Johann Sebastian Bach trifft auf Techno

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“Bach ist Techno” – diesen Beweis will der international bekannte deutsche DJ Marc Romboy antreten. Er hat dem Barock-Komponisten eine elektronische Frischzellenkur verpasst.

Populäre elektronische Musik hat viele Formen – vom gefälligen Hintergrund-Beat für den entspannten Sonntagnachmittag bis hin zu den unerbittlichen Bässen, die Technoclub-Besuchern den Puls beschleunigen. Doch klassische Musik kommt in diesem Universum aus Synthesizern, Samplern und Soundkarten so gut wie gar nicht vor.

Noch weniger scheinen die Größen der Kammermusik wie etwa Johann Sebastian Bach in dieses Bild zu passen. Schließlich komponierte der seine Meisterwerke vor über 300 Jahren. Doch vielleicht ist es gerade die mathematische Präzision, mit der Bach komponierte, die seine Musik für moderne Re-Interpretationen prädestiniert.

“Techno-Bach” hat Potential, es war nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand dieser klassischsten aller klassischen Musik mit einem elektronischen Mindset annimmt. Dieser Jemand ist der deutsche Musikproduzent und DJ Marc Romboy.

Techno-Tempel 2.0

Romboy ist in der elektronischen Musikszene international bekannt. Seit fast 30 Jahren im Geschäft hat er alles gesehen, gehört und gemacht – und bleibt doch immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen.

Seine Bach-Interpretation ist von Verehrung, ja Ehrfurcht geprägt – das ist spür- und vor allem hörbar. Seine Show “Reconstructing Bach” wurde zuletzt nicht etwa in einem Berliner Techno-Tempel, sondern in der Kölner Philharmonie gezeigt.

Die minimalistisch gehaltene Bühne schuf Raum für eine Atmosphäre, die vom nötigen Ernst und gleichzeitig unmittelbarer Direktheit getragen war – ganz wie in den gotischen Kathedralen, mit denen Bach im Allgemeinen assoziiert wird. Das bunte Bühnenlicht unterstrich die Wärme und Dramatik dieser intimen Musik – wie Sonnenstrahlen, die durch buntes Kirchenglas schimmern.

Romboy tritt seit drei Jahrzehnten in Nachtclubs rund um den Globus auf

Eine kleine Gruppe von Musikern unter Leitung des Geigers Miki Kekenj begleitete die Beats und Rhythmen, die Rombay seinem Equipment entlockte. Die gewagte Behauptung “Bach ist Techno” – sie wurde eingelöst.

Der erfahrene DJ hofft, dass seine Interpretation dem 1750 gestorbenen Star der Barockmusik gefallen hätte: “Ich persönlich glaube, dass Bach über unsere Arbeit verblüfft gewesen wäre. Wenn man seine alten Kompositionen studiert, merkt man schnell, was für ein wacher und offener musikalischer Geist Bach war.”

J.S. Bach am Mischpult

Ob dies Bach nun ge- oder missfallen hätte, bleibt selbstverständlich Spekulation. Aber die Reaktionen des Publikums zeigen deutlich, dass die Zeit reif war für diese Verbindung klassischer und elektronischer Musik.

Miki Kekenj schätzt die Detailfülle elektronischer Tanzmusik

Zwar haben schon viele Musiker sich daran gewagt, Klassikklänge zu House- und Techno-Beats zu sampeln, wenige sind aber so weit gegangen wie Romboy mit seinem kompromisslosen Anspruch: Er betont die klassische Musik so stark, dass sich die Techno-Musik in der Philharmonie kein bisschen unnatürlich anfühlt – ganz im Gegenteil.

Romboys eigenes Interesse für die Klassik kam tatsächlich über elektronische Umwege. Er  hat weder Instrument noch Notenlesen gelernt. “Ich wollte nie zur Musikschule. Ich wollte keine Blockflöte lernen. Mein Weg zur Musik führte über das Sammeln. Mit meiner Sammlung wurde ich zum DJ. Und meine Tätigkeit als DJ weckte irgendwann mein Interesse für die klassische Musik”, erklärt Romboy der DW seinen Werdegang. “Die klassische Musik ist wie eine große Schatzkiste. Um sie wirklich zu erschließen, bräuchte ich allerdings wohl drei Leben.”

Barock, Impressionismus und mehr

Bevor er sich Bach widmete, hatte Romboy zusammen mit Kekenj bereits ein anderes Techno-Klassik-Projekt realisiert. Der gewichtige Komponist hierbei: Claude Debussy. Nach Impressionismus und Barock steht als nächstes eine musikalische Reise mit Igor Strawinsky auf dem Plan.

Was würde wohl Bach zu dem elektronischen Ansatz sagen?

Der Geiger Miki Kekenj ist sich sicher, dass sich die komplexen Rhythmen Strawinskys für eine Techno-Neuinterpretation eignen: “Wie machen das so: Wir nehmen eine kleine Sequenz und arrangieren sie für einen Beat, einen Rhythmus”, erklärt er. “Oder wir machen das Gegenteil und nehmen eine Melodie auseinander und verfremden sie. Es gibt so viele Möglichkeiten, wir können so viel anstellen!”

Auch Rombay kann die Arbeit mit Strawinskys Musik kaum erwarten. Als er Strawinskys Feuervogel erwähnt, beginnen die Augen der beiden zu strahlen. Sie haben noch viel vor.

In 80 BPM um die Welt

Wenn sich Marc Romboy nicht gerade mit klassischer Musik beschäftigt, tritt er rund um den Globus in Clubs auf. Am Vorabend des Konzerts in der Kölner Philharmonie hat Romboy im bekannten Berliner Club “Watergate” aufgelegt. Von Argentinien über den Libanon bis nach Südafrika hat er die ganze Bandbreite der elektronischen Musik am eigenen Leib erfahren.

Aber wo auch immer es ihn hin verschlägt, die Leute scheinen überall das Gleiche zu suchen: “Sie wollen friedlich leben, eine Familie haben und ab und zu eine Nacht durchtanzen”, so Romboy. “Das ist überall auf der Welt das Gleiche, und das ist wundervoll.”

Nicht nur Romboy reist um die Welt, auch seine Musik. Einige seiner Tracks haben es weltweit in die Charts geschafft, besonders in den 1990ern und Anfang der 2000er Jahre. Einen solchen Erfolg erhofft er sich auch von seiner Zusammenarbeit mit Miki Kekenj. Dass Techno-Bach die Menschen erreicht – und zwar nur auf dem Dancefloor. 


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Auf dem Thomaskirchhof in Leipzig

    Lange wusste man nicht, wo Johann Sebastian Bach begraben ist. Als man seine Ruhestätte endlich gefunden und verifiziert hatte, nutzte man Maß und Gestalt seines Schädels als Grundlage für das “Neue Bachdenkmal” (1908), das vor dem Seiteneingang der Leipziger Thomaskirche steht.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Annäherungsversuch mittels modernster Technik

    Mithilfe von Computertechnik und neuen forensischen Methoden hat man 2008 für eine Ausstellung im Eisenacher Bachhaus versucht, Bachs Physiognomie zu rekonstruieren. Möglich, dass der Komponist so ausgesehen hat. Gewissheit wird man wohl nie erhalten…


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    In Eisenach geboren

    In Thüringen war der Name “Bach” Synonym für “Musiker”. Die weit verzweigte Familie war überall vertreten, von Erfurt bis nach Weimar, Arnstadt, Ohrdruf und Eisenach, wo Johann Sebastian Bach 1685 geboren wurde. Später listete er 53 Familienmitglieder auf, die größtenteils als Kirchen- oder Hofmusiker tätig waren. Bei Familienfesten wurde – was auch sonst? – musiziert.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Streitbarer junger Mann

    Johann Sebastian war bereits Vollwaise bevor er zehn Jahre alt war. Er lebte und lernte bei seinem 18 Jahre älteren Bruder Johann Christoph in Ohrdruf. Über seine Jugend ist wenig bekannt – außer dass er jede Musik, die er fand, aufsaugte. Überliefert ist, dass er einmal wenig schmeichelhafte Worte für die Spielweise eines anderen Musikers fand. Der Streit eskalierte und es kam fast zum Duell.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Marienkirche Lübeck

    Heute hört man Musik ganz einfach überall – dank Handy und Internet. Doch als der junge Bach seinerzeit eine bestimmte Musik hören wollte, lief er über 330 Kilometer zu Fuß. In der Marienkirche in Lübeck gab es die berühmten Abendmusiken von Dieterich Buxtehude. Sowohl Buxtehude als auch der über 80-jährige Johann Adam Reincken in Hamburg beeinflussten Bachs Orgelkunst.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Hofkapellmeister in Weimar

    Als 23-Jähriger wurde Bach Hofkapellmeister in Weimar und schrieb in den folgenden neun Jahren seine ersten Kantaten-Meisterwerke sowie einen Großteil seiner Orgelstücke. 1717 zeichnete sich dann eine noch bessere Stelle für ihn ab – doch in Weimar wollte man ihn nicht gehen lassen. Als er darauf bestand, musste er wegen seines Ungehorsams eine einmonatige Gefängnisstrafe abbüßen.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Die glücklichste Zeit: Köthen

    Die ersten Jahre als Hofkapellmeister in Köthen waren für Bach die wohl glücklichsten seines Lebens. Dank seiner Freundschaft zum musikliebenden Fürsten Leopold und einem gut ausgestatteten Orchester entstanden hier viele seiner Instrumentalwerke. Als Leopold eine wenig musikaffine Frau heiratete verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen und Bach sah sich nach einer anderen Anstellung um.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Thomasschule

    Heute ist Leipzig stolz auf Bach. Zu Lebzeiten war das nicht unbedingt der Fall: Als Thomaskantor war er die dritte Wahl. Zu seinen Zuständigkeiten gehörte es, jede Woche eine neue Kantate zu komponieren und aufzuführen. Nach einigen Jahren lag Bach jedoch im Dauerclinch mit kirchlichen und städtischen Behörden, sodass er eine Anstellung in Danzig oder Dresden suchte – vergeblich.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Im Familienkreis

    20 Kinder mit zwei Ehefrauen hatte Bach. Nur neun seiner Kinder überlebten ihn, und vier seiner Söhne wurden berühmte Musiker. Er tat alles, um die Tradition der Musikerfamilie Bach fortzuführen. Sie endete aber bereits mit seinen Söhnen: Aus der darauffolgenden Generation sind keine Musiker mehr hervorgegangen.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Geldsorgen

    Als Vater vieler Kinder und Ehemann, der für die Familie aufkommen musste, beklagte sich Bach über die hohen Lebenshaltungskosten in Leipzig. Anstoß nahm er aber auch an der Tatsache, dass durch die gesunde Luft weniger Tote zu verzeichnen waren. Warum? Durch die seltenere musikalische Gestaltung von Beerdigungen gingen Bachs Einnahmen zurück.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Kaffeehaus Zimmermann

    Anstrengende Schulkinder, Streit mit der Obrigkeit, lästige Pflichten, wenig Wertschätzung: Das Leben eines Thomaskantors war hart. Zur Erholung ging Johann Sebastian Bach ins Leipziger Kaffeehaus Zimmermann und musizierte mit Freunden und Studenten des Leipziger Collegium musicum.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Haußmann-Porträt

    Es existiert lediglich ein historisch belegtes Porträt von Johann Sebastian Bach: dieses Gemälde vom Leipziger Maler Elias Gottlob Haußmann aus dem Jahr 1748. Mehr als 60 Jahre lang hing es im Wohnzimmer des US-amerikanischen Musikologen, Historikers und Mäzenen William Scheide in Princeton, New Jersey. 2015 überließ seine Witwe das Bild dem Bacharchiv Leipzig.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Soli Deo Gloria

    Viele seiner Kompositionen unterschrieb Bach mit “S.D.G.” (Soli Deo Gloria): “Gott allein zur Ehre” – auch Werke, die nicht für kirchliche Zwecke gedacht waren. Das lässt auf eine tiefempfundene, persönliche Religiosität schließen. Selbst bei reiner Gebrauchsmusik strebte Bach stets nach absoluter Perfektion – auch das war vielleicht ein Ausdruck seines Glaubens.


  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens

    Kann jeder Bach?

    Zum 334. Geburtstag Johann Sebastian Bachs setzte Google dieses Motiv auf seine Suchmaske. Es lädt zur Interaktivität ein: Im nächsten Schritt kann man eine Melodie “komponieren”. Nach computergesteuerter Analyse von Hunderten von Bach-Kompositionen wird sie dann mit mehrstimmiger Begleitung im Bach-Stil ausgestattet. Ob das Ergebnis so genial wie beim Original ist, darf angezweifelt werden.

    Autorin/Autor: Rick Fulker