Schiffe versenken: Roland Emmerichs neuer Film “Midway”

0
250

Die Schlacht um die Midway-Inseln als bombastischer Kriegsfilm: Roland Emmerich lässt es wieder richtig krachen. “Midway” ist ein digitales Spektakel über einen analogen Krieg.

Roland Emmerich ist einer der kommerziell erfolgreichsten Regisseure der Welt. Doch als deutsches Kino-Aushängeschild in Hollywood würde ihn wohl niemand bezeichnen. Seine Filme gleichen zu sehr anderen großen Blockbuster-Filmen und unterscheiden sich nur in Nuancen von Hollywood-Filmen amerikanischer Regisseure. So auch sein neuestes Epos: “Midway”.

Er habe darauf geachtet, dass auch die Gegner der US-Soldaten in “Midway”, die Japaner, nicht als seelenlose Verlierer aussehen würden, sagte Roland Emmerich in verschiedenen Interviews im Vorfeld der Weltpremiere von “Midway”. Was er damit sagen will, ist klar: Schaut her, ich mache keine martialischen Kriegsfilme mit einem klaren Dualismus von Gut und Böse. Das ist richtig.

“Midway” ist ein digitales Schlachtgemälde zur See fürs Kino

Doch auch das große kommerzielle Hollywood-Kino hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Kriegsfilme wie in den 1950er Jahren mit eindeutig patriotischer Haltung finden sich kaum noch. Emmerich ist da also kein Vorreiter. Sein “Midway”-Spektakel bietet über zwei Stunden Schlachtszenen zur See und in der Luft, mit allen digitalen Tricks, die das Kino von Heute zu bieten hat.

US-Soldaten im Einsatz: kernig, stramm, entschlossen

Und auch Emmerichs Kritik, bei “Pearl Harbor” (2001), einem anderen großen Kriegsfilm aus der jüngeren Vergangenheit, seien Kampfflugzeuge gezeigt worden, die dort gar nicht zum Einsatz kamen, mag zutreffen. Dem sorgfältig arbeitenden Emmerich würde so etwas wohl nicht passieren. Doch das sind Nebensächlichkeiten, die einem großen Publikum kaum auffallen dürften. Die Wirkung eines Kriegsfilms wie “Midway” hängt von solchen Details nicht ab.

Ein “Anti-Kriegsfilm” ist “Midway” nicht

Fakt ist: “Midway” ist ein Kriegsfilm mit viel Action, eine riesige Materialschlacht auf der Leinwand, die Zurschaustellung kerniger Soldatenauftritte und -sprüche. Und dem “richtigen” Sieger am Ende, den USA. Für Zwischentöne bleibt nicht viel Raum. “Midway” ist kein Antikriegsfilm – wenn es denn so etwas überhaupt geben kann.

Roland Emmerich

“Midway” zeigt die historische Schlacht um die pazifischen Midway-Inseln im Juni 1942, die eine entscheidende Wende zugunsten der zuvor unterlegenen Amerikaner im Zweiten Weltkrieg bedeuteten.

Eingeleitet wird der Film mit dem Angriff japanischer Luftstreitkräfte auf die Flottenbasis in Pearl Harbor ein halbes Jahr zuvor – ein US-amerikanisches Trauma. Dann wird der Zuschauer Zeuge des Versuchs der US-Streitkräfte, das Blatt zu wenden. Die Midway-Inseln waren der westlichste Vorposten der Amerikaner im Pazifik. In dem mehrere tausend Kilometer reichenden Kriegsgebiet zur See waren die Inseln nützlich – für beide Seiten, für die United States Navy und für die kaiserlich japanische Marine.

“Midway”: Flugzeuge im Einsatz, sinkende Schiffe, Manöverbesprechungen

Wie die Schlachtvorbereitungen von beiden Seiten durchgeführt werden, wie die Parteien den Gegner taktisch immer wieder hinters Licht zu führen versuchen, und welche Rolle dabei vor allem die Funkaufklärung spielt, das ist durchaus spannend in Szene gesetzt. Und dient doch nur der Vorbereitung der filmischen “Höhepunkte”: den vielen Szenen, in denen sich Flugzeuge in der Luft bekriegen oder versuchen, Schiffe zu versenken.

Feuern, was das Zeug hält….

Um das Versenken von Schiffen geht es in der Hauptsache. Dabei stützt sich Emmerich durchaus auf die historische Ausgangslage: Entscheidend war damals, die Flugzeugträger des Gegners schachmatt zu setzen. Die Ränkespiele der Generäle zeigt der Film ausführlich. Doch all das führt dann vor allem zu den mit Hilfe digitaler Tricktechnik in Szene gesetzten Sequenzen, in denen brennende Schiffe, abstürzende Flugzeuge oder abgeworfene Bomben zu sehen sind. In diesen Szenen, und sie beherrschen den Film, ist “Midway” kaum mehr als ein stinknormaler, actiongeladener Kriegsfilm.

Emmerich prasst nicht mit dem Geld, teuer sind seine Film trotzdem

Roland Emmerich ist ein angenehmer Gesprächspartner, ein kluger Kopf, ein Regisseur, der alle Tricks und technischen Finessen seines Berufs versteht. “Bei mir sieht man das Geld auf der Leinwand”, verriet er zum Filmstart dem Magazin “Der Spiegel” – und das sollte positiv gemeint sein. Hollywoods Verschwendungssucht sei ihm fremd, schreibt “Der Spiegel”. Und auch das ist richtig.

Prolog: Hier wird noch versucht auf die Friedenskarte zu setzen

“Midway” hat rund 100 Millionen Dollar Produktionskosten verschlungen, andere Blockbuster mögen das Doppelte kosten. Doch auch “Midway” sieht in erster Linie aus wie ein auf Hochglanz polierter Actionfilm, hat die visuelle Anmutung eines Computerspiels.

Roland Emmerich: “Der schwäbische Spielberg”

100 Millionen (“Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis”, so der Regisseur) besagen nur, dass der aus dem Schwabenland kommende Filmemacher ein sehr effizienter und “sparsamer” Hollywood-Regisseur ist. Roland Emmerich wird in den USA geschätzt, weil er “billig” produzieren kann: “Ich bin ein Spezialist für große Blockbuster-Produktionen und es gibt, außer vielleicht Steven Spielberg, keinen Regisseur, der einen Film wie ‘Midway’ in 65 Tagen dreht”, sagt Emmerich über sich. Auch das entspricht mutmaßlich der Wahrheit, macht aus “Midway” aber dennoch keinen besseren Film.

Die japanischen Akteure werden zumindest nicht zur Karikatur verbrämt

Interessant hingegen ist eine andere Fußnote der Produktionsgeschichte. Emmerich hat seinen Film mit amerikanischem und chinesischem Geld produziert und in Kanada gedreht. Vor dem Hintergrund des amerikanisch-chinesischen Handelsstreites durchaus eine erwähnenswerte Notiz. Zum einen, weil große Blockbuster-Filme inzwischen auf den chinesischen Kino-Markt angewiesen sind. Viele große Hollywood-Filme laufen in China in den Kinos. Bei “Midway” könnte noch etwas anders hinzukommen. Schließlich hat Japan im Zweiten Weltkrieg China drangsaliert, ein Film, in dem Japan am Ende eine große, vernichtende Niederlage hinnehmen muss, dürfte in China gut ankommen.  

Vor 20 Jahren war “Midway” bei Sony nicht möglich

Emmerich hatte schon vor 20 Jahren die Idee, “Midway” zu drehen. Sein damaliges Produktionsstudio, der japanische Sony-Konzern, blockte indes ab. Sony habe sich nicht besonders für ein Projekt interessiert, im dem eine Niederlage der Japaner im Zweiten Weltkrieg im Mittelpunkt gestanden hätte, verriet Emmerich der “Stuttgarter Zeitung”. Deshalb sei nur wenig Budget bereitgestellt worden.

Japan sei dann im Vorfeld der “Midway”-Produktion auch die einzige wichtige Kino-Nation gewesen, die beim Kampf um die Verwertungsrechte nicht mitgeboten habe, sagt Emmerich. Eine große Produktion, bei der es um eine japanische Kriegsniederlage geht, das wollte man offensichtlich nicht.  

Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, hätten die Japaner dann zugeschlagen, als der Film fertig war und den Verleihern vorgeführt wurde, so Emmerich. “Midway” wurde also dann doch für den japanischen Markt gekauft. Die japanischen Generäle werden im Film größtenteils voller Stolz und Ehre dargestellt – das erschien den japanischen Filmverleihern akzeptabel. 

Theorie und Praxis: Ein Film gegen Nationalismus und Faschismus ist “Midway” kaum

Gerade jetzt, betont der 63-jährige deutsche Regisseur, der inzwischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft hat, sei es richtig, einen solchen Film zu drehen: “Midway” erzähle “von jungen Soldaten, die ihr Leben auf Spiel setzten, um Freiheit und Demokratie gegen Faschismuszu  verteidigen.

Das klingt gut, und man darf Emmerich glauben, dass er die gute Botschaft tatsächlich verbreiten will. Sein neues Werk “Midway” allerdings gleicht dann doch eher einem handelsüblichen Epos über den Krieg in analogen Zeit – in Szene gesetzt mit den Mitteln des digitalen Kinos.