Apple – neuer Gigant im Streaming-Dienst?

0
305

Der Markt wird überflutet von Streaming-Diensten und Portalen. Auch Apple will da nun mitmischen. Wer aber soll sich das eigentlich alles angucken? Ein Gespräch mit dem Medienjournalisten Kim Berkmeyer.

Deutsche Welle: Wir haben in näherer Zukunft mehrere weltweit agierende große Player, die Serien und Filme anbieten. Das Angebot ist schon jetzt riesig. Die naheliegende Frage lautet also: Gibt es überhaupt ein Publikum für all diese Serien und Filme?

Kim Berkmeyer: Das ist eine berechtigte Frage. Der Markt ist ja gefühlt überschwemmt von Streaming-Diensten und -Portalen. Die großen Player haben alle begriffen, dass da sehr viel Geld liegt. Und dass das zu den geänderten Sehgewohnheiten gerade der jungen Leute passt. Die jungen Leute, das geht aus vielen repräsentativen Umfragen hervor, schätzen, dass sie ihre Inhalte zeit- und ortsunabhängig abrufen können. Das heißt: “Ich muss um 20:15 Uhr zu Hause sein, damit ich die Sendung XY sehen kann” stößt nur noch auf sehr, sehr wenig Akzeptanz.

Das klassische lineare Fernsehen, wie eine ältere Generation das gewohnt war, ist relativ out. Stattdessen schätzen es die User, dass sie ihre Inhalte wann und wo sie es möchten, schauen können – und auch auf welchem Gerät, auf dem Handy, dem Tablett oder auch über die Konsole.

Streaming-Markt: Apple will mitmischen

Aber müssen nicht auch die Streaming-Portale sich etwas ausdenken im engen Konkurrenzkampf?

Ja, die Anbieter setzen sehr stark darauf mit exklusiven Inhalten zu punkten. Das ist die Richtung, in die es gerade geht. Das sieht man besonders bei Netflix, die sich stark auf Eigenproduktionen fokussieren. Die bieten zwar auch Lizenzware an, aber die setzen schon stark darauf, dass sie Inhalte selbst produzieren, die dann eben nur sie anbieten können und sonst niemand: Weil die Zuschauer dann genau diesen Dienst abonnieren – weil sie wissen, die kriegen den Inhalt eben nur dort.

Was auch sehr geschätzt wird, ist, dass die Dienste ohne Werbung auskommen. Man bezahlt einen monatlichen Abo-Preis und bekommt dafür einen Dienst, der keine Werbung schaltet.

Also Netflix, Amazon Prime, demnächst wohl Apple, das sind die Platzhirsche. Was gibt es noch derzeit? Vor allem auch auf dem europäischen und deutschen Markt?

Auf dem europäischen Markt ist das tatsächlich relativ schwierig. In den USA gibt es noch “Hulu” (ein weiterer in den USA populärer Streaminganbieter, A.d.R.), die sind auch beliebt. Aber es sind schon tatsächlich die Genannten, die den Markt dominieren. Netflix wurde ja erst richtig erfolgreich, nachdem sie auf das Streaming-Modell gesetzt haben.

Fernsehen ist out, Streaming ist in – zumindest bei der jüngeren Generation

Amazon ist auch deshalb so groß und spielt eine so wichtige Rolle auf dem Markt der Streaming-Dienste, weil sie allen Amazon-Premium-Kunden das Streaming-Angebot Gratis mit dazugeben. Amazon ist auch sehr bemüht Kunden auf die eigene Plattform aufmerksam zu machen, weil sie Serien “retten”, die von anderen Sendern abgesetzt werden. Und: Sie sichern sich die Rechte an Stoffen wie “Herr der Ringe” – für geschätzte 500 Millionen Dollar.

Dann gibt es noch weitere große US-Player in den Startlöchern: Warner und Disney. Der Markt wird also noch größer…

Genau, Disney ist fix. Das ist auch offiziell, dass die an einem eigenen Streaming-Dienst arbeiten. Die setzen auch sehr stark auf eigenen Content. Sie besitzen die Rechte an vielen großen Titeln. Sie haben die Star-Wars-Filme. Da haben sie sich die Rechte vor ein paar Jahren für rund eine Milliarde Dollar gekauft. Der letzte Star-Wars-Film entstand schon unter dem Label Disney. Also: Disney kommt sicher. Da werden künftig auch alle Marvel und Pixar-Inhalte landen.

Medienjournalist Kim Berkmeyer

Bei Warner ist es bisher offiziell noch nicht bestätigt. Was man aber schon sieht: Seit Anfang des Jahres können bei Amazon Prime schon keine Warner-Filme mehr gekauft oder geliehen werden. Als Begründung führt Amazon lediglich lizenzrechtliche Gründe an. Es gibt das Gerücht, dass Warner seine Inhalte bündelt und eigene Inhalte auf einem eigenen Streaming-Dienst exklusiv anbieten will. Es ist also alles andere als unwahrscheinlich, dass Warner demnächst in den Streaming-Ring mit einsteigt.

Nun bieten Netflix, Amazon und Co aber nur ein bestimmtes Segment an. Natürlich laufen dort gute Serien und Filme, aber: All das, was man mit “Arthaus” umschreibt, sucht man dort vergeblich. Gibt es andere Anbieter, wo man das findet?

Das ist tatsächlich schwierig. Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland haben ja keinen richtigen Streaming-Dienst, sie haben aber doch ein großes Streaming-Angebot, wo man inzwischen einiges findet. Da sind sie auch den Mediatheken der Privatsender ein Stück weit voraus. ARD und ZDF haben das sehr schnell erkannt und haben das dann auch schnell optimiert, so dass die Nutzer Inhalte bequem und ohne große Probleme abrufen können. Das wäre dann ein Alternativangebot.

Netflix, Amazon und Co. haben zwar auch Dokumentationen, gehen aber doch sehr stark in den Entertainment-Bereich rein, also Serien, viel Mystery, viel Science Fiction, Action. Das liegt vor allem auch daran, dass sie bei der jungen Zielgruppe punkten wollen. Die interessiert sich vor allem dafür.

Wie sieht es mit den privaten Senderanbietern in Deutschland aus? TV NOW (RTL-Gruppe) bewirbt ja gerade das eigene Angebot mit der eigenproduzierten Serie “M – Eine Stadt sucht einen Mörder”(Co-Produktion mit dem österreichischem Fernsehen). Welche anderen Anbieter gibt es da?

Bei RTL sehe ich das auf einem relativ guten Weg. RTL fokussiert sich seit gut einem Jahr stark auf Eigenproduktionen. Der Gedanke ist dort: Mit lizensierten Serien, die alle schon mal gesehen haben, diese rauf und runter zu spielen und online zu stellen, gewinnt man einfach keinen Blumentopf mehr. Deshalb konzentriert sich RTL auf eigene Inhalte und kann diese dann auch exklusiv anbieten.

Szene aus dem Serien-Remake des Film-Klassikers “M -Eine Stadt sucht einen Mörder”

Bei Pro7 plant man ja auch seit einiger Zeit eine eigene Plattform. Die hatten schon dafür geworben, einen “deutschen Champion” aufzubauen, haben auch RTL und ARD und ZDF eingeladen, sich an dieser Idee zu beteiligen und quasi einen großen deutschen Streamingdienst aufzubauen. RTL hat erst vor kurzem gesagt, dass sie das alleine schaffen wollen. Da muss man also jetzt mal schauen, was dabei herauskommt bei Pro7. Die wollen vermutlich im Sommer an den Start gehen. Als mögliche Partner werden Maxdome, Eurosport und Discovery gehandelt.

Schauen wir mal in die Zukunft, sehen Sie überhaupt noch Chancen für das Überleben des linearen Fernsehens bei all den Streaming-Diensten, die es jetzt schon gibt und die noch kommen?

Schwer zu sagen. Ich glaube aber schon, weil dieser Streaming-Boom sich sehr stark an die jungen Menschen richtet, die teilweise schon gar keinen klassischen Fernsehen-Anschluss mehr haben. Und eben auch gar nicht einsehen, zu einer gewissen Zeit an einem gewissen Ort sein zu müssen um einen Inhalt zu sehen.

Ich glaube aber, dass vor allem die älteren Generationen weiterhin klassisches Fernsehen sehen wird. Der Markt ist einfach noch viel zu wichtig und zu bedeutend, um zu sagen: Fernsehen ist tot. Das wäre zu früh. Das Gewicht wird sich zwar immer deutlicher verschieben in den Streaming Bereich, aber die großen TV-Sender machen immer noch den mit großem Abstand größten Umsatz mit klassischem linearen Fernsehen. Und so kann ich mir nicht vorstellen, dass das komplett verschwindet. Das wird es auch noch in zehn Jahren geben.

Kim Berkmeyer ist Content Manager News bei “Chip Online” und dort unter anderem zuständig für den Bereich Medien.

Das Gespräch führte Jochen Kürten.