Madrid: COP25-Vorbereitung in Rekordzeit

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Chile warf das Handtuch, Spanien springt ein: Madrid bleibt nur wenige Wochen Zeit, die UN-Klimakonferenz vorzubereiten. Kann die spanische Hauptstadt das überhaupt schaffen? Rainer Wandler hat sich umgesehen.

Die spanische Hauptstadt übernimmt kurzfristig die Aufgaben von Santiago de Chile. Angesichts wochenlanger Sozialproteste und brutaler Polizeieinsätzegab das lateinamerikanische Land jüngst die UN-Klimakonferenz ab. Madrid wird nun kurzfristig den COP25 vom 2. bis zum 13. Dezember ausrichten.

Das ist kein leichtes Unterfangen. Aber das Programm für den offizielle Teil steht ebenso, wie die Liste der eingeladenen Organisationen und Verbände. All das hat Chile bereits gemacht.

Und so ist Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida optimistisch. “Madrid ist in der Lage in einer Rekordzeit mit dem zehn Tage dauernden Weltklimagipfel im Zentrum der Welt zu stehen. Die Infrastruktur der Stadt Madrid hat schon andere internationale Großveranstaltungen bewältigt”, erklärt der konservative Politiker, der seit Juli die Geschicke der Stadt lenkt. Er verweist auf das Finale der Champions League im vergangenen Frühjahr oder auf den alljährlichen Orgullo Gay, den spanischen Tag der LGBT-Bewegung.

Hat keinen Zweifel daran, dass Madrid den Umweltgipfel stemmen kann: Bürgermeister Jose Luis Martinez-Almeida

Last Minute erprobt

Vor genau einem Jahr sprang Madrid schon einmal in letzter Minute bei einem Großevent ein. Das Finale des amerikanischen Fußballpokals Libertadores wurde vom Verband aus Sicherheitsgründen vom argentinischen Buenos Aires in die spanische Hauptstadt verlegt. Madrid zeigte sich dem Ansturm zehntausender Fans gewachsen.

Für den COP25, auf dem die 2015 in Paris beschlossene internationale Klimapolitik in konkrete Maßnahmen gegossen werden soll, werden bis zu 30.000 Besucher erwartet. Die Stadt zählt knapp 90.000 Hotelbetten. Hinzu kommen über Zehntausend Ferienwohnungen und rund 6.000 private Ferienzimmer. Mit einem weit verzweigten Zug-, U-Bahn- und Busnetz sowie über 16.000 Taxen und mehreren Tausend Fahrzeugen von Anbietern wie Uber ist auch für Mobilität gesorgt.

Veranstaltungserprobt: Das Messegelände von Madrid gehört zu den wichtigsten Europas

Doch das wichtigste: Das Kongress- und Messegelände IFEMA hat Kapazitäten frei. Auf 80.000 Quadratmetern wurden von internationalen Fachkonferenzen bis hin zu politischen und wirtschaftlichen Gipfeltreffen etliche Großveranstaltungen ausgerichtet, darunter NATO-Gipfel oder das Treffen für den Wiederaufbau des Iraks. In einem der zwei großen Pavillons sollen sich die Staatschefs und Politiker nun beim COP25 für ihre Verhandlungen treffen. Der andere Pavillon soll Nichtregierungsorganisationen und Umweltverbände aufnehmen.

Imagegewinn für Madrid
 

Die größte Herausforderung wird wohl die Sicherheit sein. Für ein Gipfeltreffen müssen tausende Polizisten abgestellt werden. Das wird nicht leicht. Denn auch Spanien hat dieser Tage mit den Unabhängigkeitsprotesten in Katalonien seinen sozialen Konflikt. Das Innenministerium wird nicht darum herumkommen, Polizeikräfte, die in die nordostspanische Region geschickt wurden, kurzfristig nach Madrid zurückzuverlegen.

“Wir haben Erfahrung. Wir haben die Kapazitäten. Und vor allem haben wir die nötige Begeisterung dafür, im Zentrum der Welt zu stehen, wenn über eine der wichtigsten Fragen in Sachen Zukunft der Menschheit debattiert wird,über Klima und nachhaltige Umweltpolitik”, resümiert Bürgermeister Almeida gelassen.

Tausende strömen jedes Jahr in Madrid zur Gay Pride Parade zusammen

“Für Madrid wird die Austragung des Gipfels ein positives wirtschaftliches Resultat bringen. Wir reden von 25.000 Personen, die in unsere Stadt kommen und hervorragend bedient werden. Sie werden konsumieren und sie werden großartige Multiplikatoren sein, die dafür werben, nach Madrid und Spanien zu kommen”, erklärt Ángel Asensio, Präsident der Industrie- und Handelskammer in der Region Madrid. Schätzungen darüber, wie viel Umsatz der Gipfel in die Kassen der lokalen Wirtschaft schwemmen könnte, gibt es noch keine. Aber der Betrag dürfte im mittleren zweistelligen Millionenbereich liegen.

Wenig Interesse bei Madrilenen

So mancher dürfte sich bereits die Hände reiben. Bei Großveranstaltungen steigen die Hoteltarife, so etwa beim Endspiel der Champions League im Mai dieses Jahres. Damals stiegen die Preise um bis zu 2.000 Prozent. Einige Reiseveranstalter buchten alles, was sie auf die Schnelle finden konnten und boten die Zimmer dann zu völlig überhöhten Preisen an.

In den Innenstadtbezirken ist das Thema COP25 bei der Bevölkerung kein besonderes Thema. Hier leiden die Menschen auch ohne Großevents unter dem Tourismus. Immer mehr Altstadtwohnblocks werden aufgekauft, um sie anschließend – sobald die Mieter herausgeklagt sind – in Ferienappartments aufzuteilen und zu vermieten. Bis zu 500 Euro pro Nacht zahlen die Touristen für Wohnungen die zuvor für 800 Euro im Monat vermietet wurden.

Madrid ächzt unter den Touristenströmen

“Die Weltöffentlichkeit wird auf uns schauen. Nicht, weil viele Leute kommen und weil die Unternehmer mehr oder weniger zufrieden sind. Sie wird auf das Engagement der Stadt schauen, darauf, ob die Stadt im Kampf gegen den Klimawandel und die Luftverschmutzung einen Schritt zurück macht oder vorwärts schreitet”, mahnt die Umweltsprecherin der Opposition im Stadtrat, Inés Sabanés, und hat dabei vor allem die Verkehrspolitik der Hauptstadt im Blick.

Umweltzonen werden aufgeweicht

Sabanés gehört zu Más Madrid. Die linksalternativ-grüne Liste regierte bis Juli die spanische Hauptstadt. Zwar gewann die damalige Bürgermeisterin Manuale Carmena mit Más Madrid erneut die Wahlen. Doch stellt Almeidas konservativer Partido Popular gemeinsam mit den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen VOX die Mehrheit im neuen Stadtrat.

Sabanés führte als Umweltverantwortliche unter Ex-Bürgermeisterin Carmena 2018 starke Verkehrsbeschränkungen in der Innenstadt ein. Die 472 Hektar große verkehrsberuhigte Zone mit dem Namen Madrid Central entwickelte sich in nur wenigen Monaten zur effektivste Umweltzone in ganz Europa. Die Stickoxidbelastung der Luft ging um 32 Prozent zurück. Almeida, der im Wahlkampf gegen Madrid Central Stimmung machte und damit vor allem in den Randbereichen der Stadt Erfolg hatte, nimmt jetzt einen Teil der Verkehrsbeschränkungen zurück und lässt dieser Tage sogar Fahrradspuren wieder für den PKW-Verkehr öffnen.