Deutsche und Commerzbank: Vorentscheidung naht

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Kommen die beiden größten deutschen Privatbanken zusammen oder nicht? Kurz vor oder nach Ostern könnte eine Vorentscheidung fallen. Es gibt aber noch eine Menge ungelöster Fragen.

Noch immer sitzt den Deutschbankern der Schrecken jenes Herbstes im Jahr 2016 in den Gliedern. Damals stand eine Milliarden-Strafandrohung aus den USA im Raum, von 14 Milliarden Dollar war die Rede, wegen ihrer krummen Geschäfte im Vorfeld der großen Weltfinanzkrise. Das hätte, wäre es bei dieser Summe geblieben, die Deutsche Bank in den Ruin getrieben. Am Ende blieben sieben Milliarden Strafe übrig – und offenbar begann die deutsche Regierung sich damals Gedanken zu machen, wie man einen Zusammenbruch von Deutschlands Geldhaus Nummer Eins auf Dauer verhindern könnte.

Auch wenn die Politik jegliche Einflussnahme weit von sich weist, so gibt es genügend Anzeichen dafür, dass es der mehr oder weniger sanfte Druck aus Berlin war, der dafür gesorgt hat, dass seit nunmehr vier Wochen die Deutsche und die Commerzbank “offiziell” miteinander über einen Zusammenschluss sprechen. Treibende Kraft hinter den Fusionsgesprächen ist der Finanzstaatssekretär Jörg Kukies.

Der frühere Deutschland-Chef der US-Investmentbank Goldman Sachs steht seit gut einem Jahr in Diensten des Bundesfinanzministeriums und hat sich schon 2018 mehrfach mit Vertretern der Deutschen Bank getroffen. Pikant daran: Goldman Sachs berät Finanzkreisen zufolge die Commerzbank in den Fusionsgesprächen. Und noch immer besitzt die Bundesregierung 15 Prozent der Anteile an der zweitgrößten deutschen Bank.

Jörg Kukies im Jahr 2017 auf dem Okotoberfest, damals noch Deutschland-Chef von Goldman Sachs

Die Risiken in den Büchern

So oder so wird seit vier Wochen zwischen beiden Geldhäusern verhandelt, es werden Daten ausgetauscht und geprüft. Offiziell dringt praktisch nichts nach außen, Spekulationen und Berichte von “Insidern” oder “Personen mit Kenntnis der Vorgänge” aber befeuern beinahe täglich die Gerüchteküche. Nach allem, was man hören und lesen kann, ist völlig offen, ob es zu einer “vertieften Verhandlung” über eine Fusion beider Häuser kommt. Dann erst nämlich müssen die wirklich harten Fakten auf den Tisch, sprich: Sämtliche Risiken, die in den Büchern schlummern.

Das sind bei der Deutschen Bank vor allem extrem komplexe Derivate: Finanzwetten auf Zinsen und Währungen im Buchwert von sage und schreibe 42 Billionen Euro (das ist das 15fache der deutschen Wirtschaftsleistung). Auch wenn das tatsächliche Risiko deutlich kleiner ist als diese Megasumme, reicht der Marktwert dieser Derivate bei einem Ausfall immer noch aus, die Deutsche Bank gehörig in Gefahr zu bringen.

Ähnlich ist es bei der Commerzbank, die vor allem massiv in italienische Staatsanleihen investiert hat. Die Bestände machen 43 Prozent des harten Eigenkapitals aus – und bei der dramatisch hohen Gesamtverschuldung und der gleichzeitig schlechten wirtschaftlichen Lage Italiens sorgt das immer wieder für Nervosität bei Anlegern.

Knapp bei Kasse

Ähnlich unklar ist die Finanzierung eines Deals: Inzwischen gehen Beobachter davon aus, dass es, wenn überhaupt, zu einem Verkauf der Commerzbank an die Deutsche Bank kommen würde. Doch weil auch die Deutsche nicht mal eben die geschätzt nötigen neun Milliarden für den Kaufpreis flüssig hat, stünde hier womöglich eine erneute Kapitalerhöhung im Raum, sprich: Die Ausgabe neuer Aktien. Das aber dürfte die Aktionäre der Bank überhaupt nicht erfreuen. Denn es verwässert den ohnehin schon schwachen Aktienkurs noch weiter – und außerdem mussten die Aktionäre in den vergangenen zehn Jahren schon mehrfach in die Bresche springen mit mittlerweile 33 Milliarden Euro. Gebracht hat es nichts.

Sollte es am Ende aber doch zu einem Deal kommen, wäre das neue Geldhaus zumindest auf den ersten Blick ein Riese: Mit 38 Millionen Privat- und Firmenkunden, mit 140.000 Mitarbeitern, 2400 Filialen in Deutschland, einer Bilanzsumme von zwei Billionen Euro und einem Marktanteil von 20 Prozent. Allein: Im internationalen Maßstab ist der vermeintliche Riese am Ende auch nur wieder ein Zwerg.

Konkurrenz reibt sich schon die Hände

Zumal vor allem auf der personellen Seite ein Kahlschlag droht: Von 30.000 Stellen ist die Rede, die gefährdet sind. Aber auch dieser Abbau würde zunächst vor allem Geld kosten. Und die Gewerkschaften haben schon erbitterten Widerstand angekündigt. Der Chef des Commerzbank-Betriebsrates sieht die 49.000 Mitarbeiter in einer “Abwehrschlacht” gegen den Zusammenschluss, wie ihn die Financial Times zitierte.

Es bleiben also noch sehr viele Fragen offen. Auch beim Zeitplan: Die Commerzbank drücke aufs Tempo, so ist zu hören, und wolle eine Vorentscheidung am liebsten noch vor Ostern. Die Deutsche Bank, so hatte es Aufsichtsratschef Paul Achleitner gesagt, will im Rahmen ihrer Quartalszahlen-Vorlage am 26. April mitteilen, ob und wie es weitergehen soll. So oder so: Wenn überhaupt, dann würde es eher eine Zweckverbindung als eine Traumhochzeit.

Die Konkurrenz reibt sich jedenfalls schon die Hände, da die neue deutsche Großbank auf Jahre vor allem mit sich selbst beschäftigt wäre. Dem Chef der Direktbank ING (mit knapp acht Millionen Kunden die drittgrößte Privatkundenbank Deutschlands), Nick Jue, ist jedenfalls nicht bange: “Wenn das wirklich passiert, sind wir die zweitgrößte Bank in Deutschland. Normalerweise profitieren wir von der Unruhe anderer Kunden.”