Zwei Inder wegen Spionage in Deutschland angeklagt

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Zwei Inder soll mehrere Jahre lang in Deutschland für den indischen Geheimdienst Informationen über die oppositionelle Sikh- und Kaschmir-Bewegung gesammelt haben. Am Donnerstag wird die Hauptverhandlung eröffnet.

Angeblich sei der Angeklagte einst selbst vor Repressalien von ihrer Heimat Indien nach Deutschland geflüchtet. Das aber soll den 50 Jahre alten Mann nicht davon abgehalten haben, ihre Landsleute in Deutschland auszuspionieren und Informationen an den indischen Auslandsgeheimdienst “Research and Analysis Wing” (RAW) weiterzugeben: Namen von in Deutschland lebenden Oppositionellen, Fotos von Demonstranten und Adressen. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass die Eheleute all das gegen Geld taten.

Wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit müssen sich seit Donnerstag (21.11.2019) der Inder und seine 51 Jahre alte Ehefrau vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main verantworten.  Zwischen 2015 und 2017 soll das Ehepaar, das aktuell in Mönchengladbach (Bundesland Nordrhein-Westfalen) lebt, Anhänger der oppositionellen Sikh-Szene und Kashmir-Bewegung sowie deren Angehörige in Deutschland ausspioniert haben, so die Anklage. Elf Fälle werden den Eheleuten vorgeworfen, insgesamt sollen sie rund 7200 Euro für ihre Tätigkeit kassiert haben.

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Agenten als Konsul getarnt

Etwa einmal pro Monat hätten sich die Angeklagten dazu mit Offizieren des indischen Geheimdiensts in Frankfurt am Main getroffen. Zwei Agenten seien als Konsul am indischen Generalkonsulat in Frankfurt getarnt gewesen, wie es in der Anklage heißt. Bei den Treffen, die meist in den Privatwohnungen der Offiziere stattgefunden hätten, habe zunächst nur der angeklagte 50-Jährige Informationen weitergegeben. Seine Ehefrau sei erst später dazu gestoßen und habe sich an zwei der angeklagten elf Spionagefälle beteiligt.

Der Angeklagte habe unter anderem in Köln und Frankfurt gezielt Informationen über Mitglieder der oppositionellen Gruppen abgefragt. So soll er 2017, als ein Besuch des indischen Premierministers am Rand des G20-Gipfels in Hamburg bevorstand, in Erfahrung gebracht haben, ob und wie Mitglieder der Kaschmir-Bewegung Demonstrationen gegen den Regierungschef geplant hätten. Bei anderer Gelegenheit soll er die Namen von 14 Personen herausgefunden und an den Geheimdienst weitergeleitet haben, die gegen den Premierminister demonstriert hatten. Schon 2015 habe er bei einer Kundgebung fotografiert und die Bilder ebenfalls seinen Verbindungsoffizieren zur Verfügung gestellt.

Angeklagter ist selber Sikh

Der Inder, der 1992 erstmals nach Deutschland kam und Asyl beantragte, sitzt ruhig zwischen seinem Verteidiger und einer Dolmetscherin. Obwohl er schon lange in Deutschland lebt, verfüge er nur über rudimentäre Sprachkenntnisse. Äußerlich unbeteiligt hört er der Übersetzerin zu, als die Anklage verlesen wird. Seine Ehefrau dagegen spricht ab und an leise mit ihrem Verteidiger.

Nach eigenen Angaben hat der Angeklagte etwa acht Monate in Indien in Haft gesessen, weil er sich politisch für die Belange der Religionsgemeinschaft der Sikh engagiert hatte. Als Sikh sei er nach dem tödlichen Attentat auf die damalige Premierministerin Indira Gandhi 1984 unter Druck gewesen. Deswegen sei er nach Deutschland gekommen. Indira Gandhi wurde am 31. Oktober 1984 von zwei ihrer Sikh-Leibwächter erschossen, nachdem Gandhi eine militärische Offensive um den Goldenen Tempel, das größte Heiligtum der Sikhs, bewilligt hatte. Der Tempel war komplett zerstört worden. In den Tagen nach Gandhis Ermordung wurden schätzungsweise 3000 Sikhs getötet. Weitere 100.000 mussten von der Hauptstadt Neu Delhi fliehen.

Indira Gandhi wurde 1984 von zwei Sikh ermordet

Asylantrag abgelehnt

Zunächst sei sein Asylgesuch abgelehnt worden. Der Folgeantrag mit neuen Asylgründen sei ebenfalls gescheitert. Er wird derzeit in Deutschland geduldet, wie das Gericht ergänzt. Der 50-Jährige dürfe aufgrund der sogenannten “Abschiebehemmnisse” in Deutschland bleiben.

In seiner neuen Heimat habe der Angeklagte unter anderem in der Textilwirtschaft gearbeitet. Von 2003 bis 2005 habe er seine Frau unterstützt, die sich in derselben Branche selbstständig gemacht hatte. Inzwischen lebt das Paar von staatlicher Hilfe. Der Angeklagte sei arbeitsunfähig und diabeteskrank.

Nicht nur, weil die Dolmetscherin jede Frage des Gerichts übersetzen muss, zieht sich der erste Prozesstag. Der Angeklagte antwortet oft einsilbig und langsam. Immer wieder fragt er offenbar bei der Dolmetscherin nach, um dann doch nur mit wenigen Worten zu antworten.

Ob er trotz Übersetzung die an ihn gerichteten Fragen zu seiner Person nicht versteht, verstehen will oder er sich nicht erinnern kann, bleibt offen. Viel mehr als ein paar persönliche Angaben haben der Vater zweier Söhne und seine mitangeklagte Ehefrau an diesem ersten Prozesstag nicht viel sagen. Die Frage, ob er sich zu den Vorwürfen äußert, wird ebenfalls zurückgestellt. Beiden Angeklagten droht eine Höchststrafe von fünf Jahren. Bis Mitte Dezember sind noch sechs Termine für das Verfahren angesetzt.