Die DFB-Elf und das Problem mit den Fans

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Die EM-Qualifikation ist in der Tasche. Dennoch hat die deutsche Nationalelf ein Problem: Das Publikum wendet sich ab. Bei Heimspielen bleiben viele Sitze leer. Zu viel Marketing, zu hohe Preise, sagen die Fans.

Der vierfache Weltmeister kommt und nicht alle Tribünen sind besetzt

Ein Witz macht schnell die Runde im Stadion: Hat der Deutsche Fußball Bund (DFB) eigens eine Blaskapelle engagiert, um wenigstens für ein wenig Stimmung im Borussia-Park zu sorgen? 

Nach 30 torlosen Minuten machen sich jedenfalls ein paar Musiker in der Nordkurve bemerkbar und beschallen das weite Rund im Borussia-Park. Immer dann, wenn auf dem Rasen gerade wenig passiert, wird die Kapelle aus Bläsern und Trommlern lauter. Doch der Funke will lange Zeit nicht so recht überspringen aufs Publikum. 

Die kleine Kapelle hatte es nicht ganz leicht, schließlich sind nicht besonders viele Menschen an diesem kühlen November-Abend nach Mönchengladbach gekommen. Nur 33.164 Zuschauer wollen das EM-Qualifikationsspiel der DFB-Elf gegen Weißrussland sehen. Das verkündete zumindest der Stadionsprecher, gefühlt sind es weniger. Bei internationalen Spielen dürften eigentlich mehr als 46.000 Zuschauer in dieses Stadion. Die, die kommen, werden nach einigen schwachen, mäßigen und guten Auftritten der DFB-Elf zuletzt mit einer starken Vorstellung der Mannschaft von Joachim Löw belohnt: Das 4:0 (1:0) bedeutet die direkte Qualifikation für die EURO 2020.

Auch in Frankfurt bleiben viele Sitze leer

Auch in Frankfurt beim 6:1 (2:1)-Kantersieg gegen Nordirland bleiben viele Plätze unbesetzt: Knapp 43.000 Zuschauer kamen in die Frankfurter Arena, vor allem auf den Oberrängen waren viele Sitzschalen frei. Sechs Tore durch Löws neuen Liebling Serge Gnabry (19./47./59. Minute), Leon Goretzka (43./73.) und Julian Brandt (90.+1) sorgten für Kurzweil, doch offenbar müssen manche deutschen Fans erst mit der neuformierten Nationalmannschaft warm werden. 

Die leeren Ränge werfen eine Frage auf: Ist der vierfache Weltmeister Deutschland nicht mehr attraktiv für die Fans? Der Abend in Mönchengladbach gibt einige Antworten: Die späte, familienunfreundliche Anstoßzeit (20.45 Uhr), die Ticketpreise von bis zu 80 Euro und wohl auch der nicht gerade anziehende Gegner hatten sicher dafür gesorgt, dass viele der grauen Sitzschalen im Borussia Park unbesetzt blieben.

Immerhin die Leistung passt: Das lockere 4:0 gegen Weißrussland wird den einen oder anderen Fan versöhnen

Und manche, die kommen, sind eher zufällig hier: Marcel und Josefine zum Beispiel. Sie kommen aus dem eine Autostunde entfernten Gelsenkirchen und sind im DW-Gespräch ehrlich: “Wir haben die Karten auf Instagram in einer Verlosung gewonnen. Sonst wären wir nicht gekommen”, sagt Josefine. Die vier Tore waren schön, aber sonst war der Abend für beide nicht sehr emotional. “Die Stimmung ist schon etwas traurig”, meint Marcel. Vielleicht ein subjektiver Eindruck, denn zumindest in der zweiten Hälfte tut sich phasenweise etwas auf der Tribüne: Nach der deutlichen 3:0-Führung schwappt tatsächlich die La-Ola-Welle durch das Stadion. Ein inzwischen eher seltenes Bild bei Länderspielen.

Teurer Spaß

Seit längerer Zeit scheint etwas nicht zu stimmen zwischen DFB-Elf und Fans. Das spürt man auch an diesem Abend in Mönchengladbach, wo erneut so viele Plätze leer geblieben sind. Da ist dieses Gefühl einer gewissen Entfremdung, die – so scheint es – selbstverschuldet ist: Die umfangreichen und manchmal künstlich wirkenden Marketingaktivitäten des DFB rund um “Die Mannschaft” sorgen bei vielen Fußballfans schon lange Zeit für Verdruss.

Mal sind es Hashtags, die eigentlich die Sponsoren bewerben sollen, statt das Team, mal sind es Aktionen des gesponserten und daher als künstlich empfundenen “Fanclub Nationalmannschaft” die irritieren. 

Auch das neue DFB-Trikot, das für den stolzen Preis von rund 130 Euro seit ein paar Tagen im Handel ist, sorgt für Unverständnis. “Das ist schon sehr viel Geld. Wenn man dann noch ins Stadion geht, das Ticket kauft und was essen und trinken möchte, dann wird das ein sehr teurer Spaß”, sagt Hans, der aus Hamburg angereist ist, um die Nationalmannschaft mal wieder live vor Ort zu sehen.

Boykott der Mönchengladbacher Fanszene

Die gewachsenen Fangruppen aus der Stadt machten sich dagegen rar. Die Fanszene in Mönchengladbach setzte bei dieser Partie ein klares Statement: Der Supporters Club FPMG, der hinter der Nordkurve stets das FanHaus und einen Info-Stand betreibt, hatte an diesem Abend kein Angebot für Fans.

“Die Fanszene Mönchengladbach ist nicht gewillt, die Machenschaften beim DFB sowie den Kommerz rund um unsere Nationalmannschaft mitzutragen. Künstliche Produkte wie etwa die Umbenennung in ‘Die Mannschaft’ oder die Zwangsmitgliedschaft im sogenannten ‘Fanclub Nationalmannschaft’, um Eintrittskarten zu erhalten, stoßen langjährige Fans vor den Kopf”, teilte der Supporters Club auf seiner Homepage mit.

Und auch die Fanhilfe Mönchengladbach, die eigentlich den Fans bei Spielen ein Notfalltelefon zur Verfügung stellt, versagte das Angebot. Die Gruppe hing stattdessen ein Banner mit der Aufschrift “Korrupte Verbände stoppen” an den Außenzaun des Stadions. Ein deutliche Geste in Richtung des DFB, der bei einigen deutschen Ultragruppen nicht den besten Ruf genießt.

Sind die Ränge halbvoll oder halbleer? So oder so: Die DFB-Elf hat ein Imageproblem

Dass das Phänomen des geringen Zuschauerinteresse sich nicht allein auf die Partie in Mönchengladbach beschränkt, zeigte vor allem das Länderspiel im Oktober in Dortmund. Argentinien war dort zu Gast, eine Starelf mit klingenden Namen, die normalerweise Fußballfans in Scharen anzieht. In das riesige Dortmunder Stadion kamen aber gerade mal 44.000 Besucher und die Ränge blieben halbleer. Bei anderen Spielen ging der DFB in kleinere Arenen. 

Bierhoff gesteht Fehler ein

“Wir laufen gerade nicht vorneweg”, sagte Oliver Bierhoff in dieser Woche. Bierhoff trägt seit einem Jahr die sperrige Berufsbezeichnung “Direktor Nationalmannschaften und Akademie”, was eher an einen Behördenleiter als an einen privilegierten Job im Profifußball erinnert. Auch in Sachen Marketingmaßnahmen gestand Bierhoff Fehler ein. “Wir haben das, ja, ein bisschen überdreht. Wir haben das vielleicht überbetont”, sagte Bierhoff: “Deshalb haben wir das stark zurückgenommen.”

Auch die Social-Media-Affären um Mesut Özil und Ilkay Gündogan sowie die in den letzten Jahren teilweise katastrophale Außenwirkung der DFB-Spitze um den zurückgetretenen Reinhard Grindel haben Spuren hinterlassen in der Beziehung der Fans zum DFB. Eine Blaskapelle und ein paar Tore allein werden nicht reichen, um sie zu verwischen.