“Die Brennstoffzelle ist nicht abgemeldet”

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Viele Autobauer setzen künftig vor allem auf batteriegetriebene Elektroautos. Trotzdem führe kein Weg an der Brennstoffzellen-Technik vorbei, unterstreicht Brennstoffzellen-Forscher Detlef Stolten im DW-Interview.

Kann auch Wasserstoff aus einem externen Tank in Strom umwandeln: Brennstofzellen-Konzeptauto von Toyota

Deutsche Welle: Warum glauben Sie, dass die Brennstoffzelle noch längst nicht abgemeldet ist?

Detlef Stolten: Ich habe sie nie als abgemeldet gesehen. Die Brennstoffzelle hat einen sehr hohen Wirkungsgrad, gerade im Transportbereich. Sie erlaubt eine Speicherung von Energie, die einen über mehrere hundert Kilometer transportiert. Sie ist ökologisch sehr sinnvoll und sie verwendet darüber hinaus Wasserstoff, ein Speichermedium, das wir im Rahmen der Energiewende sowieso brauchen werden. Denn wir müssen den Strom aus erneuerbaren Energien speichern, weil seine Produktion schwankt und wir den Strom nicht direkt verbrauchen können.

Dieser Überschuss-Strom lässt sich aus Kostengründen langfristig nicht in Batterien speichern, aber in Gasen. Deswegen wird man sowieso Wasserstoff brauchen, auch für industrielle Prozesse. Und wenn der Wasserstoff in der Infrastruktur erst einmal hinreichend da ist, dann ist die Brennstoffzelle ein sehr geeignetes Aggregat, gerade für den Transportbereich.

Es gibt ja auch noch andere Vorteile: Ein Motor, der mit Brennstoffzellen betrieben wird, hält ungefähr so lange wie ein Verbrennungsmotor. Wie sieht es mit dem Preis aus, wann rechnen Sie damit, dass es einen marktfähigen Preis für Brennstoffzellen-Pkw gibt?

Saubere Mobilität und Problemlöser beim Speichern von grünem Strom: Für Detlef Stolten ist die Brennstoffzelle ein Mutlitalent

Es haben starke Verbesserungen stattgefunden. Seit den ersten Fahrzeugen ist die Leistungsdichte von Brennstoffzellen um den Faktor 10 gestiegen, der Katalysatorgehalt ist um den Faktor 10 gesunken und die Lebensdauer hat man von wenigen hundert Stunden auf die nötigen 5000 Stunden steigern können. Und all das wirkt sich natürlich stark auf den Preis aus. Auch wenn wir dazu keine detaillierte Berechnungen gemacht haben: Ich rechne damit, dass in den nächsten zehn Jahren Brennstoffzellen aus der Massenproduktion für Pkw wirtschaftlich sein werden.

Bei batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen fallen viele Fertigungssschritte weg. Es braucht viel viel weniger Komponenten bei Elektroantrieben, zum Beispiel Kupplungen und Getriebe sind nicht mehr nötig. Das heißt, Zulieferer werden Probleme haben, ihre Produkte weiter zu vermarkten, was auch Auswirkungen auf Jobs haben wird. Bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen sehen Sie dieses Problem nicht so sehr. Warum?

Brennstoffzellen sichern Fertigungstiefe deutscher Autohersteller 

Es ist geringer. Ich glaube durchaus, dass es auch dort eine Veränderung geben wird. Ein Getriebe mit sieben, acht oder neun Gängen braucht man dann nicht mehr. Bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen haben wir auch einen Elektromotor-Antrieb – die Brennstoffzelle liefert ja nur den Strom anstelle einer Batterie. Aber die Brennstoffzellen haben natürlich eine ganze Gaswirtschaft dahinter. Das ganze System ist auf der Herstellerseite der Fahrzeuge etwas “Verfahrenstechnik-lastiger”. Das heißt, es ist ein gewisser verfahrenstechnischer Aufwand in einem Brennstoffzellen-Fahrzeug nötig. Und ich glaube einfach, dass zwar Kostensenkungen in erheblichem Maße stattfinden werden, aber auch mehr an Geschäft überbleibt, um die Hersteller sinnvoll auszulasten.

Trotzdem werden auch bei der Brennstoffzelle die Wartungsintervalle sinken. Der Bremsverschleiß wird sinken, weil man rekuperativ bremst – das heißt, beim Bremsen wird Energie zurückgewonnen. Außerdem fallen Ölwechsel weg. Das sind viele Dinge, die zusätzlich für diese Technologie sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht sprechen.

Bei der Elektromobilität wird der größte Teil der Batterie-Herstellung mehr oder weniger von den Asiaten übernommen, Deutschland ist da ins Hintertreffen geraten. Wie stehen die Chancen für die Brennstoffzellen Technik?

Wir tun einfach nicht genug. Es wird sehr stark auf Batterie-Antrieb gesetzt – auch bei großen Autos, wo man eigentlich aus guten Gründen sehen kann, dass das wahrscheinlich nicht zielführend ist. Wir sind bereits technologisch gegenüber den Japanern und Koreanern ins Hintertreffen geraten.

Sie können Fahrzeuge aus Japan und Korea kaufen, die wirklich einen guten Alltagsbetrieb ermöglichen. Der ADAC hat in seinem Fahrbericht regelrecht über den Hyundai Nexo geschwärmt. In Deutschland haben wir keine Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die gleichwertiges liefern. Der einzige Hersteller, der momentan damit auf den Markt kommt, ist Daimler mit dem GLC F-CELL.

Hyundai, Toyota und Honda sind weltweit bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen führend. Wo stehen außer Daimler die deutschen Hersteller aus Ihrer Sicht? Haben die den Zug verpasst oder ist es noch möglich, einzusteigen?

Ob man einen Zug verpasst hat, kann man nur im nachhinein sagen. Man kann ja auch eine Fast Follower-Strategie verfolgen, wo man sehr stark aufholt. Ich finde es schlecht, jetzt zu sagen: ‘Wir haben den Zug verpasst und werfen die Flinte ins Korn.’ Aber ich glaube schon, dass wir große Anstrengungen machen müssen, um das wieder aufzuholen, was wir mal hatten. Deutschland war einmal mit Daimler im Bereich der Brennstoffzelle weltweit führend, zusammen mit General Motors. Auch die Amerikaner haben in meinen Augen komplett den Anschluss verpasst.

Busse und Nutzfahrzeuge müssen her

Was sollte in den nächsten zwei bis drei Jahren geschehen  um wieder den Anschluss zu bekommen?

Was ganz wichtig wäre, ist, dass

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Busse gegen schlechte Luft

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Busse gegen schlechte Luft

Busse mit Brennstoffzellen in den Markt gebracht werden. Da gibt es eine Nachfrage, die Betreiber finden aber keine deutschen Hersteller. Es gibt Brennstoffzellen-Busse von Solaris aus Polen und van Hool aus Belgien, die auch beide gut funktionieren. Beides sind aber kleine Unternehmen mit überschaubaren Stückzahlen. Mittlerweile ist der ökologische Druck so groß geworden, dass viele Betreiber auf Brennstoffzellen-Busse umsteigen würden, wenn sie es könnten. Wir werden immer wieder gefragt, ob man so etwas schon kaufen kann und ob das sinnvoll ist.

Wir haben momentan weltweit in der Relation der fahrenden Fahrzeuge zu den vorhandenen Wasserstoff-Tankstellen viel zu wenig Fahrzeuge. Kalifornien hat sehr viel mehr Fahrzeuge mit sehr viel weniger Tankstellen als wir. Und diese Quote ist bei uns sehr stark zu den Tankstellen hin verschoben, wir bräuchten jetzt die Fahrzeuge.

Wobei in Kalifornien hauptsächlich asiatische Brennstoffzellen Fahrzeuge unterwegs sind…

Das muss man dann der Entwicklung überlassen. Amerika hat große Autokonzerne. Die müssen das dann eben bauen oder sie sind irgendwann ‘raus. So ist Wirtschaft.

Weltweit sind nur Brennstoffzellen-Fahrzeuge im unteren fünfstelligen Bereich zugelassen, die Fahrzeuge sind mit Preisen ab rund 70.000 Euro noch immer sehr teuer. Was für Stückzahlen braucht es, damit dieser Trend in Gang kommt und dass es günstigere Modelle gibt, um Konsumenten dazu zu bewegen, auf solche Fahrzeuge umzusteigen?

Jetzt schon zu haben: Honda Clarity mit Brennstoffzellen-Antrieb

Bei Pkws sind Produktionszahlen von ungefähr 100.000 Stück pro Jahr etwas, wo eine Produktion wirtschaftlich wird und gut machbar ist. Das ist eine Zahl, die von den asiatischen Herstellern jetzt angestrebt wird. Hyundai strebt nach 9000 Pkws 2018 für dieses Jahr 50.000 an. Da kommt man immer stärker an die Wirtschaftlichkeit heran. Außerdem wird es Kosteneinsparungen geben, etwa durch technisch verbesserte und kostengünstigere Katalysatoren und eine immer bessere Hybridisierung, damit die Brennstoffzelle geschont wird und bei gleichem Fahrbetrieb eine längere Lebensdauer hat.

Ist eine Massenproduktion in den kommenden zehn Jahren erreichbar?

Das halte ich für äußerst wahrscheinlich. Ich glaube auch, dass man diese Technologie braucht, um große Mengen Strom aus erneuerbaren Energien zu speichern. Wir werden Wasserstoff haben, der über Pipelines, zum Teil umgerüstete Erdagsleitungen, verteilt werden kann.

Dazu existieren schon Projekte, wie ‘Get H2’. Das sind Pipeline-Stränge, die momentan oder in der nächsten Zeit nicht mehr gebraucht werden und für Wasserstoff umgerüstet und genutzt werden können. Damit könnte man Wasserstoff dann über große Strecken sehr einfach transportieren und eine flächendeckende Wasserstoff-Wirtschaft aufbauen.

Detlef Stolten leitet das Institut für Elektrochemische Verfahrenstechnik im Forschungszentrum Jülich und hat den Lehrstuhl für Brennstoffzellen an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen inne.

Das Interview führte Thomas Kohlmann