Sierens China: Einigung mit Fragezeichen

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Die Einigung im Handelsstreit ist nicht mehr als eine Absichtserklärung. Trump feiert dennoch jeden kleinen Schritt als durchschlagenden Erfolg. Denn Zuhause schwimmen ihm die Felle davon, meint Frank Sieren.

Während Donald Trump über die Ergebnisse der Handelsgespräche mit China in Superlativen schwelgte, senkte der IWF am Dienstag seine globale Wachstumsvorhersage für 2019 auf nunmehr drei Prozent – so niedrig wie zuletzt während der Finanzkrise 2008/2009. Beim IWF lässt man sich von Trumps Selbstlob nicht einwickeln. Der amerikanische Präsident nennt die 13. amerikanisch-chinesische Handelsgesprächsrunde den “größten und großartigsten Deal der Geschichte für unsere großartigen patriotischen Farmer.” „Danke China!” Peking ist zurückhaltender. Dort spricht man von „konstruktiven Gesprächen” und „substanziellen Fortschritten”. Und selbst Trump ist klar, dass da noch mehr kommen muss. Er nennt die Einigung die „Phase 1″.

Es ist tatsächlich eine Einigung, die nur vorläufig genannt werden kann. Demnach wird Washington zunächst auf die geplante Erhöhung der Strafzölle von 25 auf 30 Prozent im Volumen von 250 Milliarden Dollar verzichten und China im Gegenzug US-Agrarprodukte im Wert von 40 bis 50 Milliarden Dollar einkaufen. Trump mutmaßt auf Twitter bereits selbstgewiss, ob „die amerikanischen Farmer überhaupt so viel produzieren können, wie die Chinesen abnehmen wollen”. Die Überbetonung der amerikanischen Bauern zeigt klar, wo Trump derzeit der Schuh drückt: Seine Wähler in der Landwirtschaft werden unzufrieden. Dabei hatte Trump ebenso wie sein Handelsbeauftragter Robert Lighthizer noch vor den Gesprächen betont, dass eine Teileinigung nicht in ihrem Sinne sei. Sie wollten ein umfassendes Abkommen. Aber “umfassend” geht eben nicht so schnell.

“Phase eins” noch nicht abgeschlossen

Bei Themen wie dem Schutz des geistigen Eigentums, dem Marktzugang für US-Finanzdienstleister in China und den vermeintlichen chinesischen Währungs-Manipulationen sei man ebenfalls weiter gekommen, so Trump. Details und konkrete Zusagen konnte er allerdings nicht vorweisen. Auch bei heikleren Streitpunkten gab es offenbar keine substantiellen Fortschritte, etwa was die von den USA angeprangerte, finanzielle Unterstützung für chinesische Staatsfirmen angeht. Peking will sich natürlich nicht von Trump vorschreiben lassen, wie es seine Industrie unterstützt, zumal es dabei auch wie zum Beispiel in der Flugzeugindustrie um Hightech-Themen geht, die China erst international wettbewerbsfähig machen.

Solange nichts unterschrieben ist, ist ohnehin alles offen. Das soll erst Mitte November am Rande des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgipfels der APEC in Chile geschehen. Peking erklärte bereits, man müsse noch weitere Gespräche führen, bevor Trumps sogenannte “Phase eins” abgeschlossen werden könne.

Handelsbilanzdefizit nicht in Sicht

Die Börsen starteten zwar mit einem Plus in die neue Handelswoche. Für Unternehmen sind die Absichtserklärungen jedoch zu wenig, um aufzuatmen und wieder zu investieren. Weiterhin bremst der Handelskrieg die Weltkonjunktur. Nicht nur in China, sondern auch in Europa. Ab kommenden Freitag will Trump Strafzölle auf EU-Importe verhängen. China jedoch trifft es härter. Im September sind Chinas Exporte in die USA durch die bestehenden Zölle im Vergleich zum Vorjahr um 21,9 Prozent eingebrochen. Die Importe gingen um 15,2 Prozent zurück. Die weltweiten Exporte Chinas sind im Vergleich zum September 2018 allerdings nur um 3,2 Prozent auf 218,1 Milliarden Dollar gesunken, die Importe um 8,5 Prozent auf 178,5 Milliarden. Beide Werte sind noch nicht dramatisch. Wichtig dabei ist: China kauft immer noch weniger ein, als es verkauft. Ein Handelsbilanzdefizit ist nicht in Sicht. Allerdings sinkt die Wachstumsrate Chinas 2019 auf 6,1 Prozent, von 6,6 Prozent im Jahr 2018.

DW-Kolumnist Frank Sieren

Mittlerweile ist die Wirtschaft jedoch stark genug, insbesondere die Binnenwirtschaft, auf die Peking sein Wachstum mehr und mehr stellt. Ministerpräsident Li Keqiang erklärte am Montag, er werde antizyklische Instrumente einsetzen, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Die Industriemodernisierung mag durch den Konflikt mit den USA nun länger dauern und teurer werden, aufhalten lässt sie sich nicht mehr. Im Gegenteil:  Der Handelskonflikt hat Peking klar gemacht, dass China noch schneller aufholen und sich unabhängig von den USA machen muss.

Trump muss für die nächste Wahl liefern

Dass Trump die während der letzten Handelsgespräche geernteten “tiefhängenden Früchte” überschwänglich feiert, wundert nicht. Er muss für die Wahl 2020 liefern. Der IWF prophezeit, dass sich das US-Wirtschaftswachstum nach einer robusten Periode im Wahljahr 2020 auf 2,1 Prozent verringern wird.  Xi kann es sich also eher leisten auf Zeit zu spielen als Trump.

Eins ist jedoch klar: Egal ob Trump abgewählt wird oder noch vor der Wahl einen umfassenden Deal bekommt – die beiden größten Volkswirtschaften der Welt werden sich weiter voneinander entkoppeln. Das Misstrauen gegenüber China ist parteiübergreifend bei Republikanern und Demokraten fast gleichermaßen verankert. Denn China ist der größte Herausforderer der USA.

Exportkontrollen, Strafmaßnahmen und die Beschränkung chinesischer Investitionen werden Instrumente im Umgang mit Peking bleiben. Bei der Technologie zeigt sich das schon jetzt deutlich. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Huawei nun erlaubt wurde, sich am 5G-Netzausbau zu beteiligen, lässt Washington das nicht zu. Auch weltweit führende KI-Unternehmen wie SenseTime und Megvii wurden kürzlich mit Verweis auf die Überwachung in der muslimischen Westprovinz Xinjiang auf eine schwarze Liste gesetzt. Und Washington drängt heimische Tech-Unternehmen, ihre Standorte aus China in andere Länder zu verlegen, etwa nach Vietnam oder Indien. Das schadet jedoch den USA mehr als China. Der 5G-Standard ist in diesem Preis-Leistungsverhältnis nur von Huawei zu haben. Dass immer mehr chinesische Tech-Unternehmen international so erfolgreich werden wie Huawei, wird die antichinesische Stimmung in den USA eher noch aufheizen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.