Orthorexie – die Sucht nach gesundem Essen

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Zucker? Schokolade? Tiefkühlkost? Für Menschen mit Orthorexie geht das gar nicht. Sie sind so sehr auf ihre vermeintlich gesunde Nahrung fixiert, dass alles, was ungesund sein könnte, vom Speiseplan gestrichen wird.

Was ist gesund? Was ist nicht gesund? Was ist vielleicht sogar gefährlich? Was kann ich denn überhaupt noch essen? “Nicht viel” ist vermutlich die Antwort von Menschen mit Orthorexie. “Am Anfang steht oft der Wunsch, sich bewusster und gesünder zu ernähren”, sagt Thomas Huber von der Klinik am Korso in Bad Oeynhausen. Die Einrichtung ist auf Essstörungen spezialisiert.

“Die Regeln, was gesund ist und was nicht, erlegen sich Menschen mit Orthorexie selbst auf. Diese Regularien werden im Laufe der Zeit immer strenger, es wird immer mehr aus dem Speiseplan gestrichen”, erklärt Huber. “Immer mehr Lebensmittel bekommen den Stempel ungesund”.

Ein langsamer Prozess

Friederike Barthels forscht zum Thema orthorektisches Essverhalten

Orthorexie entwickelt sich schleichend. “Meistens fängt es damit an, dass Betroffene sich intensiver mit ihrer Ernährung beschäftigen”, sagt Friederike Barthels von der Universität Düsseldorf. “Ein Grund kann sein, dass zum Beispiel jemand abnehmen möchte und deswegen die Ernährung umstellt. Die eine oder andere Person kommt vielleicht durch Lebensmittelskandale dazu, verstärkt auf Nahrungsmittel zu achten”, erklärt Barthels. Sie forscht seit 2011 zum Thema orthorektisches Ernährungsverhalten. Mit der Zeit könne dieses Verhalten dann obsessive Züge annehmen und die Konzentration auf gesundes Essen zu einer Belastung werden, um die sich alles dreht, so die Wissenschaftlerin weiter.

Obsessives Verhalten

Die Forschung zu Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie ist relativ weit fortgeschritten. Anders sieht das bei Orthorexie aus. Hier steht die Forschung noch am Anfang. Es ist nicht einmal klar, ob Orthorexie als Krankheitsbild eingestuft werden sollte oder ob es lediglich eine übermäßige Beschäftigung mit gesunder Ernährung ist. “Die Vorstellung der Betroffenen davon, was gesunde Ernährung eigentlich ist, stimmen nicht immer mit den gängigen Vorstellungen überein ein, die beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung aufgestellt wurden”, sagt Barthels.

Die Klinik am Korso in Bad Oeynhausen ist auf Essstörungen spezialisiert

Kriterien für Orthorexie

Die überhöhte Fixierung auf gesunde Ernährung zu erkennen und einzuordnen, unterliegt keinen klaren Kriterien. Den offiziellen Begriff “Orthorexia nervosa” hat der amerikanische Mediziner Steven Bratman 1997 geprägt. “Bratman hat die Störung bei sich selbst diagnostiziert und aufgeschrieben, was er bei sich selbst beobachten konnte. Er war der Meinung, dass seine Beschäftigung mit dem Thema ‘Gesunde Ernährung’ das Normale verlassen hat”, erklärt Huber. Die Aufzeichnungen dienen auch heute teilweise als Grundlage für die Beurteilung von Orthorexie.

Der Speiseplan von Menschen mit Orthorexie ist meist sehr reduziert

In Fachkreisen wird diskutiert, ob Orthorexie zu den Essstörungen gehört wie beispielsweise Anorexia nervosa – Magersucht – oder Bulimie – Ess-Brech-Sucht – oder ob die Sucht nach gesundem Essen eher unter Zwangserkrankungen einzuordnen ist. “Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte”, sagt Huber. “Es hat auf jeden Fall etwas Zwanghaftes, und es gibt auch viele Parallelen zu den klassischen Essstörungen.”

Daneben aber gibt es aber eben auch Unterschiede. Daran forscht Friederike Barthels. “Bei vielen sieht man, dass es durchaus auch um Gewicht, Figur und Abnehmen geht. Ursprünglich dachte man, dass Orthorexie damit nichts zu tun hat. In all meinen Studien sehe ich aber Zusammenhänge zwischen vermeintlichen Gewichtsproblemen und Sorgen um die eigene Figur und dem Wunsch abzunehmen.”

Gesund ist nicht immer gesund

Die Fokussierung auf vermeintlich Gesundes kann auch ins Gegenteil umschlagen. Es kann zu einer ungesunden Ernährung führen, weil sie zu einseitig ist. Mangelerscheinungen, zu wenige Spurenelemente oder auch Vitaminmangel können die Folge sein.

“Es kann passieren, dass jemand deutlich ins Untergewicht rutscht, erläutert Huber. “Eine Folgekomplikationen kann sein, dass Fettmasse abgebaut wird und sogar Muskelmasse. Die Mangelernährung kann zu Haarausfall führen. Wenn die Person stark untergewichtig ist, kann es sogar zu Organschäden kommen.”

Orthorexie kann zu erheblichem Untergewicht führen

Zu wenig des Guten

Huber erinnert sich an eine junge Frau, die zu ihm in die Klinik kam: “Sie wollte sich gesünder ernähren, war nicht übergewichtig, und mit ihrem Körper eigentlich zufrieden. Aber motiviert durch eine Freundin hat sie Süßigkeiten für sich gestrichen. Sie hat sich im Internet mit gesunder Ernährung beschäftigt, hat viele Halbwahrheiten gelesen und immer mehr Angst vor verschiedenen Lebensmitteln entwickelt”, beschreibt Huber die Situation.

“Dann hat sie angefangen, Konservierungsmittel zu meiden, dann fettreiche und kohlenhydratreiche Nahrungsmittel und hatte schließlich extremes Untergewicht. Als sie zu uns kam, wog sie rund 40 Kilo”, fasst Huber zusammen.

Essen in Gesellschaft

Menschen, die ihre Nahrungsmittelpalette so einschränken wie Personen mit orthorektischem Ernährungsverhalten, bekommen oft Probleme mit ihrer Umgebung. Gemeinsames Essen hat eine starke soziale und gesellschaftliche Bedeutung. Personen mit Orthorexie aber schlagen Einladungen oft aus, möchten vielleicht gar nicht mit anderen an einem Tisch sitzen. Dahinter steckt die Angst, mit ungesundem Essen konfrontiert zu werden.

Thomas Huber ist Chefarzt an der Klinik am Korso, Bad Oeynhausen

Ein fast schon missionarischer Eifer kommt oft hinzu, wenn Ernährungsfanatiker versuchen, Menschen in ihrem Umfeld davon zu überzeugen, dass sie nicht so weiteressen sollten wie sie es bisher tun. “Sie machen ihnen ein schlechtes Gewissen und erzähle ihnen beispielsweise etwas über die Folgen, die verschiedene Inhaltsstoffe auf den Körper haben können”, so Huber.

Die Betroffenen können nirgendwo zum Essen hingehen oder etwa eine Einladung von Freunden annehmen, denn die müssten ganz speziell kochen.

Ein Luxusproblem

Orthorektisches Ernährungsverhalten ist ein relativ neues Phänomen, das es vor allen Dingen in reichen Ländern und Regionen gibt. “Wenn in einer Gesellschaft grundsätzlich Lebensmittelüberfluss herrscht, man grundsätzlich die Wahl hat, was man isst, kann das zu solchen Auffälligkeiten wie Orthorexie führen”, erklärt Barthels.

In Entwicklungsländern gibt es kaum Fälle von Essstörung. Dort ist Essen oft knapp und überlebensnotwendig. “Da kommt niemand auf die Idee, Nahrungsmittel ohne Not zu reduzieren”, gibt Barthels zu Bedenken.

Vom Baum in den Mund

Manche Menschen nehmen weite Wege in Kauf, um an Lebensmittel zu kommen, die sie für gesund halten. Bratman hatte es da einfacher. “Als Biobauer konnte er einfach in seinen Garten gehen, und das Obst und Gemüse von dort sofort essen oder auch direkt weiterverarbeiten”, erzählt Huber. “Er hat die Regel aufgestellt, dass man Gemüse innerhalb von 15 Minuten nach Ernte verzehren müsse.”

Über Ernährungsfanatiker sagte Bratman später einmal: “Statt eines Lebens besitzen sie nur noch einen Speiseplan.”


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    Açai

    Açai kommt aus Südamerika. Ganz langsam hat sich sie sich als Geheimtipp auf der ganzen Welt verbreitet, denn sie macht – so sagt man – schlank. Außerdem soll sie wegen ihrer reichlich enthaltenen Antioxidantien ein Jungbrunnen sein und Falten vorbeugen. Sportler versprechen sich durch die kleine, blaue Power-Frucht – zum Beispiel in solch einer Açai-Bowl – einen extra Energieschub.


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    Avocado

    Die Avocado gehört zu den fettreichsten Früchten der Welt, was sie aber nicht zum Dickmacher macht. Denn bei ihrem Fett handelt es sich um wertvolle ungesättigte Fettsäuren, die sich positiv auf den Cholesterinspiegel und das Herz-Kreislauf-System auswirken. Daneben enthält die birnenförmige Frucht viele Vitamine, die gut für Haut und Haare sein sollen, fürs Immunsystem – und die Nerven.


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    Chia-Samen

    Die kleinen Samen werden als echte Alleskönner beworben: Sie besitzen einen hohen Proteingehalt und sind reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Die Mayas und Azteken sollen das schon vor 5000 Jahren zu schätzen gewusst haben. Allerdings sind die kleinen Samen nicht wirklich lecker, sondern eher geschmacksneutral. Chia-Fans essen sie als Pudding, Gel oder pur – einfach übers Essen gestreut.


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    Superlative lassen sich bei Superfoods wohl kaum vermeiden, deshalb hier der nächste: Die Goji-Beere gehört angeblich zu den gesündesten Früchten der Welt. Sie soll das Immunsystem und Herz stärken, bei Bluthochdruck helfen, Energie spenden – und jung halten, zum Beispiel gut für Augen und Haut sein.


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    Die Saison der dunkelblauen Beeren beginnt hierzulande im Juli. Heidelbeeren gelten als entzündungshemmende Vitaminbomben. Schon die alten Griechen und Römer sollen sie gegen Darmerkrankungen eingesetzt haben. Im Gegensatz zu der südamerikanischen Açai-Frucht haben sie nur wenig Kalorien und kaum Fett. Aber: Sie sollen denselben Anti-Aging-Effekt haben.


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    Kurkuma

    Kurkuma ist seit Jahrtausenden eines der wichtigsten indischen Gewürze, unter anderem Bestandteil von Currypulver. Die ingwerähnliche Pflanze gilt als heilig und gehört an fast jedes Essen, da es die Speisen bekömmlicher macht und die Verdauung fördert. Doch Kurkuma soll noch mehr können: den Cholesterinspiegel senken, antioxidativ wirken und gut gegen Entzündungen sein.


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    Mandeln

    Wer seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte, sollte täglich ein paar Mandeln knabbern. Das soll Hungerattacken vorbeugen, sich positiv aufs Herz auswirken und das Risiko für Diabetes Typ 2 und Alzheimer mindern. Außerdem ist das Fett der Mandel ebenso wie das der Avocado: von der guten Sorte!


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    Quinoa

    Der aus Südamerika stammende Quinoa (ausgesprochen “kienwah”) wird auch Inka-Korn, Anden-Hirse oder Peru-Reis genannt. Er gilt als eine der wohl besten pflanzlichen Eiweißquellen weltweit. Die kleinen Körner enthalten alle neun essenziellen Aminosäuren, krankheitsbekämpfende Antioxidantien, sind glutenfrei und reich an Mineralien.

    Autorin/Autor: Hannah Fuchs