Gastkommentar: Tankerkrieg im Mittelmeer

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Der iranische Öltanker “Adrian Darya 1” nimmt Kurs auf das östliche Mittelmeer. Dort geht der Nervenkrieg zwischen den USA und dem Iran weiter, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung..

45 Tage lag der 330 Meter lange Tanker “Adrian Darya 1” im Hafen von Gibraltar. Seit Anfang der Woche nimmt er nun Kurs auf das östliche Mittelmeer, ohne dass seine Destination bekannt wäre. Die Regierung von Gibraltar, das Teil des Vereinigten Königreichs ist, hatte den Tanker, den Iran in den vergangenen Wochen von “Grace 1” auf “Adrian Darya 1” umbenannt hat, am vergangenen Montag mit geladenen 2,1 Millionen Barrel Öl im Wert von 120 Millionen Euro auslaufen lassen.

Zuvor hatte sie eingestanden, nicht richtig gehandelt zu haben, als sie den Tanker am 4. Juli bei der Passage durch die Meerenge festgesetzt hat. Schließlich seien es US-amerikanische, nicht aber europäische Sanktionen, die das Ziel haben, Iran am Export von Erdöl zu hindern. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags war zum Ergebnis gekommen, dass Gibraltar gegen das Völkerrecht verstoßen hat, als es sich dem US-amerikanischen Druck gebeugt hatte und den Tanker festsetzte.

Die Regierung von Gibraltar brachte einen weiteren Grund ins Spiel, weshalb sie den Tanker auslaufen ließ. Sie erklärte, die US-Amerikaner könnten wohl argumentieren, die Verkaufserlöse kämen den iranischen Revolutionsgarden zugute. Da aber die EU, anders als die USA, die Revolutionsgarden nicht als Terrororganisation einstuften, müssten die auch nicht sanktioniert werden.

Drakonische Strafen angedroht

Das war ein herber Schlag für Präsident Trump und die Falken um ihn. Schließlich hatte ein amerikanisches Gericht vor dem Auslaufen des Tankers angeordnet, dass dieser zu beschlagnahmen sei. Darüber hat sich Gibraltar hinweggesetzt. Daher erhöhen nun die USA, um glaubwürdig zu bleiben, den Druck auf andere. Washington droht, wer immer den Tanker in einen Hafen einlaufen lasse und das Öl kaufe, werde mit drakonischen Strafen dafür büßen müssen.

Rainer Hermann ist Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Damit weitet Präsident Trump seine Politik des „maximalen Drucks” gegenüber Iran auf Drittstaaten aus. Gegenüber Iran war sie bislang kaum erfolgreich. Der iranischen Wirtschaft geht es zwar schlecht, sie kollabiert aber nicht. Zudem gehen die Iraner nicht gegen ihre Führung auf die Straße. In weiter Ferne ist damit ein Regime change.

Schifffahrtsexperten vermuten aufgrund der Route des Supertankers, dass er sich auf dem Weg zum griechischen Hafen Kalamata befindet. Mit seiner Geschwindigkeit von 13 Stundenkilometern müsste er dort am kommenden Montag zur Mittagszeit eintreffen. Zwei Punkte sprechen dagegen, dass er das wirklich tun wird. Zum einen hat die neue griechische Regierung kein Interesse daran, die USA zu verärgern. Denn sie verhandelt derzeit über die Einrichtung von drei US-Stützpunkten, die sich Athen zum Schutz vor der unberechenbaren Türkei wünscht. Zum anderen ist der Hafen von Kalamata viel zu klein für einen Supertanker wie die „Adrian Darya 1″.

Wohin mit dem Öl?

Immer wahrscheinlicher ist daher, dass der Tanker keinen Hafen anlaufen wird und dort seine Ladung löscht, sondern dass das Erdöl außerhalb der griechischen Hoheitsgewässer auf kleinere Schiffe umgeladen wird. Dafür gibt es zwei Anhaltspunkte. So haben Schifffahrtsexperten im Mittelmeer kleinere Tanker lokalisiert, die sich der “Adrian Darya 1” nähern, und der Supertanker hat bereits in der Vergangenheit, nicht zuletzt wegen seiner enormen Größe, wiederholt auf dieses Art außerhalb von Häfen seine Ladung “von Schiff zu Schiff” gelöscht.

Damit ist die nächste Runde des Nervenkriegs bereits programmiert. Eine Frage ist, wer das Erdöl von den kleineren Schiffen kaufen wird, eine andere, ob es in Pipeline eingespeist wird. Beides würde den Zorn Washingtons auf sich ziehen. Zudem könnten die USA, um ein Exempel zu statuieren, weiter gegen die  “Adrian Darya 1” vorgehen. Der Tankerkrieg hat damit das Mittelmeer erreicht.