Schlaganfall: Wenn man seine Muttersprache verliert

0
293

Nach einem Schlaganfall kann vieles passieren. Es gibt Menschen, die danach mit ausländischem Akzent sprechen, oder sogar nicht mehr ihre Muttersprache, sondern nur noch eine Fremdsprache. Wie kann das sein?

Was kann mit unserem Sprachzentrum nach einem Schlaganfall passieren?

Die Chinesin Liu Jiayu spricht nach einem Schlaganfall plötzlich nur noch Englisch. Die Frau aus der chinesischen Hunan Provinz antwortet auf die chinesische Frage nach ihrem Alter: “I am 94 years old”. Sie hatte lange Englisch unterrichtet.

Ein Engländer spricht nach einem Schlaganfall plötzlich nur noch walisisch, obwohl er seit 70 Jahren nicht mehr in Wales war. Und eine Deutsche aus Thüringen spricht nach ihrem Schlaganfall plötzlich Schweizerdeutsch, ohne, dass sie jemals in der Schweiz war. Es gibt noch mehr Fälle, in denen Menschen nach einem Schlaganfall plötzlich mit ausländischem Akzent oder sogar nur noch in einer Fremdsprache redeten.

Mehr zu Schlaganfall: Wenn einen der Schlag trifft

So kann sich unsere Sprache nach einem Schlaganfall ändern

Diese Fälle sind selten, aber es gibt eine Erklärung, sagt Anja Lowit, die vor dreißig Jahren aus Deutschland nach Großbritannien auswanderte, um dort zu Linguistik und Sprachtherapie zu forschen. Sie beschäftigt sich auch mit Veränderungen der Sprache nach Schlaganfällen.

Die oben beschriebenen Fälle kann man in zwei Kategorien aufteilen. Wenn Menschen nach dem Schlaganfall nur noch eine Fremdsprache sprechen, ist das eine Form von bilingualer Aphasie. Wenn sie mit einem scheinbar ausländischen Akzent sprechen, nennt man das das “Foreign Accent Syndrome” (Fremder-Akzent-Syndrom).

Ein Schlaganfall entsteht, wenn eine bestimmte Hirnregion nicht mehr durchblutet wird. Sprachveränderungen müssen aber nicht unbedingt nur nach einem Schlaganfall auftreten. Ein amerikanischer Schüler hat nach einer Kopfverletzung bei einem Football-Spiel und einem kurzen Koma etwa erst einmal nur noch Spanisch gesprochen. 

Lowit erzählt vom Fall einer Britin, die nach einer starken Migräne mit scheinbar französischem Akzent sprach, oder auch von einem anderen Patienten, der nach einer Impfung und einer einwöchigen Krankheit mit fremdem Akzent sprach. 

Video ansehen 03:49 Teilen

Schlaganfall – was sind die Anzeichen?

Versenden Facebook Twitter google+ Tumblr VZ Xing Newsvine Digg

Permalink https://p.dw.com/p/1JBas

Schlaganfall – was sind die Anzeichen?

Plötzlich ein fremder Akzent

Das Foreign Accent Syndrome ist eine Mischung verschiedener Sprach- und Sprechstörungen und ist bei jedem Patienten anders ausgeprägt. Die genannte Britin hatte sich nicht wirklich einen französischen Akzent abgeguckt. Ihre andere Betonung und Aussprache und möglicherweise auch grammatikalische Fehler in Folge ihres Schlaganfalls klangen einfach in den Ohren von Briten wie ein französischer Akzent.

Im englischen Wort “garage” etwa sprach sie das “ge” hinten weich aus, wie im Französischen, und betonte die zweite Silbe mit einem langen a. So wurde aus dem englischen garage mit der Betonung auf der ersten Silbe ein französisch klingendes “garage”.

Die Betroffenen können einfach bestimmte Laute nicht mehr so gut bilden oder suchen nach Wörtern und richtigen Betonungen. Die Zuschreibung des ausländischen Akzents passiert durch das Umfeld, erklärt Lowit.

Die Unebenheiten in der Sprache klingen in den Ohren der Leute dann vielleicht nach einem russischen oder chinesischen Akzent. Wenn man unterschiedliche Menschen fragt, werden dem Patienten vielleicht auch unterschiedliche Akzente zugeschrieben.

Video ansehen 05:25 Teilen

Wie gefährlich ist ein Mini-Schlaganfall?

Versenden Facebook Twitter google+ Tumblr VZ Xing Newsvine Digg

Permalink https://p.dw.com/p/35J97

Wie gefährlich ist ein Mini-Schlaganfall?

Fremdsprache statt Muttersprache

Aber was ist, wenn man nicht nur mit einem ausländisch klingenden Akzent spricht, sondern sogar ganz in einer anderen Sprache? In diesem Fall der bilingualen Aphasie muss die Sprache vorher gelernt worden sein, sagt Lowit. Es gibt dabei unterschiedliche Formen. 

Die meisten Menschen können noch alle vorhandenen Sprachen sprechen, wobei alle unterschiedlich stark beeinträchtigt sein können. In seltenen Fällen können die Schlaganfall-Patienten nur noch die Muttersprache, aber die Fremdsprache nicht mehr. Manche Leute können nur noch die Fremdsprache, aber ihre Muttersprache vorerst nicht.

In ganz seltenen Faellen können Patienten an einem Tag sogar nur die eine Sprache sprechen und am nächsten nur die andere. Wenn man eine Sprache nicht mehr sprechen kann, heißt dies aber nicht zwangsläufig, dass man sie auch nicht mehr verstehen kann. 

Wir können uns unser Gehirn wie einen Schrank vorstellen, in dem unterschiedliche Sachen liegen, sagt Lowit. Es gibt im Schrank einen Bereich für die Socken, wie es im Gehirn einen Bereich für die Sprache gibt.

Die Ansicht, dass Fremdsprache und Muttersprache in komplett anderen Gehirnregionen liegen, ist veraltet, sagt sie. Doch man kann es sich so vorstellen, als seien die Socken nach Farben sortiert. Eine Farbe stehe für eine Sprache.

Montags Englisch, dienstags Deutsch

Forscher versuchen schon seit langer Zeit diese verschiedenen Störungsbilder zu erklären. Vereinfacht gesagt, kann man sich vorstellen, das das Gehirn nach einem Schlaganfall nicht mehr genügend Energie hat, um alle vorherigen Verbindungen gleichzeitig und gleich schnell aufzubauen. Und je nachdem welche Impulse das Gehirn bekommt, ist es dann vielleicht einfacher, nur eine Sprache zu sprechen.

Wenn ein bilingualer Mensch, wie die Forscherin Lowit selbst, nach einem Schlaganfall an Aphasie leidet, könnte man die Theorie aufstellen, dass das Gehirn eher Verbindungen zu ihrer Muttersprache aufbauen könnte, weil sie diese zuerst gelernt habe. 

Eine andere Theorie wäre, dass es einfacher wäre, ihre zweite Sprache, Englisch, zu erreichen, weil sie diese in den vergangenen 30 Jahren viel häufiger gesprochen habe. Es könnte aber auch nach einem Schlaganfall dazu kommen, dass montags durch eine Person, ein Bild, einen Gedanken eher Englisch stimuliert wird und das Gehirn an dem Tag dabei bleibt, aber an einem anderen Tag die deutsche Sprache aktiviert wird.

Video ansehen 04:00 Teilen

Nach dem Schlaganfall – wie geht es weiter?

Versenden Facebook Twitter google+ Tumblr VZ Xing Newsvine Digg

Permalink https://p.dw.com/p/1JBaw

Nach dem Schlaganfall – wie geht es weiter?

Wird das wieder besser?

In den meisten Fälle von bilingualer Aphasie, kommen beide Sprachen wieder. Nach einem Schlaganfall sind zwar bestimmte Hirnregionen tot, doch je nach Alter, kann das Gehirn andere Areale dazu benutzen, die Aufgaben der toten Region mit zu übernehmen. Unterstützt werden sollte dies am besten durch eine Therapie, sagt Lowit. 

Vor allem auch beim Foreign Accent Syndrome, sei es wichtig in der Therapie mehrere Spezialisten aufzusuchen. Gerade eine psychologische Therapie kann wichtig sein, weil mit dem Verlust der eigenen Art zu sprechen oft auch eine Identitätskrise einhergeht. Die besten Therapiearten werden noch erforscht, es sei aber schwierig, weil die Fälle relativ selten seien.

Sprachstörungen im Alter könnten nicht nur bei einem Schlaganfall, sondern auch bei bestimmten Formen der Demenz auftreten, sodass das Finden von Wörtern, die Grammatik oder die Aussprache beeinträchtigt werden. Der Unterschied ist, dass beim Schlaganfall der Verlust erst sehr drastisch ist und es dann bergauf geht.

Bei der Demenz geht es oft schleichend bergab. In jedem Fall, sei es wichtig, einen oder mehrere Spezialisten aufzusuchen, die sich mit dem Thema auskennen, so Lowit.

Mehr dazu: Auf Schlaganfall folgt oft Demenz

 


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Ausdauersport treiben

    Leichter Ausdauersport ist ein ideales Mittel gegen Stress und dessen negative Auswirkungen. Bestens geeignet sind etwa Joggen oder Radfahren. Dadurch werden Stresshormone abgebaut, Herz und Kreislauf werden gestärkt. Selbst Menschen, die erschöpft sind, erleben Ausdauersport als wohltuend, zeigen Studien. Ungeeignet sind Leistungs- und Wettkampfsport, weil diese neuen Stress bewirken.


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Entspannungstechniken nutzen

    Entspannungsmethoden wie Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training sind wissenschaftlich gut erforscht. Auch für die Wirkung von Yoga und Meditation gibt es viele Belege. Diese Verfahren lösen Verspannungen und bauen die körperlich-emotionale Erregung ab. Sie machen belastbarer, gelassener und zufriedener. Entspannungstechniken können auch Soforthilfe in akuten Stresssituationen sein.


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Orte der Ruhe nutzen

    Die Stille ist eine wirksame Medizin gegen Stress. Die Nerven kommen zur Ruhe, Geist und Sinne können sich regenerieren. Gibt es in der Wohnung einen ruhigen Raum, sollte man den bewusst regelmäßig für 15 bis 20 Minuten aufsuchen. Auch in der Großstadt finden sich meistens Orte, an denen es ruhig ist. Ein Museum, eine Bibliothek, ein Gotteshaus. Man muss nur danach suchen!


  • Die besten Tipps gegen Stress

    In die Natur gehen

    Niederländische Forscher haben entdeckt: Die Farbe Grün entspannt uns und macht froh! Menschen, die einen Garten haben oder an einem Park wohnen, sind nachweislich psychisch gesünder als andere Stadtbewohner und haben auch weniger Kreislaufprobleme. Deshalb: regelmäßig ins Grüne gehen und dort bewusst den Duft wahrnehmen, das Rascheln der Blätter oder den Gesang der Vögel.


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Ruhige Phasen einplanen

    Regelmäßige Anti-Stress-Maßnahmen wie Joggen, Autogenes Training oder Parkbesuch am besten als wichtige Termine in den Kalender eintragen. Außerdem neigen Stadtmenschen dazu, ihre Freizeit mit Terminen vollzustopfen, weil man unbedingt die neue Ausstellung sehen oder mit der Freundin essen gehen muss. Wer sich gestresst fühlt, sollte solche Termine zugunsten der Erholung reduzieren.


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Aktive Pausen einlegen

    Geist und Körper brauchen immer wieder Gelegenheit zur Erholung. Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, bekommt Verspannungen, das Niveau der Stresshormone im Blut erreicht kritische Werte. Kurze schnelle Spaziergänge an der frischen Luft, bei denen man sich streckt und rekelt, können da Abhilfe schaffen. Man geht entspannter und ausgeglichener an den Arbeitsplatz zurück.


  • Die besten Tipps gegen Stress

    Ausreichend schlafen

    Die meisten schlafen zu wenig. Das Schlafbedürfnis ist sehr individuell, und diesen Bedarf muss man seinem Körper auch gönnen! Im Schlaf kann der Organismus wunderbar Stress abbauen. Wenn möglich, einen gut belüfteten Schlafplatz schaffen, von dem man Ruhestörungen – auch schnarchende Partner – fernhält.