Kampf gegen sexualisierte Gewalt

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Der UN-Sicherheitsrat befasst sich auf deutsche Initiative hin mit dem Komplex sexuelle Gewalt in Konflikten. Deutschland selbst hat einen entsprechenden Aktionsplan zu deren Eindämmung vorgelegt.

Entführte Chibok-Mädchen nach ihrer Freilassung

43 Mädchen entführt und vergewaltigt in Nordost-Nigeria; Genitalverstümmelung in Tansania; Jungfräulichkeitstests in derzeit über 20 Ländern: Das sind nur einige der Missstände, gegen die die Vereinten Nationen in der Resolution 1325 vorgehen wollen – und die die Bundesrepublik ganz besonders unterstützen will.

Deutschland, heißt es auf der Webseite des Auswärtigen Amts, gehöre der “Freundesgruppe der Resolution 1325” bei den Vereinten Nationen an, in der Informationen zur Umsetzung ausgetauscht und gemeinsame Positionen und Initiativen abgestimmt werden können. “Die Bundesregierung begreift die Umsetzung der Resolution 1325 als Querschnittsthema, das bei Entscheidungen, Aktivitäten und Projekten ihrer Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik berücksichtigt wird.”

Auf deutsche Initiative hin befasst sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen jetzt in einer offenen Debatte mit dem Komplex sexuelle Gewalt in Konflikten.

Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung zu Beginn ihrer zweijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat einen eigenen Aktionsplan vorgelegt, in dem sie ihre Schritte zur Umsetzung der Resolution 1325 im Zeitraum 2017-2020 beschreibt.

Recht auf körperliche Unversehrtheit. Ein Protestschild gegen Genitalverstümmelung in Uganda

Frauen nicht nur als Opfer sehen

Allerdings versteht die Bundesregierung Frauen nicht nur als Opfer von Krieg und Gewalt. Eine solche Auffassung greife zu kurz, heißt es in dem Aktionsplan. “Denn tatsächlich treten Frauen in Konflikten nicht nur als Opfer in Erscheinung. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Friedensschaffung, dem Wiederaufbau und der Transformation von Gesellschaften nach einem Konflikt. Die Potenziale von Frauen bei der Schaffung von Frieden und Sicherheit werden jedoch oft vernachlässigt.”

Frauen, so heißt es in dem Papier weiter, könnten entscheidend dazu beitragen, dass Krisen und bewaffnete Konflikte gar nicht erst entstünden, oder dass nach der Beendigung von Konflikten ihr Wiederaufflammen verhindert werde. “Auch bei humanitären, stabilisierenden und entwicklungspolitischen Maßnahmen ist die systematische Einbeziehung der Geschlechterperspektive von zentraler Bedeutung.”

Vorrang für Prävention

Der Aktionsplan 2017–2020 greift in leicht veränderter Form Ansätze und Themenschwerpunkte auf, die bereits in dem vorhergehenden Plan der Jahre 2013-2016 verfolgt wurden. Dieser umfasste insgesamt sechs zentrale Schritte: den Aufbau einer gendersensiblen Krisenprävention sowie Förderung der gleichberechtigten Teilhabe und Mitwirkung von Frauen; die Einführung einer umfassenden Genderperspektive in die Vorbereitung und Fortbildung von Einsatzkräften der Bundeswehr und Bundespolizei; die aktive Beteiligung von Frauen in allen Phasen der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung; Maßnahmen zum Schutz von leicht verletzlichen Gruppen und Opfern sexualisierter und anderer Formen geschlechterspezifischer Gewalt; Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen beim Wiederaufbau von Nachkonfliktgesellschaften wie auch die Betreuung von traumatisierten Opfergruppen; und schließlich die Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit und eine Beendigung von Straflosigkeit in Zusammenhang mit sexualisierten Gewaltverbrechen sowie systematischen Verletzungen der Rechte insbesondere von Frauen und Mädchen.

Auch in Europa ein Problem: Gewalt gegen Frauen. Ein Protest-Kunstwerk in Dublin, November 2018

Stärkung der Zivilgesellschaft

Besonders will die Bundesregierung in dem neuen Plan auch Akteure der Zivilgesellschaft stärken: “Vor dem Hintergrund einer weltweit zunehmenden Reduzierung des Handlungsspielraums für die Zivilgesellschaft in vielen Staaten (“shrinking spaces”) gewinnt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht nur in Deutschland, sondern auch auf bilateraler und multilateraler Ebene noch stärker an Bedeutung”, heißt es in dem Aktionsplan.Die deutsche Initiative entspricht ganz dem Anliegen der Europäischen Union, die sich ebenfalls für die Rechte und Stärkung der Frauen einsetzt. Wie dringend das Anliegen ist, erläuterte im Oktober 2018 Mara Marinaki, die Botschafterin und Hauptberaterin der Europäischen Union für Frauen, Frieden und Sicherheit, im UN-Sicherheitsrat.

“Die EU fördert als weltweit führende Kraft und VN-Partnerin bei der vollständigen Umsetzung der Agenda für Frieden und Sicherheit der Frauen konsequent die Gleichstellung der Geschlechter, die Stärkung der Rolle der Frauen und die Rechte der Frauen in unserem auswärtigen Handeln, da sie im Mittelpunkt unserer europäischen Werte stehen”, so Marinaki. Investitionen in die wirtschaftliche Stärkung von Frauen seien nicht nur eine Frage der Fairness, so Marinaki weiter. “Die wirtschaftlichen und unternehmerischen Vorteile der Stärkung von Frauen sind beträchtlich. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine Voraussetzung für Frieden, Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit, die sich alle positiv auf unsere globale, regionale und nationale Wirtschaft auswirken.”

Gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt: die Schauspielerin Angelina Jolie und der deutsche Außenminister Heiko Maas

Maas und Jolie ziehen an einem Strang

Vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats riefen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und die US-Schauspielerin Angelina Jolie in der “Washington Post” gemeinsam zu einem entschlossenen Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch in Krisengebieten auf. “Vergewaltigung und andere Formen der sexuellen Gewalt werden als Kriegs- und Terrortaktik in Konflikten weltweit eingesetzt”, so Maas und Jolie in einem Gastbeitrag für die Zeitung. Zwar gebe es erste internationale Bemühungen, die Verbrecher zu Verantwortung zu ziehen, Straffreiheit bleibe aber die Norm.

Angelina Jolie kämpft seit Jahren gegen sexuelle Gewalt in Krisengebieten und arbeitete dazu auch mit dem früheren britischen Außenminister William Hague zusammen. Für die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR ist sie seit vielen Jahren tätig und wurde 2012 zur Sonderbotschafterin ernannt.

Maas und Jolie fordern zudem, Sexualstraftäter konsequent zur Verantwortung zu ziehen. Dabei spielten auch internationale Justizsysteme eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus brauche es eine bessere Kontrolle in den Krisenregionen. “Resolutionen des UN-Sicherheitsrates bleiben bloß Papier, wenn wir die Regelbefolgung nicht sicherstellen”, mahnen sie. Zudem brauche es eine bessere Unterstützung der Überlebenden von sexueller Gewalt.

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Eine App gegen sexuelle Gewalt in Indien

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