Burkina Faso: Das Gold der Terroristen

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Für Terroristen im Sahel bieten Goldminen in ländlichen Gegenden eine willkommene Einnahmequelle. Jüngste Angriffe in Burkina Faso zeigen: Den Sicherheitskräften gelingt es nicht, die Gebiete zu kontrollieren.

Die Sahelzone ist im Goldrausch. Seit 2012 eine neue Goldader in der Region entdeckt wurde, sind viele neue Minen entstanden. So auch in Burkina Faso. Die Mine von Boungou im Nordosten des Landes wurde zwischen 2017 und Mitte 2018 eingerichtet. Doch die Region ist zunehmend von Islamisten gefährdet. Mindestens 39 Menschen starben vergangene Woche bei einem Überfall auf Busse, die Minenarbeiter nach Boungou bringen sollten. 60 weitere wurden verletzt.

Guiro Abdoul Kader wurde im Schlaf von den Angreifern überrascht. “Ich hörte, wie die Scheiben zerbarsten. Im gleichen Moment bohrte sich eine Kugel in meinen Rücken und ich ging zu Boden”, sagte der Minenarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. “Mein Kollege fiel über mich. Ich sagte, er solle sich kleiner machen und in Deckung gehen. Er antwortete, er sei getroffen worden, und dass wir jetzt beten müssten.”

Eine Goldgrube für Islamisten

Betrieben wird die Mine von der kanadischen Bergbaufirma SEMAFO. CEO Benoît Désormeaux versprach bei einem Besuch in Burkina Faso Anfang der Woche, man werde für die Verwundeten aufkommen und beschwor die Partnerschaft mit dem Land: “Seit vielen Jahren arbeiten wir mit den Menschen in Burkina Faso zusammen. Gemeinsam wollen wir ausloten, wie wir die Zusammenarbeit fortsetzen und gleichzeitig die Sicherheit für die Mine gewährleisten können.”

Doch ebendiese Sicherheit ist jetzt infrage gestellt. Schon 2016 hätten Islamisten erstmals Goldminen in der Sahara unter ihre Kontrolle gebracht, schreibt die International Crisis Group in einem aktuellen Bericht. Die Sicherheitskräfte seien zurückhaltend, wenn es darum gehe, ländliche Gebiete zu schützen. Mit fatalen Folgen: “Je mehr sich die Sicherheitslage verschärft und bewaffnete Gruppen das staatliche Gewaltmonopol infrage stellen, desto mehr bröckelt die Fähigkeit der Verantwortlichen, Minen auch nur indirekt zu sichern, so die Autoren der Studie. Stattdessen sicherten sich Islamisten und andere bewaffnete Gruppen über das Gold eine neue Einnahmequelle.

Enttäuschung fünf Jahre nach Compaoré

Das ist eine bittere Bilanz – fünf Jahre, nachdem der langjährige Präsident Blaise Compaoré durch einen Bürgeraufstand abgesetzt wurde. “Sehen Sie nur, wie viele Menschen ermordet wurden, wie sehr die Unsicherheit und der Terrorismus zugenommen haben”, sagt der Aktivist Abdel Kader Traoré im DW-Interview. “Dann werden Sie erkennen, dass die aktuelle Regierung nicht in der Lage ist, das Volk zu schützen und die territoriale Integrität des Landes zu garantieren.” Traoré steht an der Spitze einer Bewegung, die die Rückkehr Compaorés fordert.

2014 musste Blaise Compaoré auf Druck der Bevölkerung als Präsident zurücktreten

Doch auch unter den ehemaligen Aktivisten für den Umsturz herrscht Resignation. Einer von ihnen ist Marcel Tankoano von der “Bewegung des 21. April”, kurz M21. “Das Volk ist enttäuscht, fühlt sich betrogen. Wenn dann Rufe nach Compaoré laut werden, zeigt das, dass die Regierung versagt hat”, sagt Tankoano. Die neue Führung, die sich aus ehemaligen Vertrauten Compaorés zusammensetze, habe sich als genauso korrupt erwiesen.

Ein Pakt mit den Terroristen?

Der Terrorismus, bis 2015 praktisch kaum präsent in Burkina Faso, hat heute ganze Landstriche entvölkert: Rund 300.000 Menschen mussten fliehen, die Folgen für Landwirtschaft und Handel sind katastrophal. Auch tausende Schulen mussten schließen.  Doch wie konnte Burkina Faso überhaupt so lange davon verschont bleiben? “Blaise Compaoré hatte gute Strategen”, sagt Sicherheitsexperte Laurent Kibora im DW-Gespräch. Er habe ein Spiel des Zuckerbrots und der Peitsche gespielt, indem er einerseits zwischen allen Seiten vermittelt habe und andererseits eine schlagkräftige Anti-Terror-Einheit aufgebaut habe. Viele vermuteten gar, dass der alte Präsident einen Nichtangriffspakt mit den Islamisten geschlossen habe, so Kibora.

Eine Vermutung, zu der sich der aktuelle Präsident Burkina Fasos, Roch Marc Christian Kaboré, im DW-Interview Anfang des Jahres sehr deutlich äußerte: “Das sind keine Gerüchte, sondern ein Fakt. In Burkina Faso herrschte jahrelang Frieden, weil es einen Deal gab “, sagte Kaboré im Februar. “Am 12. Januar 2016 wurde die neue Regierung vereidigt, und drei Tage später gab es das größte Attentat überhaupt in Burkina Faso. Absolut nichts hatte zuvor auf eine Terrorgefahr hingedeutet.” Kaboré machte deutlich, dass es solche Deals unter ihm nicht geben werde – das sei “eine Frage der Ethik”.

Bildungsminister Stanislas Ouaro im DW-Interview

Derweil bemüht sich die Regierung, die Sicherheit im Land wiederherzustellen. “Wir freuen uns, sagen zu können, dass wir mehr als 400 Schulen wiedereröffnet haben”, erklärte Bildungsminister Stanislas Ouaro der DW vor kurzem auf einem Deutschlandbesuch. Es bleibt ein bescheidener Anfang. Und auch unter den Minenarbeitern von Boungou ist die Skepsis groß. “Ich werde nicht zurückgehen”, sagt Joachim Ouedraogo, einer der Verwundeten. “Ich sehe nicht, wie sie die Straße dorthin sichern könnten.” Auch die Sicherheitsbegleitung habe ja nichts genützt.

Mitarbeit: Julien Méchaussie