Doppel-Nobel: Olga Tokarczuk und Peter Handke mit Literaturpreis geehrt

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Die Polin erhält den renommierten Preis rückwirkend für 2018, der Österreicher für 2019. Der Literaturnobelpreis war im vergangenen Jahr aufgrund von Affären um sexuelle Übergriffe und Veruntreuung ausgesetzt worden.

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Literaturnobelpreisträger für 2018 und 2019 bekannt gegeben

Erstmals seit Jahrzehnten ehrte das Nobelpreiskomitee zwei Autoren: die Polin Olga Tokarczuk und den Österreicher Peter Handke. Mit Tokarczuk, Jahrgang 1962, entschied sich die Jury für eine der renommiertesten Autorinnen Polens. Ihre Werke, die oftmals das polnisch-deutsch-tschechische Grenzland thematisieren, wurden bereits mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt. Die Filmadaption ihres Romans “Der Gesang der Fledermäuse” durch Agnieszka Holland wurde auf der Berlinale 2017 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet.

Der österreichische Schriftsteller Handke ist der 14. deutschsprachige Autor, der mit einem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zuvor waren unter anderem Herta Müller und Günter Grass geehrt worden. Der 76-Jährige gilt als kontroverser Autor, bekannt wurde er 1966 mit dem furiosen Text “Publikumsbeschimpfung”.

Der Preis wurde in diesem Jahr zweifach verliehen, da die Schwedische Akademie 2018 aufgrund von Vorwürfen wegen sexueller Belästigung, Vergewaltigung, Korruption und Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht handlungsunfähig geworden war. Ausgelöst wurde die wohl schwerste Krise der Akademie durch Enthüllungen rund um Jean-Claude Arnault, Ehemann des einstigen Gremium-Mitglieds Katarina Frostenson. Er soll Akademiemitglieder, deren Frauen oder Töchter belästigt haben, in einem Fall wurde er wegen Vergewaltigung verurteilt.

In Folge des selbstzerstörerischen Umgangs mit dem Skandal folgten eine Reihe von Austritten des ursprünglich 18-köpfigen Gremiums, bis es derart unterbesetzt war, dass es nicht mehr beschlussfähig war. Die Vergabe des Literaturnobelpreises 2018 wurde schließlich ausgesetzt.

“Es gibt blaue Flecken”

Eine neue Jury sollte es in diesem Jahr richten. Sorgfältig wurde eine Vielzahl von neuen Mitgliedern – schwedische Schriftsteller, Übersetzer und Philosophen – ausgewählt, das letzte erst im Mai diesen Jahres. Eigens dafür änderte der schwedische König Carl Gustaf sogar die Statuten, da die Akademiemitglieder eigentlich auf Lebenszeit gewählt wurden.


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Die Entscheiderin: die Schwedische Akademie

    1786 nach dem Vorbild der Académie française von König Gustav III. gegründet, um die schwedische Sprache und Literatur zu fördern, vergibt die Schwedische Akademie seit 1901 den Literaturnobelpreis. De Aderton (dt. Die Achtzehn) – wegen der 18 Sitze – trifft ihre Entscheidung immer im Oktober. Die Verleihung der begehrten Medaille findet am 10. Dezember, an Alfred Nobels Geburtstag, statt.


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Langwieriger Prozess

    Mitglieder der Akademie sind schwedische Schriftsteller, Literatur- und Sprachwissenschaftler, Historiker sowie ein berühmter Jurist. Ernannt werden sie auf Lebenszeit. Zwischen der Vergabe des Nobelpreises und den ersten Vorbereitungen liegt mehr als ein Jahr. Die erste Amtshandlung in dem Prozess vollzieht das Nobelkomitee in der Regel im September des Vorjahres…


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Der Gehilfe: das Nobelkomitee

    …dann verschickt es rund 700 Nominierungsformulare an “qualifizierte Individuen und Organisationen”, zu denen u.a. Mitglieder der Literaturnobelpreis-Akademie, frühere Preisträger oder Literaturwissenschaftler zählen. Das Komitee besteht aus sechs Mitgliedern, die für einen Zeitraum von drei Jahren aus den Reihen der Akademie gewählt werden. Vorsitzender ist der Autor Per Wästberg (Bild).


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Die Auslese

    Sämtliche Formulare, die bis Ende Januar beim Komitee eingegangen sind, werden mithilfe zusätzlicher Experten genau evaluiert. Bis April wird der Kreis möglicher Anwärter auf den Literaturnobelpreis durch das Komitee bereits auf 15-20 Kandidaten begrenzt, einen Monat später bleiben nur noch fünf Kandidaten übrig. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt die Akademie…


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Lesen, diskutieren, entscheiden

    …sie erhält nun vom Komitee die Liste mit den fünf Kandidaten der engeren Auswahl. Damit geht der Vergabe-Prozess in seine heiße Phase: Im Sommer lesen und beraten sich die Akademie-Mitglieder, schreiben ihre Berichte und sprechen im September vor allem über die literarischen Verdienste der Anwärter. Fehlt nur noch die Abstimmung…


  • Der Literaturnobelpreis: Wie funktioniert die Vergabe?

    Am Ziel: Bekanntgabe und Preisverleihung

    Anfang Oktober stimmt die Akademie ab und verkündet das Ergebnis. Durchgesetzt hat sich derjenige Kandidat, der über die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat. Im vergangenen Jahr durfte sich der japanisch-stämmige britische Autor Kazuo Ishiguro über die mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 800.000 Euro) dotierte Auszeichnung freuen. Die übrigen Nominierten bleiben 50 Jahre geheim.

    Autorin/Autor: Bettina Baumann


 

“Es ist schmerzhaft gewesen. Es gibt blaue Flecken”, gab Mats Malm auf der Buchmesse in Göteborg zu. Der Literaturhistoriker und Übersetzer ist eines der neuen Mitglieder und nun auch Ständiger Sekretär der Akademie. Neu in diesem Jahr sind auch fünf externe Berater, Schriftsteller, Literaturkritiker und Übersetzer, die zusätzlich für neuen, unabhängigen Wind bei der Entscheidungsfindung sorgen sollten.

Geteilte Aufmerksamkeit

Nun müssen sich jedoch zwei Schriftsteller die Weltöffentlichkeit an diesem ehrwürdigen Literaturtag teilen. “Die Preise und die Preisträger von 2018 und 2019 werden gleichermaßen geschätzt, und wir glauben, dass die Aufmerksamkeit und der Ruhm reichlich sein werden für beide”, sagte Malm. Schließlich gehe es ja nicht nur um Anerkennung einer einzelnen Person, sondern um die Wertschätzung der Weltliteratur. Beide Autoren erhalten zudem ein Preisgeld von rund 830.000 Euro. Verliehen wird der Literaturnobelpreis gemeinsam mit weiteren Nobelpreisen am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel.

Wer nun genau zur Auswahl stand, das bleibt traditionell für 50 Jahre unter Verschluss. Nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA ist zumindest die Anzahl der Kandidaten bekannt: Für 2018 sollen es 194, für dieses Jahr 189 gewesen sein.