Rennen um Merkel-Nachfolge bleibt offen

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Die Delegierten beim CDU-Parteitag lehnen eine Urwahl zur Kanzlerkandidatur ab. Nur ein Etappensieg für Annegret Kramp-Karrenbauer – denn ein Bayer zeigt, dass er auch noch da ist. Von Christoph Strack, Leipzig.

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CDU demonstriert Geschlossenheit auf Leipziger Parteitag

Zum Schluss des CDU-Bundesparteitags in Leipzig sind dann alle einstimmig für “Einigkeit”. Traditionell endet das Großtreffen der Christdemokraten mit der Nationalhymne “Einigkeit und Recht und Freiheit”. Passend zu einem Parteitag, der die CDU nach Monaten der immer schärfer werdenden internen Kritik und einer angeschlagenen Vorsitzenden wieder einen sollte.

Die Einigkeit der Partei ging an diesem Samstag auch zulasten der Partei: Denn mit großer Mehrheit sorgten die Delegierten per Antragsbeschluss dafür, dass der Bundestag in eine Entscheidung über Huawei einbezogen werden muss – und die Bundesregierung da nicht allein agieren kann. Norbert Röttgen, der führende Außenpolitiker der Bundestagsfraktion, warnte, es gehe um “eine der weitreichendsten strategischen Weichenstellungen”, um eine “eminente Frage der nationalen Sicherheit”.

Merkel stumm, ihr Minister twittert

Der Antrag war ein Kompromiss, der einen Eklat verhinderte. Denn Kanzlerin Merkel hatte schon angekündigt, eine auch geforderte strikte Absage einer Beteiligung des chinesischen Netzwerkausrüsters am 5G-Mobilfunknetz in Deutschland nicht umzusetzen. Angesichts der parteiübergreifenden Stimmung in den Bundestagsfraktionen wird das für die Regierung zur hohen Hürde. Während der längeren Debatte saß Angela Merkel neben ihrem Wirtschaftsminister Peter Altmaier, hörte sie sich stumm an. Ihr Kanzleramtsminister, Helge Braun, sonst nicht oft auf Twitter aktiv, beeilte sich mit diversen Tweets, geradezu begeistert die Zustimmung der Regierungsseite zur Einbeziehung des Parlaments zu bekunden.  

Setzt auf Einigkeit bis zum nächsten Parteitag 2020 – Annegret Kramp-Karrenbauer

Das Tauziehen um die Bewertung eines Huawei-Engagements erinnerte daran, dass dieser CDU-Parteitag auf seine eigene, gelassene Art so weit von einer unionsgeführten aktuellen Bundesregierung entfernt war wie kaum einer zuvor. Dazu gehörte auch, dass jemand wie Volker Kauder, Merkels früherer treuer Fraktionschef im Bundestag, gar nicht mehr vor Ort war. Bei Sachfragen gab es immer wieder Stimmen, die über künftiges Regierungshandeln sprachen, dabei aber erkennbar nicht mehr eine Merkel-geführte Regierung meinten. Und auch viele nicht-typische Merkel-Kritiker sind überzeugt, dass die Partei noch vor dem nächsten Großtreffen über die Kanzlerkandidatur und damit über die Merkel-Nachfolge zu entscheiden habe. 

Wo ist die Modernisierung?

Dieser 32. Bundesparteitag sollte für eine Modernisierung der CDU stehen. Erstmals stimmten die Delegierten bei den diversen Abstimmungen mit iPads ab – und auch bei geheimen Abstimmungen, für die sie dann ganz analog kleine Pappwände auf ihren Tischen aufbauten, lag binnen Sekunden das Ergebnis vor.

Erstmals auch unterbrach der Parteitag am ersten Tag seine Plenumsberatungen für gut eine Stunde, damit die Delegierten in mehreren Podien im Gebäudekomplex der Messe miteinander Sachfragen erörtern oder mit Experten diskutieren konnten. Und wie nie zuvor rüstete die CDU medial auf und stellte ins Zentrum des Sponsorenbereichs vor der Halle ein eigenes repräsentatives Fernsehstudio, CDU-TV.

Aber auch das CDU-TV konnte dann am Samstag nur berichten, dass die CDU die gute alte CDU ist. Da kamen bei Strukturfragen mehrere Anträge zusammen, die seit vielen Wochen beworben und gefordert worden waren. So formulierte die Frauenunion eine Quotenregelung, bei der Listen konsequent nach einem Reißverschlussprinzip besetzt werden, abwechselnd mit Männern und Frauen. Denn trotz der weiblichen Doppelspitze: In der Breite ist die CDU eine männlich dominierte Partei.

Die CDU ist eine männlich dominierte Partei – das soll sich ändern

Zudem beantragte der Bundesverband Lesben und Schwule in der Union (LSU), als achte Vereinigung der CDU in der Satzung verankert zu werden, wie etwa die Senioren-Union oder die Frauenunion. Beide Anträge wurden vertagt und sollen bis zum Parteitag im Herbst 2020 von einer Struktur- und Satzungskommission beraten werden. Nach den heftigen Diskussionen im Vorfeld unterstrich die Partei auch am Kompromiss zur Grundrente mit der SPD festzuhalten. 

Keine Urwahl, doch die Konkurrenz wächst

Nicht vertagt, sondern gleich krachend abgelehnt wurde die Forderung der Jungen Union (JU) nach einer Urwahl für die nächste Kanzlerkandidatur der Union. JU-Chef Tilman Kuban, seit Monaten einer der kräftigen Kramp-Karrenbauer-Kritiker, warb dafür. Sein Satz, “ich höre immer, wenn man auf die SPD schaut, dann sieht man ja, dass ein Urwahlverfahren nicht funktioniert”, bekam in seinen Ausführungen den stärksten Beifall. Dass er aber hinzufügte, dass die CDU das besser könne, ging beinahe unter. Ein halbes Dutzend Delegierte unterstützte ihn. Aber am Ende trat Generalsekretär Paul Ziemiak, Kubans Vorgänger an der JU-Spitze, ans Rednerpult und hielt dagegen. Und in geheimer Abstimmung fiel dieses Ansinnen direkt krachend durch.

Fast wie im Bierzelt: Markus Söder predigt die Geschlossenheit von CSU und CDU

Einer gab wohl unangefochten den Top-Act des Samstags. Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, feierte in einer Rede, die auch Bierzelt-Gänger hätte unterhalten können, die neue Innigkeit der Schwesterparteien. Ein weiterer Meilenstein der neuen Nähe, nachdem unter Parteichef Horst Seehofer die CSU die CDU mit herzlicher Gehässigkeit begleitete. Nun also Söder, mal begann er mit “liebe Delegierte, liebe Annegret”, mal mit “liebe Annegret, liebe Angela”. Aber immer sprach er den Delegierten aus dem Herzen. Die AfD als “Feind” und “neue NPD”, die Sozialdemokraten als bemitleidenswerte Partei, die Grünen als Hauptgegner, denen er “Doppelmoral” vorwarf.

Und ganz nebenbei erinnerte Söder mit seiner engagierten und gefeierten Rede daran, dass er auch noch da ist. Gewiss auch in der Debatte um die nächste Kanzlerkandidatur. Diese Debatte bleibt. Und gewiss wird die CDU da bald wieder loslegen. Ob CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, die parteipolitisch angeschlagen nach Leipzig kam und ihre Stellung etwas festigte, oder doch Friedrich Merz; ob Jens Spahn oder Armin Laschet oder doch Markus Söder. Viel-, nicht einstimmig, aber doch einmütig in der Konkurrenz. Spätestens beim Parteitag 2020 in Stuttgart wird einer von ihnen gewinnen.