5 deutsche Gewohnheiten, die schwer zu verstehen sind

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Als Dana Regev vor fünf Jahren nach Deutschland zog, war ihr vieles neu und unverständlich. An die meisten deutschen Gepflogenheiten hat sie sich inzwischen gewöhnt, manches aber ist ihr bis heute fremd geblieben.

Als ich von Israel nach Deutschland zog, wusste ich, dass viele neue kulturelle und soziale Normen auf mich zukommen würden. Schnell stellte ich beispielsweise fest, dass die Deutschen sehr freizügig mit dem Thema Nacktheit umgehen. Oder dass sie kein Problem damit haben, einen Fremden auf der Straße lauthals zu beschimpfen, wenn sie das Gefühl haben, dass er etwas falsch gemacht hat. Und dass sie eher ein Bier für wenig Geld am Kiosk kaufen, nur um ein paar Cent zu sparen, anstatt sich nebenan in eine gemütliche Bar zu setzen. 

Einige deutsche Gepflogenheiten sind mir in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen, wie etwa das Sonnenbaden im Park, die Barzahlung oder auch die ausgiebige Urlaubsplanung. Manche Dinge aber sind mir nach wie vor fremd.

Dana Regev

1. Durchzug – der gefürchtete Feind

Das Verhältnis der Deutschen zum Thema Luftzirkulation ist sehr komplex. Es gibt viele Frischluftfanatiker, die auch auch bei Außentemperaturen von minus zehn Grad Celsius darauf bestehen, das Fenster zu öffnen. Breitet sich die kühle Luft aber im Raum aus, setzt Panik ein. “Durchzug” lautet das Alarmwort. Zwei gegenüber liegende geöffnete Fenster können Panik auslösen. Und die Konsequenzen können verheerend sind: ein steifer Nacken, eine fiese Erkältung oder gar eine üble Lungenentzündung. An welchem Punkt genau allerdings die benötigte Frischluft zu gefährlichem “Durchzug” wird, habe ich noch nicht ganz verstanden. Doch es liegt ja wieder ein langer Winter vor mir, um dies herauszufinden.

2. Tempolimit? Haha…

Tempolimit – für viele Deutsche kein Thema

Man braucht sich nicht lange in Deutschland aufzuhalten, um zu merken, welchen Stellenwert das Auto für die meisten Menschen hat. Dementsprechend wichtig sind auch alle Themen, die damit zusammenhängen. Enige davon haben mit der Autobahn zu tun – bekanntlich eine Erfindung der Deutschen.

In Deutschland gibt es auf vielen Autobahn-Abschnitten keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Und jeder Versuch, dies zu hinterfragen, stößt sofort auf scharfe Kritik. Und tatsächlich ereignen sich 60 Prozent aller tödlichen Unfälle nicht auf den Autobahnen, sondern auf Landstraßen, auf denen in Deutschland eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gilt.

Dennoch ist es für mich, die aus einem Land kommt, in dem Autounfälle die häufigste Todesursache sind, kaum zu verstehen, warum es so wichtig sein kann, mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h über die Autobahn zu rasen. Und ich rede noch nicht von den Schikanen, wie langsamere Autofahrer mit Lichthupe oder Auffahren zu verscheuchen.

3. Nur Papier zählt!

Bitte schriftlich – am besten auf Papier!

Deutschland ist für seine sorgfältige Recyclingkultur bekannt. Gleichzeitig aber fällt mir auf, wie wichtig hierzulande das Papier ist. Im Jahr 2018 verbrauchte jeder Deutsche durchschnittlich 241,7 Kilogramm Papier. Damit gehört Deutschland zu den größten Papierverbraucherländern der Welt und führt damit sogar die Rangliste unter den G20-Staaten an, gefolgt von den USA.

Anscheinend gilt immer noch Goethes Spruch: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Seien Sie also darauf vorbereitet, einen Brief zu schreiben, wenn Sie einen Vertrag kündigen wollen, Quittungen auszudrucken, die sie per E-Mail erhalten haben und vergessen Sie grundsätzlich PDFs. Will man auf der sicheren Seite sein, sollte man stets einen Ausdruck auf Papier parat haben.

4. Arbeit bleibt Arbeit

Bierchen nach der Arbeit – nicht nur im Sommer gut

Deutsche betrachten ihre Kollegen selten als ihre besten Freunde, was für mich anfangs ein ziemlicher Schock war. Meine Chefs hier fragen mich nie etwas über mein Privatleben. Ich musste die Gespräche regelrecht manipulieren, damit sie ein wenig mehr von mir erfuhren als meinen Namen und wo ich herkomme.

Da meine Kollegen die Menschen sind, mit denen ich die meiste Zeit des Tages verbringe, finde ich es merkwürdig, mich nicht persönlich mit ihnen auszutauschen. Für viele Deutsche aber scheint diese Trennung zwischen privatem und beruflichem Leben normal zu sein. Für mich als Israelin aber ist es eine Herausforderung. Ich bin es gewohnt, mit Kollegen mehr zu teilen als nur ein Büro – von Getränken nach der Arbeit bis hin zu persönlichen Gesprächen über das Leben.

5. Sonntage

In Deutschland hat die Woche eigentlich nur sechs Tage. Sonntage sind zwar im Kalender zu finden, und sie tauchen definitiv immer wieder nach einem Samstag auf, aber ansonsten frage ich mich ernsthaft, ob sie überhaupt existieren. Denn an diesem Tag sind alle Läden – abgesehen von Cafés und Restaurants – geschlossen, der Nahverkehr fährt seltener und selbst in der Hauptstadt Berlin fühlt sich alles langsamer an. Und das scheint auch absolut niemanden zu stören.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin eine große Freundin von einem oder vielleicht sogar mehreren Ruhetagen pro Woche und bin den Gewerkschaften dafür auch sehr dankbar – aber als Vollzeit-Beschäftigte frage ich mich schon: Wäre es nicht toll, auch einmal an einem Sonntag Erledigungen machen zu können?

Bonus: Dating einen Deutschen

Der deutsche Mann bleibt für viele Frauen ein großes Mysterium. Bereits in meiner ersten Woche in Deutschland wurde ich von Frauen überall auf der Welt, aber auch von Deutschen, vor dieser seltenen Spezies gewarnt. Zu ihrer Verteidigung muss ich hinzufügen, dass bei ihnen dieses Gerücht inzwischen bekannt ist, und sie wissen wollten, was sie anders machen und warum ihr Ruf so schlecht ist. Trotz dieser höflichen Nachfrage, kann ich bestätigen: Der gemeine Deutsche ist im Umgang nicht einfach, mal das Dating außen vor gelassen. Ihre Kommunikationsformen sind erratisch und überraschend. Netzwerke wie WhatsApp und Facebook meiden sie gerne und überhaupt dauert es lange, bis sie endlich mal zugeben, dass das, was man mit ihnen hat, eine Beziehung ist. Immerhin – es ist genau wie mit der Zugluft: Ich habe eine ganze Saison, um mich an sie zu gewöhnen und ihr Geheimnis zu knacken.

Mehr Inhalte über Deutsche und ihre Eigenarten, die deutsche Alltagskultur und Sprache findest Du auf unserer Seite dw.com/MeettheGermans_de sowie bei YouTube.