Gastkommentar: Familienunternehmen gegen IWF-Vorwurf

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Aus der Sicht des IWF sind Familienunternehmen mitverantwortlich für die zunehmende Ungleichheit in Deutschland. Der Chef der Stiftung Familienunternehmen, Brun-Hagen Hennerkes, findet: Das Gegenteil ist richtig.

Es lässt aufhorchen, wenn sich der Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Rolle der Familienunternehmen in Deutschland beschäftigt. Endlich, so möchte man meinen, erkennt auch der Währungsfonds, dass die weltweit tätigen Familienunternehmen in Deutschland maßgeblich zum Wohlstand beitragen. Überraschenderweise sieht der IWF jedoch wenig Licht und viel Schatten. Der Währungsfonds betrachtet die Stärke der großen deutschen Familienunternehmen als Hauptgrund für eine ungleiche Vermögensverteilung. In der Studie heißt es provozierend, in Deutschland liege das größte Vermögen in der Hand von “Industriedynastien”. Diese Aussage ist grob falsch. Die soziale Marktwirtschaft beweist das Gegenteil.

Es verunsichert, dass dem Währungsfonds wesentliche Erkenntnisse abhandengekommen sind. Es sind ja gerade die Familienunternehmen, die ungleiche Entwicklungen in vielfältiger Weise verhindern. Auf die Familienunternehmen entfallen in Deutschland knapp 60 Prozent aller Arbeitsplätze. Somit sind sie es, die dafür sorgen, dass Ungleichheit durch Arbeitslosigkeit weitgehend vermieden wird. Der Währungsfonds gab in der Vergangenheit mehrfach Anlass zu Verwunderung. Als die Bundesregierung in den Jahren nach der Finanzkrise den Staatshaushalt in Ordnung brachte, musste sich Berlin der Kritik des IWF erwehren. Aus Washington hieß es, Deutschland dürfe es mit dem Sparen nicht übertreiben. Auch die Erfolge unserer Exportunternehmen, die sich im deutschen Leistungsbilanzüberschuss widerspiegeln, stoßen beim IWF auf Unverständnis. Die aktuelle Analyse des IWF ist einseitig, unangemessen und fehlerhaft.

Brun-Hagen Hennerkes

Familienunternehmen wirken regionalem Gefälle entgegen

Der Währungsfonds verkennt, wie wichtig Familienunternehmen für das Land sind. Es sind die Familienunternehmen, die überall in Deutschland den Jobmotor am Laufen halten. Sie sind selten in großen Ballungszentren, sondern mehr in ländlichen Regionen tätig und wirken damit einem regionalen Gefälle entgegen. Trotz fortschreitender Globalisierung zahlen sie den Großteil ihrer Steuern im Heimatland.

Das Urteil des IWF, wenige große Familienunternehmen hielten die Fäden der deutschen Wirtschaft in der Hand, ist unsinnig. Es ist gerade die Vielfalt an Familienunternehmen, die für unseren Wohlstand sorgt und um die uns das Ausland beneidet. In Deutschland gibt es allein 1300 heimliche Weltmarktführer, die auf Nischenmärkten weltweit tätig sind. Die 500 größten Familienunternehmen, dazu zählen bekannte Namen wie die Schwarz-Gruppe, Oetker, Stihl und Kärcher, haben im vergangenen Jahrzehnt mehr Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen als die anonymen Dax-Unternehmen.  Während die TOP-500-Familienunternehmen die Zahl der Beschäftigten im Inland um 23 Prozent erhöhten, stieg bei besagten Dax-Konzernen im Streubesitz die Inlandsbeschäftigung nur um vier Prozent. 

Die vom IWF aufgeworfene Frage nach der Vermögenskonzentration muss im historischen Kontext betrachtet werden. Die deutschen Familienunternehmen sind so erfolgreich, weil sie langfristig und nachhaltig wirtschaften. Sie streben danach, das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Im Lauf der Zeit sind auf diese Weise große, international agierende Familienunternehmen entstanden – und damit auch große Vermögen. Das ist aber kein Nachteil, wie der IWF fälschlicherweise glaubt, sondern dies sichert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Denn diese Vermögen sind produktiv im Unternehmen gebunden.

Stabilitätsfaktor auch in Krisenzeiten

Für Familienunternehmen ist es typisch, dass sie Gewinne wieder investieren. Der im vergangenen Jahr verstorbene langjährige Trumpf-Chef Berthold Leibinger hat einmal gesagt: “Ich war immer der Meinung, dass die erarbeitenden Gewinne zuerst dem Unternehmen zur Verfügung stehen müssen.” Nach dieser Maxime verfahren die meisten Familienunternehmen. Das bedeutet mehr Investitionen und Arbeitsplätze. Die starke Substanz der Familienunternehmen hat nachweislich geholfen, Krisenzeiten ohne Massenentlassungen zu überstehen. Es wäre fahrlässig, das ändern zu wollen.

Die wirtschaftspolitischen Ratschläge, die der IWF der Politik erteilt, überzeugen in keiner Weise. Der Währungsfonds empfiehlt, Vermögen stärker zu besteuern und regt insbesondere höhere Erbschaftsteuern an. Dabei ignoriert der IWF völlig, dass Deutschland längst ein Höchststeuerland geworden ist. Seit der letzten Unternehmenssteuerreform sind elf Jahre vergangen. Im Steuerwettbewerb fällt Deutschland immer weiter zurück. In dieser Situation höhere Erbschaftsteuern zu fordern, ist unverantwortlich. Seit der Erbschaftsteuerreform 2016 ist die Übergabe des betrieblichen Vermögens an die nächste Generation mit erheblichen Belastungen verbunden. Das beweist das steigende Erbschaftsteueraufkommen. Neue Belastungen wären Gift für unser Land.

Die Analyse des IWF übersieht, dass Deutschland bei der Einkommensverteilung gut abschneidet. Staaten mit hoher Substanzbesteuerung und einem hohen Anteil börsennotierter Unternehmen sind uns jedenfalls nicht überlegen. Misst man die Einkommensungleichheit, dann steht Deutschland besser da als die übrigen G-7-Staaten USA, Großbritannien, Frankreich Italien, Japan und Kanada. Zu Alarmismus besteht jedenfalls keinerlei Anlass.


  • Unternehmen mit Geschichte

    The Coatinc Company Holding GmbH

    Erst in diesem Frühjahr wurde bekannt: The Coatinc Company ist das älteste Familienunternehmen Deutschlands. Wirtschaftshistoriker prüften entsprechende Dokumente der Firma und bestätigten 1502 als Jahr der Gründung. Der Anfang war lediglich eine Schmiede in Siegen. Dem Stammsitz ist die Verzinkerei bis heute treu geblieben.


  • Unternehmen mit Geschichte

    William Prym Holding GmbH & Co. KG

    Prym, gegründet 1530, galt bis dahin als ältestes Familienunternehmen Deutschlands. Nun muss sich das Unternehmen mit dem zweiten Platz begnügen. Während Anfangs die Produktion von Walzmaterial und Drähten priorisiert wurde, setzte sich 1903 die Produktion von Nähutensilien und Druckknöpfen durch. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 3300 Mitarbeiter und setzte 2018 rund 382 Millionen Euro um.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Wiegand-Glas GmbH

    Wiegand-Glas entstand 1570 aus einer bescheidenen Glasproduktionsstätte in der Rhön. Obwohl die Glasherstellung seit eh und je Schwerpunkt der Firma ist, wurde 1997 beschlossen, die Produktion auf PET-Behälter auszuweiten. Heute zählt Wiegand-Glas mit seinen 1800 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz 2018 von 486 Millionen Euro zu den Top drei der Behälterglashersteller Deutschlands.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Berenberg, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG

    Seit dem 16. Jahrhundert sind in Deutschland Unternehmen im Bankgeschäft tätig. So auch die Berenberg Bank, die 1590 in Hamburg gegründet wurde und somit die zweitälteste Bank der Welt ist nach der italienischen Monte dei Paschi di Siena. 1640 Mitarbeiter erwirtschafteten in der Vermögensverwaltung, dem Investment- und Corporate Banking 2018 einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Friedr. Schwarze GmbH & Co. KG

    Schon 1664 wird Schwarze als Kornbrennerei urkundlich erwähnt. Die Brennerei, die unter dem Namen Schwarze und Schlichte ihre Ware vertreibt, verfügt über ein diverses Sortiment an Spirituosenmarken. Das verhilft der Firma, sich erfolgreich auf dem Spirituosenmarkt zu behaupten. Schwarze und Schlichte beschäftigt 100 Mitarbeiter und konnte 2018 rund 47 Millionen Euro Umsatz erzielen.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Merck KGaA

    Die 1668 in Darmstadt als Apotheke gegründete Firma Merck ist das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Für Verwirrung sorgt manchmal der gleichnamige US-Konzern Merck & Co., der bis 1917 noch Teil des deutschen Unternehmens war. Obwohl die US-Firma um einiges grösser ist, nahm der deutsche Arm 2018 knapp 15 Milliarden Euro ein. Weltweit hat Merck 51.700 Mitarbeiter.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Lukas Meindl GmbH & Co. KG

    Das Unternehmen Meindl entstand 1683, als Petrus Meindl eine der ersten Schuhmachereien in Kirchanschöring (Oberbayern) eröffnete. Seither führen die nachfolgenden Generationen das Geschäft erfolgreich fort. Mit 200 Mitarbeitern und einer Produktionsstätte im Heimatort bietet das Familienunternehmen seine Auswahl an Wanderschuhen und Ledermode deutschlandweit an.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Harry Brot GmbH

    Eine einfache Bäckerei bei Hamburg war 1688 der Ursprung der Großbäckerei Harry, dessen Angebot an Brot flächendeckend in Ost-, West- und Norddeutschland gekauft werden kann. Über Jahre hinweg wurde fleißig in die Modernisierung des Betriebs investiert. So produziert die Bäckerei heute an neun Standorten, beschäftigt 4375 Mitarbeiter und kam 2018 auf einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro.


  • Unternehmen mit Geschichte

    Villeroy & Boch AG

    Das Keramikunternehmen Villeroy & Boch wurde 1748 in einem lothringischen Dorf vom Eisengießer François Boch gegründet. Aus einer Firma, die Anfangs ausschließlich Porzellangeschirr produzierte, wurde im Verlauf von 270 Jahren ein führendes Unternehmen in den Bereichen Bad, Wellness und Tischkultur. Es hat heute 7500 Mitarbeiter weltweit und erzielte 2018 einen Umsatz von 835 Millionen Euro.


  • Unternehmen mit Geschichte

    S. Siedle & Söhne OHG

    Das Familienunternehmen Siedle, das heute für seine Gebäudekommunikationstechnik bekannt ist, war im Gründungsjahr 1750 noch eine Gießerei. 1887 wandte sich das Unternehmen der Telefonie zu, woraus Anfang des 20. Jahrhunderts die Spezialisierung auf Gebäudekommunikation entstand. Die ehemalige Gießerei erwirtschaftete 2018 mit 550 Mitarbeiter einen Umsatz von 88 Millionen Euro.

    Autorin/Autor: Catherine Delilkhan


Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Brun-Hagen Hennerkes ist Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen.
 

Der Beitrag erschien zuerst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 15.07.2019