“Direkt getroffen” – Schlagzeilen in Israel

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Unweit von Tel Aviv ist eine Rakete in ein israelisches Familienhaus eingeschlagen. Diese Nachricht dominiert die Medien in Israel – und die Frage: Wie wird die Armee reagieren? Aus Tel Aviv Sarah Hofmann.

Luftbilder zeigen ein völlig zerstörtes Familienhaus, getroffen – so erklären die Untertitel – von einer Rakete, die aus dem Gazastreifen kam.

Die User von “Ynet”, einer der meist aufgerufenen israelischen Nachrichtenseiten, können sich durch weitere Bilder klicken: Nahaufnahmen von Hilfskräften inmitten von Schutt und Asche, halb eingestürzte, von Rissen überzogene Wände, herausgebrochene Fensterrahmen. Auf einer Matratze liegen riesige Betonbrocken, daneben ein Beistellbettchen für Babies.

Ähnliche Bilder sind auch Aufmacher anderer Onlinemedien aus Israel. Die linksgerichtete Zeitung “Haaretz” zeigt eine blau-gelb-rote Kinderschaukel vor grauem Schutt. Und bei “Walla”, einer der größten israelischen Medienkonzerne, sieht man ballerinahafte Mädchenschuhe inmitten von Glassplittern.

Auch die “Jerusalem Post” zeigt das Foto mit den Mädchenschuhen

Die Überschriften dazu lauten: “Gaza Rakete trifft Haus in Zentralisrael. Die Armee bereitet sich darauf vor, Tausende in Einsatz zu schicken” (“Haaretz”). Oder: Israels Armee “macht Hamas für Rakete verantwortlich. Reservisten werden einberufen und Truppen an die Grenze zu Gaza geschickt.” (“Ynet”) Immer wieder werden die Headlines aktualisiert, je nach Stand, den die israelische Armee durchgibt. “Walla” fragt: “Warum war der Iron Dome nicht aktiviert?” Das ist Israels Raketenabwehrsystem, das häufig Einschläge verhindert.

Sieben Menschen wurden bei dem Angriff verletzt, so erfahren die Leser von “Ynet”, darunter ein Baby, ein dreijähriges Kleinkind und eine 12-Jährige. Das Wohnhaus stand in dem Ort Mishmeret, keine 20 Kilometer nordöstlich von Tel Aviv. Nach Angaben der israelischen Armee soll die Rakete von einem Hamas-Stützpunkt in der Gegen von Rafah im südlichen Gazastreifen abgefeuert worden sein, rund 120 Kilometer vom Ort des Einschlags entfernt.

Wie verhalten sich die Gegner im Wahlkampf?

Während die Printmedien noch nicht auf den Vorfall reagieren konnten, der sich in den frühen Morgenstunden ereignete, dominiert das Thema die Onlinenews sowie Radio- und TV-Nachrichten. Israel befindet sich mitten im Wahlkampf. Am 9. April wählt das Land ein neues Parlament und damit auch einen neuen Premierminister. Und so fragen viele Medien: Wie verhalten sich die beiden Hauptkontrahenten, der derzeitige Premier Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer Benny Gantz, die sich beide zurzeit in den USA aufhalten?

Antworten kommen zunächst einmal über Twitter: “Es gab einen kriminellen Angriff auf Israel. Wir werden mit Stärke reagieren”, zitiert der “Yediot Achronot”-Journalist Itamar Eichner den israelischen Premierminister. Er werde unmittelbar nach einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump nach Israel zurückkehren.

“Netanjahu hat Israels Sicherheit verloren”, hatte Benny Gantz, Ex-Armeechef und Kandidat des Wahlbündnisses Blau-Weiß, zuvor getwittert. “Die Hamas hält Israel faktisch gefangen, das ist nie zuvor dagewesen und inakzeptabel.” Und er legte nach: Die Person, schrieb er mit Blick auf Netanjahu, der es nicht gelungen sei, aggressiv und mit Stärke auf vorherige Angriffe zu reagieren, habe nun neue Raketen bekommen.

Gemeint sind zwei Raketen, die vor zehn Tagen in Tel Aviv Sirenen ausgelöst hatten – zum ersten Mal seit dem Gaza-Krieg von 2014. Die Armee griff daraufhin über einhundert Hamas-Stützpunkte im Gazastreifen an. Doch dann hieß es, es habe sich um Fehlzündungen gehandelt.

Gantz konterte: “Wird er sich diesmal wieder mit einer Erklärung der Hamas zufrieden geben, es handele sich um eine Fehlzündung?”

Wie wird Premier Netanjahu reagieren?

Und so ist es diese Frage, um die viele Medien am Montag kreisen: Wie wird die israelische Armee reagieren?

Homepage des großen israelischen Medienkonzerns “Walla”

Die “Jerusalem Post” zitiert den ehemaligen Chef des Armeegeheimdienstes Amos Yadlin. Die Hamas habe gemerkt, dass Israel nicht wisse, wie es auf kleinere Gewaltakte an der Grenze oder mit einer geringen Anzahl von Raketen oder Granaten reagieren solle. Denn Jerusalem wolle keinen Krieg. Yadlin hält dagegen, die Armee müsse mit größtmöglicher Gewalt reagieren, die der Hamas nachhaltig schade. Nur so könne ein Krieg verhindert werden.

Auf “Ynet” kommentiert Ron Ben-Yishai, anstatt direkt auf die Raketen zu reagieren, müsse Israel sich auf eine “wichtige Konfrontation” vorbereiten, die die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen ausreichend verletze, um weitere Raketen zu verhindern – wenn nötig auch mit einer Bodenoffensive. Doch – so räumt Ben-Yishai ein – all dies benötige Zeit und dürfe nur erfolgen, sollte Ägypten nicht zwischen beiden Seiten vermitteln können.

Bei “Haaretz” zeigt Chemi Shalev das Dilemma von Premier Netanjahu kurz vor den Wahlen auf: Seine Herausforderer seien schließlich nicht irgendwelche “Linken”, sondern drei ehemalige Armeechefs, an deren Kampferfahrung niemand zweifle. Wähler könnten auf die Idee kommen, diese machen in Bezug auf die Hamas einen besseren Job – soll heißen: Netanjahu reagiere zu schwach. Sollte er jedoch eine Militäroffensive anordnen, könnte ihm diese leicht zum Verhängnis werden, wenn auch nur ein israelischer Soldat getötet werde.

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Netanjahu kündigt “kraftvolle” Reaktion an