneuerung Amazoniens”. Nicht zu vernachlässigende Themen seien unter anderem auch das weibliche Diakonat, die Verstädterung der Region sowie das Verhältnis zu den Evangelikalen.

Auch wenn die Debatte um eine Priesterweihe verheirateter Männer sich bislang auf das Amazonasgebiet beschränkt, glaubt Bischof Paloschi, dass dadurch auch eine Diskussion über den Zölibat in der gesamten Kirche angefacht werden könnte – falls Papst Franziskus sich für ein Ende der Enthaltsamkeit in abgelegenen Gegenden entscheidet.

Iborra weist darauf hin, dass auch im Jahr 2007 schon eine mögliche Aufweichung des Zölibats auf massive Kritik stieß. Allerdings sei die konservative Mehrheit in der katholischen Kirche gerade im Begriff, an Einfluss zu verlieren. “Dass Franziskus Papst geworden ist, ist kein isoliertes Geschehnis, sondern steht im Zusammenhang mit einer generellen Öffnung der Kirche.”