Zum 200. Geburtstag von Clara Schumann

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Komponistin, Kritikerin, Konzertmanagerin; Pianistin, Herausgeberin, Unternehmerin; Professorin, Mutter Ehefrau: 200 Jahre nach ihrer Geburt wird Clara Schumann als Powerfrau des 19. Jahrhunderts anerkannt.

Im Jubiläumsjahr Clara Schumanns gibt es landauf, landab Sonderkonzerte und Ausstellungen, letztere etwa in Zwickau, Frankfurt am Main, Bonn und Leipzig. Allein in ihrer Geburtsstadt Leipzig finden 2019 170 Veranstaltungen zum Thema statt – neue Biographien und Jugendtagebücher sind erschienen. Auch die Kompositionen Clara Schumanns, die so lange vernachlässigt wurden, stehen aktuell in nicht wenigen Konzertprogrammen.

Dem breiteren – wenn auch vielleicht nicht mehr ganz jungen – Publikum ist sie als “die Frau auf dem 100-Mark-Schein” von 1990 bekannt. Doch Clara Schumann war mehr als das – in der Musikwelt war sie eine so prägende Figur, dass ihr Wirken bis heute im Konzertleben spürbar ist.

Schon das junge Mädchen wirkt selbstbewusst

Stürmisches Spiel, zurückhaltendes Wesen

Diese bemerkenswerte Persönlichkeit wurde am 13. September 1819 in Leipzig als Clara Wieck geboren. Ihr geschiedener Vater, Friedrich Wieck, war ein bekannter Klavierlehrer und Gründer einer Klavierfabrik. Bereits ab dem fünften Lebensjahr erhielt Clara von ihm Klavierunterricht, nach seiner eigenen Methode. Er ließ sie in der Komposition unterweisen, Fremdsprachen lernen – und auch körperliche Ertüchtigung gehörte zum Erziehungsprogramm. 

Bereits mit neun Jahren hatte Clara ihren ersten öffentlichen Auftritt als Pianistin im Leipziger Gewandhaus. Bald danach veröffentlichte Friedrich Wieck das Opus 1 seiner Tochter: Vier Polonaisen.

Vater und Tochter gingen bald auf ausgedehnte Konzertreisen – sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Die oft zwei- bis dreimonatigen Reisen in der Kutsche waren beschwerlich, oft wurde auch das Klavier mitgenommen.

Aus einer Lithografie ging das Motiv für den 100-Mark-Schein hervor

Zeitgenossen beschrieben Clara Wiecks Spiel als rasant und temperamentvoll. “Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen” schrieb Johann Wolfgang von Goethe nach einem Konzert in Weimar. Im persönlichen Auftreten entstand jedoch das gegenteilige Bild: Felix Mendelssohn Bartholdy erlebte sie als scheu und still, und nach einer Begegnung im Jahr 1838 beschrieb sie Franz Liszt als eine “sehr einfache Person, sehr gut erzogen, keineswegs kokett, ganz in ihrer Kunst aufgehend, aber auf die vornehme Art.”

Prominente Bekanntschaften und erste Liebe

Bei einer Reise nach Wien als 19-Jährige bezeichnete sie Kaiser Ferdinand I. als “Wundermädchen”. Es müssen beeindruckende Konzertprogramme gewesen sein, die auch ihre eigenen Werke enthielten. Dazu gehörte etwa das Klavierkonzert in a-Moll, voller Tonkaskaden und waghalsiger Sprünge, das Clara Wieck am 09.11.1835 als 16-Jährige uraufführte. Die deutsche Pianistin Ragna Schirmer, die im Clara-Schumann-Jubiläumsjahr auch deren Originalprogramme aufführte, gab in einem Interview zu, nach dem Konzert “ausgepowert” gewesen zu sein.

Clara Schumann heute nachzuspielen, lässt eine Pianistin “ausgepowert” zurück

Liszt, Mendelssohn, Goethe – aber auch Paganini und Chopin kannten die junge Musikerin. Und: Robert Schumann, den sie mit neuneinhalb Jahren erstmals kennenlernte. Der damals 19-jährige Jurastudent wohnte ein Jahr lang im Hause Wieck, um vom berühmten Klavierlehrer unterwiesen zu werden. Aus einer innigen Freundschaft entwickelte sich Liebe. Clara war damals 16. Als Friedrich Wieck davon erfuhr, verbot er jeglichen Kontakt zwischen den beiden. Der Vater organisierte Konzertreisen, fuhr mit und überwachte seine Tochter Tag und Nacht.

Der heimlichen Verlobung im August 1837 folgte eine Rechtsklage der Verlobten im Juli 1839. Ein Jahr später genehmigte das Gericht die Eheschließung, die am 12. September 1840 stattfand.

Bürgerliche Ehefrau und gefeierte Pianistin

Zunächst wünschte sich Robert Schumann, seine Ehefrau solle auf ihre Konzerttätigkeit verzichten. Sie solle in erster Linie ihre bürgerlichen Pflichten als Ehefrau wahrnehmen. Bald setzte sie sich aber durch: Das erste Konzert als Clara Schumann folgte im Herbst 1840. “Meine Kunst lasse ich nicht, ich müsste mir ewige Vorwürfe machen”, schrieb sie. 

Clara: die international gefeierte Pianistin, Robert: der kaum bekannte Komponist. Dennoch stellten beide Ehepartner sein Komponieren über ihr Klavierspiel. Weil Robert Ruhe zum Komponieren brauchte, musste Clara ihr Üben stark einschränken. Ihr primärer Wunsch war, “dass Robert ganz in der Musik leben kann und seinem Vergnügen, dass keine Sorge mehr sein schönes Künstlerleben trübt.”

Künstlerisch fruchtbare Ehejahre

Bald wurde das bürgerliche Ehe-Ideal durch finanzielle Zwänge durchbrochen, die zum Comeback der Konzertpianistin führten. Trotz zehn Schwangerschaften trat Clara in 14 gemeinsamen Ehejahren mindestens 139 Mal auf, auch auf Auslandsreisen: nach Norddeutschland (1842), Russland (1844), Wien (1846) und in die Niederlande (1853). Oft reiste das Ehepaar zusammen, auch wenn Robert es es nicht ertragen konnte, im Schatten seiner berühmten Frau zu stehen. Es waren jedoch auch Konzerte, die seine Werke enthielten und ihn auf diese Weise international bekannt machten.

Die Ehe scheint glücklich und künstlerisch fruchtbar gewesen zu sein. Die Partner tauschten musikalische Einfälle aus, Robert unterstützte die kreative Seite seiner Gattin nachhaltig. Dagegen scheint Clara die damalige gesellschaftliche Haltung gegenüber Frauen verinnerlicht zu haben: Komponieren war Männerarbeit. Selbst nach dem Klaviertrio von 1845, das als ihre erfolgreichste Komposition gilt, schrieb sie: “Natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an der Kraft, und hie und da an der Erfindung fehlt.”

Gruppenbild der Kinder von Robert und Clara Schumann: Ludwig, Marie, Felix, Elise, Ferdinand, Eugenie (Foto aus dem Jahr 1855)

Krankheit und Witwendasein

Clara Schumanns Halbbruder Woldemar Bargiel, der das Ehepaar im Juli und August 1852 besuchte, berichtete von der häufigen Krankheit Roberts, was seine besorgte Ehefrau sehr mitnahm. Auf Bargiel wirkte es so, “als ob Schumann und Clara einen und denselben körperlichen Organismus hätten und jede Empfindung Schumanns in sie einflösse.”

Bereits seit seiner Jugend hatte Robert Schumann an Depressionen und Stimmungsschwankungen gelitten. Heute würde man seinen Zustand wohl als bipolare Störung bezeichnen. Schon während der ersten Ehejahren in Leipzig, dann ab 1844 in Dresden und ab 1850 in Düsseldorf wechselten sich Krankheitsphasen und Nervenzusammenbrüche mit glücklicheren Phasen ab.

Bei einem Selbstmordversuch am Rosenmontag 1854 stürzte Robert Schumann, geplagt von Halluzinationen, in den Rhein. Er wurde von Fischern gerettet und in eine Nervenheilanstalt in Endenich bei Bonn eingeliefert. Auf Anweisung der Ärzte durfte ihn seine Ehefrau erst zwei Tage vor seinem Tod am 29. Juli 1856 wiedersehen.

Die Grand Dame der Musik

Die 37-Jährige, die ab diesem Moment für den Rest ihres Lebens nur noch in Schwarz auftrat, musste ihr Leben vollends umstellen. Die Kinder in Internaten, bei Freunden und Familienmitgliedern untergebracht, ging Clara Schumann erneut auf Konzertreisen – in den Jahren 1863-73 allein 19 Mal nach England.

Claras Spuren im heutigen Konzertleben

Eine nachhaltige Stütze für Clara war Johannes Brahms, der das Ehepaar als 20-Jähriger – ein Jahr vor Robert Schumanns Tod – kennengelernt hatte. Zwischen Brahms und Schumann entwickelte sich bald eine innige Liebe, die die Nachwelt beschäftigte: Briefe der beiden wurden im gegenseitigen Einvernehmen vernichtet. Geblieben ist die Korrespondenz, in der sich Clara Schumann als Brahms beste Ratgeberin erweist und ihm einen faszinierenden Einblick in das Komponistenhandwerk gibt.

Berüchtigter Unterricht in der “Tränen- und Seufzerallee”

Nach Jahren in Baden-Baden und Berlin wurde Schumann 1787 als “Erste Klavierlehrerin” an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main berufen. Madame Schumann durfte zu Hause in ihrer Wohnung in der Frankfurter Myliusstraße unterrichten. Unter ihren Schülern wurde sie bald “Tränen- und Seufzerallee” genannt – die Grand Dame der Musik war wegen ihrer vernichtenden Kritik berüchtigt. Ihre Töchter waren Clara Schumann bei ihrem Unterricht eine Stütze. Mit den Söhnen hatte sie dagegen Schicksalsschläge erleiden müssen: Ein Sohn war geistig zurückgeblieben und lebte in eine Heilanstalt, ein weiterer litt unter Schizophrenie, ein dritter war opiumsüchtig. 

Ihre Konzertprogramme spiegelten Clara Schumanns Bildungsideal wider: Weg von unterhaltsamen kleineren Bravourstücken hin zu ganzen Werken und Werkzyklen von Beethoven, Brahms, Chopin, Mendelssohn, Schubert und Bach – und natürlich Schumann, dessen posthumen Ruhm sie unermüdlich förderte.

Als bedeutendste Pianistin des 19. Jahrhunderts trug Clara Schumann so zur Entstehung eines modernen Klavierrepertoires bei. Sie betätigte sich als Herausgeberin der Gesamtwerke ihres Ehemanns und adaptierte die Lieder, die Schumann einst ihr gewidmet hatte, für Klavier. Nur eines machte sie nach seinem Tod fast nie wieder: komponieren.