Musikalisches Gipfeltreffen in Sankt Petersburg

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„Vier Ensembles, zwei Sprachen – eine Leidenschaft“: 170 junge deutsche und russische Musiker treten als Frühlingsboten im politischen Dauerwinter auf. Das Programm: eine Tour de Force durch 100 Jahre Musikgeschichte.

Organisatorisch gesehen ist es ein Mammutprojekt, das alle Beteiligten über Jahre hinweg an die Grenzen ihrer Kapazitäten getrieben hat: Am Mittwoch, dem 24. April 2019 steht auf der Bühne des Sankt Petersburger Konzertsaals “Kapelle” ein 170-köpfiges deutsch-russisches Ensemble, zusammengesetzt aus Musikerinnen und Musikern des Jungen Ensembles Berlin und den Sängerinnen und Sängern dreier Chöre: denen des Rimski-Korsakov-Konservatoriums Sankt Petersburg, der Musikhochschule Freiburg und des Europachores Berlin. 

Begegnung auf menschlicher und musikalischer Ebene

Programmatisch ist jedoch ein Qualitätsprodukt entstanden, eine Art Tour de Force durch ein Jahrhundert deutscher und russischer Musik, von Robert Schumanns “Requiem für Mignon” (1849) über Peter Tschaikowskis Jugendwerk “Romeo und Julia” (1869) und dem fast gleichzeitig, um 1869, entstandenen “Schicksalslied” von Johannes Brahms bis hin zu Igor Stravinskys avantgardistisch-erhabener “Psalmensymphonie” von 1930.

Angehende Profis: Chor des Rimski-Korsakov-Konservatoriums (mit dem Chormeister Walerij Uspenskij)

Im Gegensatz zu vielen anderen Musikprojekten mit russischer Beteiligung, die, wie die deutsch-russische Musikakademie oder die gerade in Deutschland stattfindenden “Russischen Saisons”, von höchster Ebene in Russland initiiert sind, ist dieses Projekt ein Solitär: Es entstand dank der Initiative und dem organisatorischen Fleiß junger Musiker beider Länder.

Am Anfang waren da alte Kontakte eines der Dirigenten – Frank Markowitsch, dem künstlerischen Leiter des Europachores und des Freiburger Hochschulchores – nach Sankt Petersburg. Das städtische Rimski-Korsakov-Konservatorium, die älteste Musikhochschule Russlands, ist traditionell offen für internationale Kontakte ost- wie westwärts, so war das exzellente Konservatoriumsorchester 2008 Partner des Campus-Projektes der Deutschen Welle und des Beethovenfestes.

“Aus Leidenschaft und Überzeugung”

Fast drei Jahre lang haben die jungen Menschen aus Russland und Deutschland an dem Projekt gearbeitet. “Die Zahl der Mails, Telefonate, Treffen und Arbeitsgruppensitzungen ist nicht zu beziffern”, gibt einer der Initiatoren, Moritz Giesinger vom “Jungen Ensemble”, zu. Was war die Motivation für den jungen Berliner? “Es waren mehrere Faktoren: zum einen der Wunsch, gemeinsam Musik zu machen, denn wir machen Musik aus Leidenschaft und Überzeugung. Zum anderen wollten wir durch diesen Austausch auch eine Annäherung an Russland und die großartige russische Kultur erzeugen.”

Musikalische Kontaktpflege: Dirigent Michael Riedel

“Natürlich war da eine Neugier auf das russische Repertoire und die Interpretationsweise”, stimmt ihm Michael Riedel zu. Der Dirigent leitet das Junge Ensemble Berlin, eine Formation, die junge Profis und ambitionierte Laien vereint. “Erstmal war es aber ein Anliegen, deutsch-russische Kontakte zu pflegen.”

Ein kühler politischer Gegenwind war deutlich spürbar, etwa bei der Akquise von Sponsoren und Unterstützern. Auch Elke Büdenbender, die Ehefrau des Bundespräsidenten, zögerte erst, so Michael Riedel, als sie als Patin des Projektes angefragt wurde, “sagte dann aber umso entschiedener ihre Unterstützung zu” und steuerte auch ein Grußwort bei. Darin spricht die Projektpatin vom Zusammenhalt in bewegten Zeiten: “Dieser Austausch betrifft in diesem Fall vielleicht nur diese Musiker, aber wo sollen wir anfangen, wenn nicht im Kleinen, direkt bei uns?”