Die Liebe der Deutschen zu Vincent van Gogh

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Er schnitt sich ein Ohr ab. Aber war er wirklich ein verkanntes Genie am Rande des Wahnsinns? Den Mythos rückt jetzt die größte Vincent- van-Gogh-Schau der letzten Jahre zurecht – im Frankfurter Städel Museum.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Segelboote am Strand von Les Sainte-Maries-de-la-Mer, 1888

    Ein Panorama aus Fischerbooten, deren Reihe sich wie zufällig in der Ferne verliert. So entsteht eine perfekte Bilddiagonale. Nicht erst in seinen letzten zehn Schaffensjahren wählte van Gogh gefällige Motive und schielte so auf die Verkäuflichkeit seiner Werke. Der Erfolg des niederländischen Malers setzte allerdings erst nach seinem frühen (Frei-)Tod ein.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Weiden bei Sonnenuntergang, 1888

    Vincent van Gogh malte – wie hier – viele Bilder, auf denen die Sonne als lodernder Fixstern am Horizont steht. Das war neu, denn bis dahin hatten viele Maler das Sonnenlicht nur indirekt wiedergegeben. Ganz anders van Gogh: Er verstand die Sonne als ein lebensspendendes Symbol der Hoffnung. Auf die deutschen Expressionisten, etwa Erich Heckel oder Max Pechstein, machte das mächtig Eindruck.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Otto Dix: Sonnenaufgang, 1913

    Auch Otto Dix (1891-1969) rückte die Sonne in den Mittelpunkt eines Gemäldes, wie dieser “Sonnenaufgang” über einem schneebedeckten Feld von 1913 zeigt – ein Frühwerk des Deutschen. In der Ausstellung im Frankfurter Städel hängt es als Beleg für van Goghs Wirkung als “Maler der Sonne”.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Selbstporträt, 1887

    Aus Mangel an Modellen porträtierte sich der Künstler häufig selbst, hier in einer wechselnden Malweise aus tupfendem und gestrichelten Pinselbewegungen. Auch mit seinen Porträts inspirierte der Niederländer viele andere Künstler. Ihnen gefiel van Goghs Image als unverstandener, leidender Künstler, der sich für seine Malerei aufopfert. Der Künstler als tragischer Held.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Peter August Böckstiegel: Selbstbildnis 1913

    Der Künstler streckt den Hals und recht das Kinn. Im Jahr 1913 malte der Westfale und spätere Wahl-Dresdner Peter August Böckstiegel (1889-1951) dieses Selbstbildnis in expressionistischer Manier, doch offenkundig inspiriert von seinem Vorbild Vincent van Gogh. Auch Böckstiegel huldigte dem Mythos vom leidenden Künstler.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Augustine Roulin, 1889

    Das einfache Leben auf dem Land und die mühevolle Arbeit der Bauern – diese Welt faszinierte van Gogh. Aus ihr schöpfte er viele seiner Motive, darunter das von Augustine Roulin, der Frau seines Briefträgers im südfranzösischen Arles. In Südfrankreich wollte er eine Künstlerkolonie gründen, doch sein Plan scheiterte.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Paula Modersohn-Becker: Armenhäuslerin mit Glaskugel und Mohnblumen, 1907

    Van Goghs Bauernmotive hinterließen Eindruck bei zahlreichen Malern. So ließ sich Paula Modersohn-Becker (1876-1907) erkennbar von van Goghs “Augustine Roulin” inspirieren. Allerdings übersetzte die deutsche Expressionistin sein Motiv in ihre eigene Formensprache. Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Bauernhaus in der Provence, 1888

    Vincent van Gogh war auf der Suche nach der idealen Malweise, auch das zeigt die Ausstellung im Frankfurter Städel. Dabei streifte er eine ganze Bandbreite an Stilen. Ihm war wichtig, ob seine Malerei flächig und formgebunden oder lebhaft strukturiert und dynamisch sein sollte. Deutschland entwickelte eine frühe Liebe zu dem Niederländer, die bis heute anhält.

    Autorin/Autor: Stefan Dege


  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Segelboote am Strand von Les Sainte-Maries-de-la-Mer, 1888

    Ein Panorama aus Fischerbooten, deren Reihe sich wie zufällig in der Ferne verliert. So entsteht eine perfekte Bilddiagonale. Nicht erst in seinen letzten zehn Schaffensjahren wählte van Gogh gefällige Motive und schielte so auf die Verkäuflichkeit seiner Werke. Der Erfolg des niederländischen Malers setzte allerdings erst nach seinem frühen (Frei-)Tod ein.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Weiden bei Sonnenuntergang, 1888

    Vincent van Gogh malte – wie hier – viele Bilder, auf denen die Sonne als lodernder Fixstern am Horizont steht. Das war neu, denn bis dahin hatten viele Maler das Sonnenlicht nur indirekt wiedergegeben. Ganz anders van Gogh: Er verstand die Sonne als ein lebensspendendes Symbol der Hoffnung. Auf die deutschen Expressionisten, etwa Erich Heckel oder Max Pechstein, machte das mächtig Eindruck.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Otto Dix: Sonnenaufgang, 1913

    Auch Otto Dix (1891-1969) rückte die Sonne in den Mittelpunkt eines Gemäldes, wie dieser “Sonnenaufgang” über einem schneebedeckten Feld von 1913 zeigt – ein Frühwerk des Deutschen. In der Ausstellung im Frankfurter Städel hängt es als Beleg für van Goghs Wirkung als “Maler der Sonne”.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Selbstporträt, 1887

    Aus Mangel an Modellen porträtierte sich der Künstler häufig selbst, hier in einer wechselnden Malweise aus tupfendem und gestrichelten Pinselbewegungen. Auch mit seinen Porträts inspirierte der Niederländer viele andere Künstler. Ihnen gefiel van Goghs Image als unverstandener, leidender Künstler, der sich für seine Malerei aufopfert. Der Künstler als tragischer Held.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Peter August Böckstiegel: Selbstbildnis 1913

    Der Künstler streckt den Hals und recht das Kinn. Im Jahr 1913 malte der Westfale und spätere Wahl-Dresdner Peter August Böckstiegel (1889-1951) dieses Selbstbildnis in expressionistischer Manier, doch offenkundig inspiriert von seinem Vorbild Vincent van Gogh. Auch Böckstiegel huldigte dem Mythos vom leidenden Künstler.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Augustine Roulin, 1889

    Das einfache Leben auf dem Land und die mühevolle Arbeit der Bauern – diese Welt faszinierte van Gogh. Aus ihr schöpfte er viele seiner Motive, darunter das von Augustine Roulin, der Frau seines Briefträgers im südfranzösischen Arles. In Südfrankreich wollte er eine Künstlerkolonie gründen, doch sein Plan scheiterte.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Paula Modersohn-Becker: Armenhäuslerin mit Glaskugel und Mohnblumen, 1907

    Van Goghs Bauernmotive hinterließen Eindruck bei zahlreichen Malern. So ließ sich Paula Modersohn-Becker (1876-1907) erkennbar von van Goghs “Augustine Roulin” inspirieren. Allerdings übersetzte die deutsche Expressionistin sein Motiv in ihre eigene Formensprache. Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen.

  • “Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe”

    Vincent van Gogh: Bauernhaus in der Provence, 1888

    Vincent van Gogh war auf der Suche nach der idealen Malweise, auch das zeigt die Ausstellung im Frankfurter Städel. Dabei streifte er eine ganze Bandbreite an Stilen. Ihm war wichtig, ob seine Malerei flächig und formgebunden oder lebhaft strukturiert und dynamisch sein sollte. Deutschland entwickelte eine frühe Liebe zu dem Niederländer, die bis heute anhält.

    Autorin/Autor: Stefan Dege


Der Mythos van Gogh verkaufte sich zu allen Zeiten gut. Das gilt besonders für Deutschland, wo der menschenscheue Niederländer (1853-1890) mit der farbverliebten, rhythmischen, pastosen Malweise, mit seinen kühnen Kompositionen und Motiven einer ganzen Künstlergeneration den Kopf verdrehte – eingeschlossen die Maler der Brücke und des Blauen Reiters. Doch begann die Erfolgsgeschichte des Autodidakten van Gogh, der zu Lebzeiten kaum ein Bild verkaufte, nicht erst mit dem Freitod des 37-Jährigen. Man kann sie auch als geschickte Marketingstrategie lesen. Das Städel Museum in Frankfurt jedenfalls illustriert diese – nicht ganz neue – These mit einer opulenten Bilderschau. Der Titel: “Making van Gogh – Geschichte einer Liebe”. Zu sehen ist sie vom 23. Oktober bis zum 16. Februar 2020.

Gut 120 Gemälde und Zeichnungen hängen an den Wänden, davon 50 Werke van Goghs aus allen Schaffensphasen. Flankiert werden sie von Arbeiten seiner Bewunderer, Nachahmer, Fälscher und Kritiker – darunter Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky, Gabriele Münter und Paula Modersohn-Becker, aber auch von heute wiederentdeckten Künstlern wie Peter August Böckstiegel, Elsa Tischner-von Durant oder Heinrich Nauen.

Selbstporträt Vincent van Goghs von 1887

Herausgekommen ist eine Schau der Superlative und ein Publikumsmagnet in spe. Von der “aufwendigsten Städel-Schau aller Zeiten” schwärmt denn auch Direktor Philipp Demandt. Einen “mittleren einstelligen Millionenbetrag”, verrät er, hätten Freunde und Sponsoren des Museums dafür aufgebracht. 

Ungebremster Siegeszug in Deutschland

Mythos, Wirkung, Malweise – in drei Kapiteln fächern die Kuratoren Alexander Elling und Felix Krämer ihre Rechercheergebnisse auf. “Van Gogh hat zuerst Deutschland erobert”, erläutert Ideengeber Krämer, vor Jahren noch Schirn-Kurator in Frankfurt und heute Direktor des Kunstpalastes Düsseldorf. Erste Architektin dieses Erfolgs war die gut vernetzte Schwägerin des Malers, Johanna van Gogh-Bonger (1862-1925). Sie warb gezielt für das Bildererbe van Goghs, knüpfte grenzübergreifend Kontakte zu Galeristen und Museumsleuten und verschaffte ihrem Schwager posthum Aufmerksamkeit. Vor allem in Deutschland fiel ihr Werben auf fruchtbaren Boden: “Grund war die lähmende Situation der Kunst im Kaiserreich”, erläutert Krämer mit Blick auf die dominierende Historien-, Landschafts- und Porträtmalerei jener Zeit, “da stand die expressive Malerei van Goghs im Kontrast zum aktuellen Kunstschaffen.” Die Rolle von Galeristen, etwa von Paul Cassierer in Berlin, die Kunstkäufe von Privatsammlern, die Arbeit von Kunstkritikern – all das legt die Städel-Schau nun mit akribisch recherchierten Belegen dar.

Mit diesem Revolver soll der Maler van Gogh sein Leben 37-jährig beendet haben

Van Gogh als Leidensapostel zwischen Wahnsinn und Genie – dieses Image verdankt der Maler mit dem abgeschnittenen Ohr dem einflussreichen deutschen Kunstkritiker Julius Meier-Graefe und seinem Roman “Vincent” (1921). Man könnte sagen, der Ruf van Gogh als “Vater der Moderne” entstand nicht zufällig. Viele hatten ein Interesse und nicht wenige verdienten daran.

“Gestrichelte Absonderlichkeiten”

So waren van Goghs Werke bis zum ersten Weltkrieg in fast 120 Ausstellungen in Deutschland vertreten. Van Goghs Präsenz in der legendären Kölner Sonderbund-Ausstellung von 1912, wo neue und althergebrache Kunstströmungen wie rasende Züge aufeinander prallten, festigte seinen Ruf als Vorreiter der Moderne. Sammler kauften Werke des Niederländers, allen voran der Hagener Industrielle Karl Ernst Osthaus. Öffentliche Museen folgten. Und selbst Künstlerproteste – wie in Bremen gegen den Einzug der Moderne in deutsche Museumssammlungen – konnten van Goghs Siegeszug in Deutschland nicht aufhalten.

Skizze zum Hauptwerk van Goghs “Bildnis des Dr. Gachet”, das die Nazis im Städel beschlagnahmten.

Während seine “gestrichtelten Absonderlichkeiten” anfangs noch so manchen Kritiker erzürnten, versetzten sie andere immer mehr in Euphorie. Heute ist Vincent van Gogh ein Weltstar. Doch ohne die deutsche Kunstgeschichte wäre das nicht möglich. “Und”, so Städel-Direktor Demandt, “ohne van Gogh wäre die Geschichte der Moderne in Deutschland vollkommen anders verlaufen.” 

Dass auch van Gogh unter den Nationalsozialisten als “entartet” eingestuft wurde, bekam übrigens auch das Städel Museum schmerzhaft zu spüren: Van Goghs “Das Bildnis des Doktor Gachet”, 1911 erworben und heute eines seiner Hauptwerke, wurde beschlagnahmt. An das düstere Kapitel deutscher Kunstgeschichte erinnert jetzt in der Ausstellung ein leerer Bilderrahmen. Wer mag, kann darin ein Selfie machen. Van Goghs Ruhm mehrt es allemal.