Reiseveranstalter Thomas Cook ist pleite

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Der britische Reisekonzern hat den Betrieb eingestellt. Flüge wurden gestrichen. Nun drohen hunderttausende Urlauber zu stranden. Von dramatischen Szenen in Hotels ist die Rede. Die Tochter Condor fliegt zunächst weiter.

Die Flugzeuge des britischen Reiseveranstalters bleiben ab sofort am Boden

Der älteste Touristikkonzern der Welt hat kein Geld mehr und steht vor der Zwangsliquidation. Nach Gesprächen mit Banken, Gläubigern und Regierungsvertretern in London teilte die Unternehmensspitze mit, man müsse das Geschäft sofort einstellen. Man habe keine Alternative gehabt, als mit sofortiger Wirkung das Konkursverfahren einzuleiten. Konzernchef Peter Fankhauser sprach in einer Erklärung von einem “tief traurigen Tag”. Er entschuldigte sich bei “unseren Millionen Kunden und Tausenden Angestellten, Zulieferern und Partnern”. 

Banken fordern von Thomas Cook zusätzlich zu einem schon ausgehandelten 900 Millionen Pfund (knapp eine Milliarde Euro) schweren Rettungspaket weitere 200 Millionen Pfund (226 Millionen Euro). 

Thomas Cook-Urlauber berichten im Kurznachrichtendienst Twitter bereits von dramatischen Zuständen. In Tunesien wurden Reisende nach eigenen Angaben in Hotels festgehalten, da die Manager befürchteten, kein Geld mehr vom kriselnden Veranstalter zu bekommen. Andere klagten, sie hätten für die Unterkunft ein zweites Mal bezahlen müssen. Das Geld sei ihnen von der Kreditkarte abgebucht worden.

Der 1841 gegründete Reiseveranstalter mit Marken wie Neckermann-Reisen oder Bucher Last Minute betrieb Hotels, Ferienressorts, Airlines und veranstaltete Kreuzfahrten. Von den 105 Flugzeugen im Konzern sind 58 für den deutschen Ferienflieger Condor unterwegs. Weltweit hat Thomas Cook rund 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern, davon sind etwa 4500 in Deutschland bei Condor beschäftigt. Dort läuft das operative Geschäft derzeit noch normal.

Condor beantragt Kredit bei Bundesregierung 

Allerdings beantragte der profitable deutsche Ferienflieger nach dem Insolvenzantrag der britischen Konzernmutter bei der Bundesregierung in Berlin einen Überbrückungskredit. Der Antrag werde gegenwärtig geprüft, teilte ein Condor-Sprecher am frühen Montagmorgen mit. Außerdem will die deutsche Tochter von Thomas Cook den Betrieb zunächst aufrechterhalten, wie auf der Internetseite mitgeteilt wurde. “Die Flüge finden planmäßig statt.” Und: “Wir starten und landen ganz normal”, betonte eine Sprecherin.

Auch der britische Premierminister Boris Johnson äußerte sich zur Lage des Unternehmens. Der Regierungschef stellte den gestrandeten Urlaubern des Reiseveranstalters Hilfe in Aussicht. “Wir werden unser Bestes tun, um sie nach Hause zu holen. Der Staat muss auf die eine oder andere Weise eingreifen, um gestrandeten Urlaubern zu helfen”, sagte Johnson. Er äußerte sich – noch vor der Einstellung des Unternehmensbetriebs von Thomas Cook – an Bord einer Regierungsmaschine auf dem Weg nach New York. Eine Finanzierungsbitte des Reiseveranstalters über 150 Millionen Pfund (knapp 170 Millionen Euro) lehnte die Regierung in London nach den Worten von Johnson ab.

Codename Matterhorn 

Laut dem Sender BBC stellte die zivile Luftfahrtbehörde CAA zahlreiche Flugzeuge bereit. Damit laufe die “größte zivile Rückholaktion überhaupt” an, um rund 150.000 britische Urlauber aus verschiedenen Ländern nach Hause zu holen. Die Rückholaktion trägt nach BBC-Angaben den Codenamen “Matterhorn”. In der Nacht seien bereits die ersten Maschinen zu verschiedenen Zielen gestartet, hieß es weiter. 

Noch keine Reaktion aus Berlin

Von  der Bundesregierung gibt es bislang keine Stellungnahme, ob ebenfalls Vorbereitungen getroffen werden, möglicherweise zehntausende Urlauber nach Deutschland zurückzuholen. In der Bundesrepublik sind Versicherer dafür zuständig, Pauschalurlauber, die sogenannte Reisesicherungsscheine haben, im Notfall zurückzubringen. In der Praxis helfen dann andere Fluggesellschaften, Touristen nach Deutschland zu holen.

Thomas Cook war durch eine milliardenschwere Abschreibung auf ein britisches Tochterunternehmen und ein schwächeres Reisegeschäft ins Schleudern geraten. Bereits 2012 retteten mehrere Banken den Konzern mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Stärker als der Branchenprimus TUI leidet Thomas Cook auch unter der anhaltenden Unsicherheit um den Brexit, der die Reiselust der Briten dämpft.

mll/se/nob (rtr, dpa, twitter)