Zwischen Spielplatz und Stacheldraht – eine Reise in die Demilitarisierte Zone Koreas

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Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea gilt als unüberwindlich. Einen Teil der Demilitarisierten Zone (DMZ) kann man besichtigen. DW-Reporter Kai Dambach war auf den Spuren der Teilung unterwegs.

Die Koreanische Halbinsel ist seit dem Ende des Koreakriegs 1953 zweigeteilt; als Puffer zwischen Nord- und Südkorea dient die sogenannte Demilitarisierte Zone (DMZ). Ein knapp 250 Kilometer langer Korridor mit Stacheldraht, Minen und Geschützen, die sich auf jeden richten, der in die Nähe kommt. Ausgangspunkt meiner Reise in die DMZ ist Seoul, das nur eine Autostunde von der Grenze entfernt liegt. Die Hauptstadt Südkoreas ist eine selbstbewusste, weltoffene Metropole. Seit dem Ende der Militärdiktatur 1979 hat Seoul sich rasch entwickelt, war Austragungsort von Olympischen Sommerspielen und Weltmeisterschaften. Globale Unternehmen wie LG oder Hyundai haben hier ihren Sitz. Alles in direkter Nachbarschaft von Nordkorea.

Ein wenig erinnert mich Südkorea an West-Berlins Insellage im Kalten Krieg. Obwohl das asiatische Land nicht vom kommunistischen Nachbarn umzingelt ist, liegt es doch isoliert, da es nur mit dem Flugzeug oder mit dem Schiff erreichbar ist. Außerdem gibt es immer noch keinen Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea.

Südkorea: Ein Touristenzug kommt pro Tag am letzten Bahnhof vor der DMZ an

Reise ohne Gewähr

Wer eine geführte Tour in den für Besucher zugänglichen Abschnitt des Grenzgebiets unternehmen will, findet bei mehreren Veranstaltern Angebote. Alles ist auch eine Frage des Geldes. Für 30 Euro gibt es einen Blick auf die Grenzanlagen. Für 75 Euro darf man den Weg abschreiten, auf dem die politischen Führer beider Länder unterwegs waren, als sie gemeinsam die DMZ aufsuchten. Bei unvorhersehbaren Ereignissen, bei erhöhten politischen Spannungen oder Scharmützeln zwischen Grenzsoldaten wird die Tour abgesagt. Ohne Rückerstattung.

Ich entscheide mich für ein Angebot, bei dem wir auch mit einem Überläufer aus Nordkorea sprechen können. Vor einem edlen Hotel in der Innenstadt steigen wir in den Bus, ein letzter Blick auf den Luxus und Wohlstand Seouls. Nur wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze, eine ganz andere Szenerie. Stacheldraht säumt die Straße. Das solle eine mögliche Invasion Nordkoreas verhindern, erzählt der Reiseleiter. Wahrscheinlich haben sich die Menschen hier an den Anblick dieser Verteidigungsanlagen gewöhnt. Bei uns löst er eine leicht bedrückte Stimmung aus, die unser Reiseleiter mit Witzen über Süd- und Nordkorea kontert.

Reiseanbieter in Seoul bringen Besucher gerne in die DMZ

Kurz vor dem Kontrollpunkt zur DMZ halten wir an einem Besucherzentrum an. Es scheint, als ob nahezu jeder Reisebus mit Grenztouristen hier Halt macht, ein vielstimmiger Chor von unterschiedlichen Sprachen ist zu hören. Neben dem überfüllten Parkplatz gibt es koreanisches und amerikanisches Fastfood und einen kleinen Spielplatz. Unser Reiseleiter sagt, hier spielen Kinder, während Erwachsene im Krieg sind.

Es wird ernst

Jetzt trennt uns nur noch ein Militärkontrollpunkt von der DMZ. Leichte Nervosität macht sich breit. Penibel kontrollieren Soldaten unsere Pässe. Beim Durchzählen fehlt einer. Also alle wieder zurück, nochmal durchzählen und nochmal durch die Kontrolle. Kein Pardon, obwohl wir offensichtlich Touristen sind.

Wir kommen Nordkorea immer näher. Als wir die einzige sichere Straße entlangfahren, ein aktives Minenfeld auf einem steilen Hügel direkt daneben, versucht unser Reiseleiter uns mit Humor zu beruhigen. Er hat die Reise offenbar schon mehrfach unternommen, ohne in die Luft geflogen zu sein.

Auf einem Hügel gibt es eine Aussichtsplattform, von der aus man den Nachbarn im Norden sehen kann. Sehen könnte. An diesem trüben Tag ist die Sicht so schlecht, dass wir gerade mal den riesigen Fahnenmast des nordkoreanischen Phantomdorfs Kijong-dong erkennen können. 

Jenseits des Dunstes liegt die Dorfattrappe Kijong-dong in Nordkorea

Weiter geht es zum “Dritten Tunnel”. Er ist einer von insgesamt vier nordkoreanischen Tunnelanlagen, die Südkorea seit 1974 entdeckt hat. Pjöngjang behauptet, dass die Tunnel gebaut wurden, um Kohle zu fördern. Die südkoreanische Seite vermutet, dass die Tunnel bei einer möglichen Invasion von Nordkorea genutzt werden sollten.

Auf dem Weg zur letzten Station unserer Tour setzen wir Helme auf; wir nähern uns bis zu 200 Meter der Grenze zu Nordkorea. Strengstes Militärgebiet, Kameras oder Telefone zu benutzen ist verboten. Dabei könnten wir von hier aus tatsächlich nach Nordkorea laufen, nur paar Hindernisse und ein Stacheldrahtzaun trennen uns vom Nachbarn im Norden. Lieber nicht. 

Eine Überläuferin erzählt

Stacheldrahtzäune sind ein ständiger Begleiter auf der Tour

Während sich die internationalen Gäste in unserer Gruppe bis zum Schluss neugierig und beeindruckt zeigen, scheint eine junge Koreanerin völlig uninteressiert zu sein. Die meiste Zeit sitzt sie still und teilnahmslos über ihr Handy gebeugt. Als wolle sie jedes Vorurteil über junge Koreaner bestätigen.

Auf der Rückfahrt erfahren wir, dass sie die Überläuferin aus Nordkorea ist, die wir auf der Tour treffen sollen. Etwas schüchtern erzählt sie uns die Geschichte ihrer Flucht. Aufgewachsen an der Grenze zu China, habe sie es über eine gefährliche Route durch China und Vietnam bis nach Südkorea geschafft, übersetzt der Reiseleiter. Sie halte den Kontakt zu ihren Verwandten in Nordkorea und schicke ihnen regelmäßig Geld.

Ich frage sie, wie sie sich auf diesen Touristentouren fühle, in direkter Nähe zu Nordkorea. Am Anfang sei sie voller Angst  gewesen, wenn sich der Bus der Grenze genähert habe, erzählt sie. Mittlerweile fühle sie sich sicher und wisse, dass niemand sie wegbringen könne, wenn sie auf solchen Fahrten in die DMZ ihre Geschichte erzähle.

Fotos mit Cartoon-Versionen von koreanischen Soldaten sind auf beiden Seiten der Grenze kostenlos

Zurück in Seoul

Am Anfang unserer Tour in die DMZ hatte unser Guide gesagt, wir sollten uns auf der Reise “wie zu Hause” zu fühlen. Das fällt mir in Seoul auch ziemlich leicht. Trotz geheimer Militärtunnel, trotz Raketen, die auf die Stadt gerichtet sind. Es scheint möglich zu sein, das alles zu vergessen. Die meisten Menschen in Seoul ignorieren ihre Nachbarn im Norden nicht, aber sie kümmern sich lieber um sich selbst. Während die Berliner Mauer keine 30 Jahre stand, leben die Menschen mit der Demilitarisierten Zone nun schon seit über 65 Jahren. Der Kalte Krieg dauert hier an.