Guterres: “Multilateralismus ist wichtiger denn je”

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UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist grade zu Besuch in Deutschland. Mit der Deutschen Welle spricht er über Syrien, die Uiguren und den Kampf gegen den Klimawandel.

Deutsche Welle: Herr Guterres, wie besorgt sind Sie über den Zustand des Multilateralismus?

Antonio Guterres: Es ist klar, dass die heutigen Probleme globale Probleme sind und kein einzelnes Land sie lösen kann. Wir brauchen Multilateralismus. Wir brauchen internationale Zusammenarbeit, um auf den Klimawandel zu reagieren, um die Auswirkungen der Digitalisierung zu bewältigen, um die ernsten Probleme von Terrorismus und Kriminalität auf der Welt zu lösen. Daher ist Multilateralismus heute wichtiger denn je. Diejenigen, die glauben, sie könnten es allein schaffen, werden früher oder später merken, dass es ohne ein starkes multilaterales Regieren nicht geht, damit unsere Welt die enormen Herausforderungen, die uns bedrohen, bewältigen kann: den Klimawandel, die Risiken, die mit der Digitalisierung verbunden sind, oder die dramatischen Probleme der Armut und des Hungers überall auf der Erde.

Blicken wir auf Syrien. Der politische Prozess dort scheint bereits festgefahren, noch bevor er wirklich begonnen hat. Was erwarten Sie von den Unterhändlern?

Zerstörungen in Syrien

Wir stehen erst ganz am Anfang. Es war gut, einen Verfassungsausschuss für Syrien zu gründen. Doch der Verfassungsausschuss ist noch keine politische Lösung. Wir müssen mit dem vorankommen, was der Sicherheitsrat über die innersyrische Suche nach einer politischen Lösung beschlossen hat. Außerdem müssen alle am Syrienkonflikt beteiligten Staaten erkennen, dass sie ihre Interessen ein wenig beiseite lassen und zusammenarbeiten müssen, damit diese furchtbar tragische Situation beendet wird, unter der so viele Syrer unerträglich leiden.

Es gibt Hinweise auf umfangreiche Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in China. Wie muss die internationale Gemeinschaft darauf reagieren?

Wir haben immer wieder gesagt, dass die Menschenrechte unbedingt zu achten sind und dass, wenn immer es um Minderheiten geht, eine Politik unerlässlich ist, bei der Minderheiten ihre Identität gewahrt sehen und sie gleichzeitig voll an der Gesamtgesellschaft teilhaben. Dies gilt auch hier, so wie es überall auf der Welt gilt.

Was sind Ihre Hoffnungen für die anstehende Klimakonferenz?

Ich finde es wichtig, dass diese Klimakonferenz bei Artikel 6 des Pariser Abkommens vorankommt. Aber die Teilnehmerstaaten einschließlich ihrer Unternehmen und der Zivilgesellschaften müssen vor allem zeigen, dass es ihnen ernst damit ist, die gegenwärtige Situation zu überwinden. Denn die jetzige Situation ist untragbar. Wir sind dabei, das Rennen gegen die Zeit zu verlieren. Die Emissionen nehmen weiter zu. Wir laufen ernsthaft Gefahr, dass wir bis Ende des Jahrhunderts das 1,5-Grad-Ziel verfehlen werden, und das wäre eine Katastrophe. Daher müssen wir unbedingt den politischen Willen aufbringen, den Klimawandel zu besiegen.

Das Interview führte Michaela Küfner.