Synchronsprecher: Stimmen Hollywoods in Deutschland

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Ob Robert de Niro, Angelina Jolie oder Bruce Willis – ihre deutschen Synchronstimmen sind voller Charakter – und bundesweit bekannt. Dafür bekamen die besten Sprecher in Berlin den deutschen Synchronpreis.

Schauspielerin Claudia Urbschat-Mingues ist die deutsche Stimme von Hollywoodstar Angelina Jolie

Die Deutschen haben es nicht es nicht so mit Untertiteln. Der größte Teil der ausländischen Filme werden für Kino und Fernsehen deutsch nachsynchronisiert. Ob Zuschauer das mögen oder nicht – Geschmackssache! Aber die Synchronisierungslust der Deutschen hat eine ganze Generation von Sprechern hervorgebracht, deren Stimmen in ganz Deutschland bekannt und beliebt sind.

Gehuldigt wurde diesen Stimmen am Donnerstag (23.5.2019) in Berlin. Ohne roten Teppich und Blitzlichtgewitter, aber mit Smoking und edlen Roben. Im Tipi am Kanzleramt wurde der Deutsche Synchronpreis verliehen. Und sie kamen alle: die Stimmen von Robert DeNiro, Cameron Diaz, Lady Gaga, Bradley Cooper und Robert Duvall.

Legende: Sprecher Christian Brückner (Mitte) ist die Snychronstimme von Robert DeNiro

Hier wird eine verborgene Kunstform gefeiert. “Alle sagen, sie sähen lieber die Originalversionen, aber in Wirklichkeit sehen 90% der Deutschen synchronisierte Filme”, sagt Moderatorin Gayle Tufts unter Applaus. So werden auch Synchronsprecher zu Stars, wie etwa Schauspieler Christian Brückner, der seit über 30 Jahren Robert de Niro seine unverwechselbare Stimme leiht.

Synchronisation als Zensur

Nun verhält es sich nicht so, dass die Deutschen ein Fremdsprachendefizit hätten: 2016 gaben bei einer Eurostat-Umfrage mehr als 78% der 25- bis 64-jährigen Deutschen an, eine oder mehr Fremdsprachen zu beherrschen. Warum also diese Lust am synchronisierten Film?

Das rein deutschsprachige Kino entstand in der Nazizeit der 1930er Jahre. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels wollte damit alle ausländischen Filmproduktionen kontrollieren, um jederzeit Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung des Films und die Dialoge zu haben.

Diese Praxis setzte sich nach 1945 bis weit in die 1950er Jahre fort. Ausländische Filme, die in Deutschland ins Kino kommen sollten, durchliefen vorher eine Textkontrolle durch die Synchronstudios, die die Dialoge mit deutschen Sprechern nach-synchronisierten. “Nach dem Krieg wurden die Drehbücher manchmal auch geändert, um weniger über die deutsche Vergangenheit zu berichten”, erklärt Tobias Jahn, Aufnahmeleiter bei der Berliner Synchron GmbH, einem der ältesten und größten deutschen Synchronunternehmen.

Zensur in Bild und Synchronspur: erst 1975 bekamen deutsche Zuschauer das nazikritische Original von Casablanca zu sehen

Ein Beispiel: Der Filmklassiker Casablanca. Bei dem 1942 in den USA veröffentlichten Original war der Ort des Geschehens ein Lager voll von Flüchtlingen aus dem Nazi-besetzten Europa. Als der Film 1952 in Deutschland erschien, war es nicht nur um 25 Minuten (die Hinweise auf den Zweiten Weltkrieg enthielten) gekürzt: auch aus dem antifaschistischen tschechoslowakischen Widerstandskämpfer, der vor den Nazis floh, war – per Synchronspur – ein schwedischer Wissenschaftler geworden, der vor Interpol auf der Flucht war.

Nach Ende des Kalten Krieges wurde die Auseinandersetzung des Deutschen Kinos mit der nationalen Vergangenheit offener geführt. Die heutigen Filme stellen sich der Geschichte. Natürlich ist auch der Vergleich einfacher geworden, da der Zugang zu den Originalversionen eigentlich immer gegeben ist. Änderungen beim Synchrontext können schnell identifiziert werden.

Begehrte Trophäe: Der Deutsche Synchronpreis

Aber trotzdem könne die Synchronisierung immer noch viel am Drehbuch verändern, gibt Übersetzerin Lisa Voigt zu bedenken, die deutsche Untertitelungen und Übersetzungen verantwortet. “Synchronfassungen können vom Original schon deutlich abweichen”, sagt sie, “Untertitel hingegen müssen den direkten Vergleich aushalten. Besonders bei englischsprachigen Filmen, die das deutsche Publikum meist recht gut versteht.”

Auf die Lippenbewegung genau

Die Synchronsprecherszene ist stolz darauf, größte Akuratesse bei dem Einhalten der Lippenbewegungen zu üben. Manchmal fällt dem sogar der originale Wortwitz zum Opfer. Während die Synchronfassungen auf Textebene von den Autoren zugunsten Länge und Betonung bearbeitet werden, gestalten die Synchronsprecher die Texte während der Studioaufnahmen noch weiter. Am Ende steht ein Kompromiss.

Schauspieler und Sprecher Jörn Linnenbröker beim Deutschen Synchronpreis 2019

„Manchmal muss man eine Entscheidung treffen, um möglichst originalgetreu zu bleiben“, sagt Schauspieler und Sprecher Jörn Linnenbröker, der Serien wie Mr. Robot und Unbreakable Kimmy Smith synchronisierte und zuletzt als Adam Levine in Isn’t it romantic zu hören war.

“Manchmal stimmt ein Ton aber nicht mit der Mundbewegung überein, die der genauen Übersetzung entspricht. Dann wird die Übersetzung ein wenig geändert, damit es gut aussieht. Natürlich wollen wir so nah wie möglich am Original sein, aber gut aussehen muss es auch. Das ist der Konflikt.”

Alle Gewinner und Laudatoren beim Deutschen Synchronpreis 2019

Hinter einer synchronisierten Filmfassung steht immer der Effort vieler Menschen, die in einem sehr engem Zeitrahmen konzentriert arbeiten, um den Film nahe am internationalen Kinostart fertig zu haben.

An diesem Abend in Berlin wird diese unsichtbare Arbeit gefeiert. Die vielen Stimmen, die die Synchronfassungen von “The Death of Stalin”, “A Star is Born” oder “Game of Thrones” gestaltet haben, bekommen hier ihre eigene Bühne.