Kommentar: Nur ein bisschen Flagge zeigen

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Die eher unklare Politik der deutschen Regierung bei Rüstungsexporten in die Türkei zeigt, wie kompliziert und dennoch eng das Verhältnis beider Länder ist, findet Jens Thurau.

Einer der deutschen Rüstungsexporte in die Türkei in der Vergangenheit: Leopard 2A4 Panzer

Exportiert Deutschland nach der Intervention der Türken in Nordsyrien jetzt noch Waffen an Ankara oder nicht? Offiziell lautet die Formulierung aus dem Außenamt so: Waffen, die in Syrien eingesetzt werden können, werden ab sofort nicht mehr geliefert. Das heißt aber auch: Bereits genehmigte Exporte gibt es sehr wohl noch. Das unterscheidet die Türkei von Saudi-Arabien, wo die deutsche Regierung die Rüstungsexporte nach dem Mord an dem kritischen Journalisten Jamal Khashoggi vor gut einem Jahr komplett gestoppt hat. Auch vermuten Experten, dass die meisten Waffen, die die Türkei dieses Jahr aus Deutschland bekommt, für die Seestreitkräfte bestimmt sind. Und die werden in Nordsyrien nicht gebraucht.

Auf der Pressekonferenz in Berlin am Montag war den Vertretern der Regierung anzumerken, wie froh sie sind, wenn beim Thema Rüstungsexporte durch die oben geschilderte Konstruktion nicht noch eine weitere Baustelle im schwierigen deutsch-türkischen Verhältnis hinzukommt. Man kann ein bisschen Flagge zeigen, im Einklang mit anderen europäischen Staaten einen Waffenexportstopp verkünden, ohne dass der wirklich Wirkung erzielt.

Rund ein Drittel aller Exporte geht in die Türkei

Tatsache ist: Nachdem die Türkei schon mehrfach in den letzten Jahren militärisch in Syrien aktiv geworden war, sind die deutschen Waffenexporte eher gesunken. Aber hoch sind sie immer noch, im letzten Jahr betrug der Anteil rund 240 Millionen Euro, rund ein Drittel aller Exporte. Und anders als etwa in den USA, wo die Rüstungsbetriebe viel für die Streitkräfte im eigenen Land produzieren, arbeiten die deutschen Waffenschmieden in erster Linie für den Export. Auch deshalb tut sich die Regierung schwer mit dem Stopp von Waffenlieferungen. Außerdem ist die Türkei immer noch Nato-Mitglied. 

DW-Redakteur Jens Thurau

Andererseits ist es eben Nachkriegs-DNA erst der alten Bundesrepublik und dann auch des vereinten Deutschland, überall laut die Stimme zu erheben gegen militärische Abenteuer. Im Fall der Türkei führt das dann eben zu dieser merkwürdigen Verdruckstheit. Am liebsten soll sich gar nichts ändern, ab das muss ja nicht gleich jeder mitbekommen. Diese Haltung wird auch noch von anderen Faktoren verstärkt: Bis zu 3,5 Millionen Türken leben in Deutschland, das ist die mit weitem Abstand größte Ausländergruppe. Schätzungen zufolge gibt es aber auch bis zu 1,5 Millionen Kurden im Land. Die Regierung fürchtet, dass der Konflikt auch auf deutschem Boden ausgetragen wird. Scharfe Töne gegen Präsident Erdogan, so die Angst, könnten das begünstigen. Außerdem wird die Türkei  gebraucht: Der EU-Türkei-Flüchtlings-Pakt garantiert zumindest zurzeit noch, dass nicht wieder wie schon 2015 viele hunderttausende Flüchtlinge ins Land kommen.

Wenn man ernst genommen werden will

Da aber könnte genau der Fehler liegen: Wenn dem türkischen Präsidenten Erdogan nicht bald von Seiten der Europäer, auch der Deutschen, klar gemacht wird, dass sein Vorgehen im Norden Syriens Schaden anrichtet, dann könnten es wieder viele Flüchtlinge sein, die sich nach Europa aufmachen. Im Gespräch bleiben mit der türkischen Regierung, wie es die Deutschen wollen, ist richtig. Aber energische politische Schritte wie eben auch einen generellen Stopp der Rüstungsexporte sollte die Regierung jedenfalls nicht für alle Zeiten ausschließen. Sonst nimmt die Deutschen am Bosporus sowieso keiner ernst.