Minderheiten vor Sri Lanka-Wahl verunsichert

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Bei der Präsidentschaftswahl auf Sri Lanka am Samstag brauchen die beiden aussichtsreichsten Kandidaten auch Stimmen der Minderheiten. Aber Tamilen und Muslime haben Gründe zum Misstrauen.

Rund 16 Millionen Wahlberechtigte auf Sri Lanka wählen Samstag einen neuen Präsidenten. Sie können sich zwischen 35 Kandidaten entscheiden, aber die Wahl dürfte sich realistisch betrachtet zwischen Gotabaya Rajapaksa (Artikelbild, mit seinem Bruder Mahinda auf dem Plakat) von der oppositionellen Podujana Peramuna-Partei und Sajith Premadasa, derzeit Gesundheitsminister von der regierenden United National Party (UNP), entscheiden. 

Vielen Singhalesen, der Mehrheitsbevölkerung auf Sri Lanka, gilt Rajapaksa als Retter des Vaterlandes. Er war Verteidigungsminister, als 2009 Regierungstruppen die separatistische Terrororganisation LTTE nach drei Jahrzehnten Bürgerkrieg endgültig militärisch besiegten. Viele Tamilen – und nicht nur sie – verbinden mit seinem Namen allerdings extra-legale Tötungen und das Verschwindenlassen von Tamilen, Oppositionellen und Journalisten.

Feindbild Muslime: Mönche der radikalen buddhistischen Organisation BBS

Misstrauen der Muslime

Innerhalb der muslimischen Minderheit wiederum sieht man Rajapaksas Nähe zu buddhistischen Nationalisten wie der Organisation Bodu Bala Sena (“Buddhistische Kraft”) mit Argwohn. Seit Jahrzehnten agitieren buddhistische Scharfmacher gegen die muslimische Gemeinde auf Sri Lanka, indem sie zum Boykott gegen ihre Kaufleute aufrufen, Singhalesen auffordern, keinen Wohnraum an muslimische Familien zu vermieten und Bürgerwehren gegen den muslimischen Extremismus aufzustellen. 

Dennoch wird Gotabaya Rajapaksa ebenso wie Premadasa Stimmen von den Minderheiten der Tamilen und Muslime brauchen, die zusammen etwa 30 Prozent der Wählerschaft ausmachen, um einen ungefährdeten Wahlsieg zu erringen.

Misshandlungen und andere Menschenrechtsverletzungen in den Lagern für tamilische Zivilisten blieben unaufgeklärt

Enttäuschte Tamilen

Viele Tamilen sind wegen der fehlenden Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in der Endphase zwischen Regierungstruppen und LTTE-Kämpfern enttäuscht.  Bis zu 40.000 Zivilisten sollen 2007-09 ums Leben gekommen sein. Zivilisten, die sich im Mai 2009 in “No-fire”-Zonen geflüchtet hatten, kamen unter Beschuss durch Regierungstruppen. In den Lagern, in welchen die Regierung Zehntausende tamilische Zivilisten vorübergehend unterbrachte, soll es zu Misshandlungen und Verschleppungen gekommen sein. Die UN erhoben auch gegen die LTTE Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen.

2015 kam es zu einer Einigung zwischen der jetzigen Regierung und den UN über die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission. Diese Einigung hat Rajapaksa noch Oktober erneut verworfen. “Wir haben als Partei diese Einigung öffentlich zurückgewiesen … In dieser Frage ist unser Standpunkt von dem der Regierung weit entfernt”, sagte Rajapaksa auf einer Pressekonferenz.

Sajith Premadasa will die Rückkehr der Rajapaksa-Familie an die Macht verhindern

Desinteresse an Vergangenheitsbewältigung

Aber nicht nur Rajapaksa weigert sich, die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen aufzuklären. Auch die jetzige Regierung, für die Premadasa antritt,  hat in punkto Aufarbeitung wenig vorzuweisen, wie Amnesty International  Anfang Januar berichtete. Es seien zwar einige Ermittlungen eingeleitet worden, aber bislang ohne Ergebnisse. “Wenn es darum geht festzustellen, wer für Fälle  von Folter (und) Vergewaltigung … verantwortlich ist, wurde so gut wie kein Fortschritt gemacht”, so AI. Dieselbe Verzögerungstaktik werde allerdings auch verfolgt,  wenn es um die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen durch die LTTE geht.

Die größte Tamilenpartei, die Tamil National Alliance (TNA), hat dennoch eine Wahlempfehlung für Premadasa als kleineres Übel abgegeben. Ihr Sprecher Raghu Balachandran sagte gegenüber der DW, dass eine Rückkehr von Gotabaya Rajapaksa an die Macht, diesmal als Präsident, für die Tamilen eine “schreckliche Vorstellung” sei. “Sie befürchten, dass sie keine Freiheit hätten, dass nicht nur ihre Gemeinschaft bedroht wäre, sondern alle, die sich für Menschenrechte einsetzen.”

Beten für die Getöteten nach den Anschlägen zu Ostern 2019

Anschläge von Ostern 2018 und die Folgen

Rajapaksa hat sich im Wahlkampf den Kampf gegen den Terrorismus auf die Fahnen geschrieben. Zu Ostern im April 2018 kam es bei mehreren koordinierten Anschlägen zum ersten islamistischen Anschlag auf Christen in Sri Lanka, über 250 Todesopfer waren zu beklagen, Hunderte wurden verletzt. Im Mai kam es zu Übergriffen gegen Muslime und ihr Eigentum, ein Mann wurde mit Messerhieben getötet. Im selben Monat wurde – ein Schock für die Muslime – Gnanasara Thero von Präsident Sirisena begnadigt. Thero ist der Anführer der militanten Buddhistenvereinigung Bodu Bala Sena und war wegen Anstachelung zur Gewalt gegen Muslime und wegen Missachtung des Gerichts verurteilt worden.

Anti-muslimische Äußerungen seien allerdings in den letzten Monaten vor der Wahl im Land insgesamt zurückgegangen, sagt Hilmy Ahamed vom Muslim Council Sri Lankas gegenüber der DW: “Bei den Muslimen macht der Witz die Runde, dass während der Fastenzeit  alle Teufel angekettet sind, und dass alle Teufel, die Hass predigen, von der Rajapaksa-Familie bis die Wahlen vorbei sind angekettet wurden, denn sie braucht unsere Stimmen.” 

Nach dem Angriff eines Mobs auf eine Moschee im Mai 2019

Misstrauen gegenüber der muslimischen Minderheit

Dies bestätigt auch Alan Keenan, Sri-Lanka-Experte von der International Crisis Group: “Das im Land vorhandene Misstrauen gegenüber der wirtschaftlichen Macht und dem Einfluss der Muslime kann jederzeit gestärkt werden, wenn es politisch opportun ist. Das ist es derzeit nicht, denn Rajapaksa und seine Verbündeten  brauchen zumindest einen Teil der Stimmen der Muslime. Die fehlten Mahinda Rajapksa 2015, was zu seiner Wahlniederlage beigetragen hatte.”

Hilmy Ahamed meint allerdings, dass die muslimischen Wähler Rajapaksa  wegen seiner Nähe zu nationalistischen singhalesischen Kräften nicht trauen würden. Letztere haben schon vor den Anschlägen von Ostern 2018 vor einer “Arabisierung” der Muslime in Sri Lanka und der davon ausgehenden Bedrohung für die Gesellschaft Sri Lankas gewarnt. Durch die Anschläge sind diese Warnungen auch bei solchen Singhalesen auf Widerhall gestoßen, die bislang Distanz zu den ethnisch-religiösen Nationalisten gewahrt haben.

Vielgefragt: Der Bruder des Präsidentschaftskandidaten, Mahinda Rajapaksa

Kann Premadasa “zweite Ära Rajapakse” verhindern?

Sajith Premadasa, Sohn eines früheren Präsidenten, steht bei den Minderheiten nicht im selben Maße wie sein Konkurrent unter dem Verdacht, dass er deren Interessen missachten würde. Aber sein Makel ist, dass er einer Regierung angehört, die die Terroranschläge von Ostern 2018 nicht verhindert hat, trotz einschlägiger Warnungen von Seiten des Muslim Council vor der islamistischen Gruppe National Thowheed Jamath (NTJ). Folgerichtig hat auch Premadasa die innere Sicherheit zu seiner Priorität erklärt. Er benannte den früheren Armeechef Sarath Fonseka, auch er ein Sieger über die LTTE,  zu seinem Kandidaten für den Posten des nationalen Sicherheitschefs.

Gotabaya Rajapaksas Gegner argumentieren, dass seine Wiederwahl eine Rückkehr zum autoritär-repressiven Regierungsstil der Jahre unter seinem Bruder Mahinda wäre. Auch die Tatsache, dass weitere Familienangehörige schon in den Startlöchern stehen, um wichtige Posten zu übernehmen, lässt diese Kritiker nicht Gutes ahnen. Als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten nach den Parlamentswahlen Anfang des kommenden Jahres steht jedenfalls erneut Mahinda Rajapaksa bereit.