FaceApp: Faltige Gesichter und geklaute Daten

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Alte Menschen, wo man hinschaut. Die “FaceApp” mit ihrer Alterungsfunktion sorgt gerade für einen Hype in den sozialen Medien. Doch Experten und Politiker warnen: Daten und Fotos könnten in die falschen Hände geraten.

Schon seit 2017 auf dem Markt, jetzt ein großer Erfolg: die “Faceapp”

Haare grau bis in die Spitzen, Falten so tief wie Schluchten und Haut, die der Erdanziehung nachgibt. Es ist ein Schicksal, das uns alle früher oder später einholt. Das Leben im hohen Alter ist etwas, das vor allem junge Menschen gerne ausblenden. Doch im Moment können es viele kaum erwarten, ihrem Körper beim Altern zuzusehen.

Ein Programm mit dem Namen “FaceApp” lässt Personen innerhalb von wenigen Sekunden um Jahrzehnte altern. Ein Foto und ein paar Klicks reichen. Die sozialen Netzwerke sind voll mit faltigen Gesichtern. Prominente weltweit machen mit und haben einen weltweiten Hype ausgelöst, an dem kaum noch jemand vorbei kommt. 

Virtueller Pony und Hipsterbart

Star-DJ David Guetta sieht plötzlich aus, als hätte er eine 60-jährige Karriere hinter sich. Die Boyband “Jonas Brothers” sieht sich gleich ins Jahr 3000 versetzt. Doch ein Selbstversuch zeigt: Nicht nur bei den Promis klappt die “FaceApp” erstaunlich gut. Mein Zukunfts-Ich hat eine erschreckende Ähnlichkeit zum eigenen Vater oder Großvater. Damit erspart die “FaceApp” gleichzeitig den Vaterschaftstest.

Ein Blick in die Zukunft? DW-Autor Patrick Große nach der Alterung in der “Faceapp”

Nachdem sich der erste Schreck gelegt hat, folgt der nächste: Die App ist ein gutes Beispiel dafür, wie gut sich Bilder heute schon unbemerkt manipulieren lassen. Hinter dem Programm steckt eine künstliche Intelligenz, die natürliche Vorgänge des Alterungsprozesses kennt und auf jedes Gesicht anwenden kann.   

Doch damit nicht genug: Wer sich gerne ein paar Jahre jünger zaubern, eine neue Frisur ausprobieren oder fehlenden Bartwuchs kaschieren möchte, kann das mit der “FaceApp” auch tun. Zunächst müssen sich Nutzer aber mit einem virtuellen Pony und einem Hipster-Bart begnügen. Größere Veränderungen verlangen größere Investitionen. Weitere Features, wie zum Beispiel einen Schnauzbart, gibt es nur im Abo für einmalig 44 Euro oder 20 Euro pro Jahr.  

Jünger, freundlicher, schöner: Die “Faceapp” hat viele Funktionen

Millionen Menschen auf der Welt scheinen Gefallen an den Funktionen der “FaceApp” gefunden zu haben. Für den russischen Entwickler “Wireless Lab” ist sie ein voller Erfolg. Weltweit steht die App auf dem ersten Platz der Downloadcharts bei Apple und Android. Aber der Erfolg kommt spät: Die App ist schon seit rund zwei Jahren auf dem Markt. Es scheint reiner Zufall zu sein, dass Prominente auf der ganzen Welt sie jetzt für sich entdeckt haben.

Rentnerfotos für Wladimir Putin?

Erst nachdem der Hype um die “FaceApp” die App-Stores und Social Media erreicht hatte, wurden erste kritische Stimmen laut. Das Unternehmen hinter der App, “Wireless Lab”, sitzt in Sankt Petersburg. Das erfährt man in den AGBs der App. Ansonsten ist nichts über die Firma bekannt. Bei einem genaueren Blick in die AGBs und die Datenschutzerklärung dürfte einem der Spaß an der App vergehen. Das Unternehmen sammelt nämlich nicht nur Daten der Nutzer, sondern speichert auch die Bilder ab. Kritiker befürchten, der russische Staat könnte sie für seine Zwecke nutzen. Doch was sollte Wladimir Putin anfangen mit Bildern von Millionen faltigen Menschen? 

Nichts, meint Unternehmenschef Jaroslaw Goncharow. Es würden nämlich nur die Ausgangsbilder der Nutzer hochgeladen und bearbeitet. Eigentlich wäre das auch in der App selbst möglich. Goncharow erklärt aber, dass sich die Performance der App durch das Hochladen der Bilder in eine Cloud verbessern würde. 

Die Server dafür würden nicht in Russland, sondern zum Beispiel in den USA, in Singapur oder Irland stehen und Amazon oder Google gehören. Außerdem würden die meisten Bilder innerhalb von 48 Stunden wieder gelöscht. Auch andere Metadaten sollen nicht an Dritte weitergegeben werden, außer an Werbepartner. Das ist durchaus nichts Neues, auch Facebook oder Google nutzen bekanntermaßen Daten im großen Stil oder geben sie weiter.

Die “gegnerische Macht”

Die Kritiker wollen den Aussagen des Unternehmenschefs aber nicht so recht trauen. Wichtige persönliche Daten könnten in die falschen Hände geraten, warnte Deutschlands oberster Datenschutzbeauftragter Ulrich Kelber. Die Nutzungsbedingungen seien zu “schwammig”.

Ein russisches Unternehmen, das Daten sammelt und Fotos speichert? In den USA klingeln da alle Alarmglocken. Seit Russland sich in die Präsidentschaftswahl 2016 eingemischt haben soll, ist die Politik vorgewarnt. Und so könnte sich bald auch das FBI mit der “FaceApp” beschäftigen.

Der demokratische Senator Chuck Schumer hat einen Brief an die Behörde geschrieben. Gemeinsam mit der Verbraucherschutzbehörde solle das FBI untersuchen, ob die Entwickler der App Daten von US-Bürgern an Dritte weitergeben. Es sei “zutiefst beunruhigend”, dass “eine gegnerische Macht, die Cyber-Vergehen gegen die USA verübt” persönliche Daten bekommen könnte. Wahlkämpfer im kommenden Rennen ums Weißen Haus sollten die App sofort löschen, drängten die Demokraten.

Vieles bleibt unklar

Nachdem sich die erste Welle der Empörung gelegt hatte, meldeten sich aber auch Experten, die vor übertriebener Panik warnten. Ein französischer Sicherheitsexperte, der das Pseudonym Elliot Alderson verwendet, hat überprüft, welche Daten die App im Hintergrund unbemerkt weitergibt. Tatsächlich würden nur die Fotos hochgeladen, die der Nutzer auswählt, sagte er dem “Guardian”. Zuvor kursierten Gerüchte in den sozialen Netzwerken, “FacAapp” würde alle Fotos, die auf dem Handy gespeichert sind, hochladen.

Ansonsten würde die App lediglich das Modell und die Seriennummer des Smartphones weitergeben – also Daten, die die meisten anderen Apps ebenfalls speichern, um die Nutzung zu analysieren. Die Angst vor der “FaceApp” sei lediglich dadurch entstanden, dass die zuständige Firma in Russland sitzt, meint der Experte aus Frankreich. Ob aber die Fotos der User im Hintergrund doch für andere Zwecke genutzt werden, ist weiterhin unklar. Genauso unklar, wie die Frage, ob die App unser Aussehen im hohen Alter annähernd voraussagen kann.