Wie sicher ist die Boeing 737 Max?

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Der zweite Absturz von Boeings neuem Flugzeug innerhalb weniger Monate weckt Zweifel an seiner Sicherheit. Bisher galt die 737 als Rückgrat weltweiter Flotten. Von Andreas Spaeth.

Der deutsche Ferienflieger TUI hat großes Pech. Seit zwei Jahren bereitet man die Ankunft des neuen Flaggschiffs Boeing 737 Max 8 vor, in der Nacht zum Mittwoch soll die erste Maschine aus Seattle nach Deutschland überführt werden. Genau zu diesem Zeitpunkt entbrennt derzeit eine massive Diskussion über die Sicherheit dieses Flugzeugtyps nach dem zweiten Absturz eines nagelneuen Flugzeugs dieses Musters innerhalb von nur fünf Monaten am Sonntag in Äthiopien. Was ist besonderes an der Boeing 737 Max 8 und wie unterscheidet sie sich von anderen 737-Modellen, dem meistverbreiteten Verkehrsflugzeug der Welt?

Arbeitstier der Airlines

Zu Beginn dieses Jahrzehnts sah sich Boeing in einem Dilemma: Die Airlines forderten ein sparsameres, moderneres Flugzeug für Kurz- und Mittelstrecken. Boeing hatte nur den Evergreen des Typs 737 im Angebot. Die 737 ist das klassische Verkehrsflugzeug für typische Rennstrecken von bis zu ein paar Stunden Dauer, und das seit über 50 Jahren. Der erste Zweistrahler aus Seattle ging im Februar 1968 bei der Lufthansa in den Liniendienst und konnte rund hundert Passagiere befördern. Damit hatte Boeing Jahrzehnte lang die Nase vorn, lange bevor Airbus 20 Jahre später mit dem Konkurrenzmodell A320 auf den Markt kam.

Bleiben am Boden: China erteilt ein Startverbot für Boeings 737 Max

Bis Anfang 2019 hatte Boeing von der 737 fast 10.500 Stück ausgeliefert, das bei weitem am meisten verbreitete Verkehrsflugzeug der Jet-Ära. Immer wieder wurden über die Jahrzehnte neue, modernisierte und verbesserte Versionen auf den Markt gebracht. Aber vor knapp zehn Jahren schien das Ende der Möglichkeiten erreicht. Airbus war mit dem Angebot einer überarbeiteten Version der A320 mit neuen Triebwerken vorausgeprescht und erzielte mit der A320neo genannten Version riesige Verkaufserfolge. Boeing stand unter Druck, nachzuziehen.

Komplizierter Umbau

Und da genau lag das Dilemma: Anders als die A320, unter deren Tragflächen sich ohne große Neukonstruktionen auch größere Triebwerke hängen ließen, war dies bei der Boeing 737, deren Flügel tiefer über dem Boden hängen, nicht ohne weiteres möglich. Die Airlines forderten ohnehin von den Herstellern ganz neue Kurzstreckenflugzeuge. Doch Airbus und Boeing verweigerten sich, denn ein ganz neuer Entwurf hätte zweistellige Milliardensummen verschlungen ohne aber den nötigen Quantensprung an Effizienzgewinn zu bringen, der vielleicht derartige Investitionen lohnend gemacht hätte.

Außerdem waren Airbus und Boeing mit Kapital und Ressourcen bereits gebunden bei der Entwicklung ihrer neuen Langstreckenjets A350 und 787. Daher war Boeing gezwungen, Kompromisse einzugehen und die in ihrem Kern Jahrzehnte alte 737 umzukonstruieren. Um nämlich die sogenannten LEAP-Triebwerke des Herstellers von CFM International mit ihrem Durchmesser von rund 1,80 Meter unter die Flügel zu hängen, musste zum Beispiel das Bugfahrwerk um 20 Zentimeter verlängert werden, damit weiter genügend Abstand zum Boden herrscht. Gleichzeitig müssen die neuen Triebwerke weiter vor den Tragflächen hängen als bisherige 737-Motoren. Dies wiederum verändert die Aerodynamik des Flugzeugs.

Das Problem mit dem Strömungsabriss

Und genau hier beginnt das Problem: Durch die neue Triebwerksanordnung hat das Flugzeug die Tendenz, die Nase zu heben. Das kann im schlimmsten Fall zum Strömungsabriss führen, also dem Ausbleiben von Auftrieb, und dann zum Absturz. Um dieses Problem automatisch auszugleichen hat Boeing ein System namens MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) eingebaut, das bei Erkennen einer kritischen Fluglage automatisch die Nase absenkt, um so einem Strömungsabriss zu entkommen.

Allerdings hat Boeing anfangs darauf verzichtet, diese Neuerung den Piloten vollständig zu kommunizieren und in deren Training für das neue Muster einzubauen. Aus diesem Grund kämpften die Piloten der indonesischen Lion Air im Oktober 2018 nach dem Start von Jakarta ohne Wissen über dieses System einen minutenlangen Kampf mit ihrer Maschine, die offenbar fälschlicherweise immer wieder automatisch die Nase absenkte, während die Piloten manuell dagegen hielten und Höhe zu gewinnen suchten. Das Ende war tragisch, die 737 Max 8 stürzte in die Java-See, alle 189 Insassen starben. Anschließend übten Pilotenverbände weltweit Kritik an Boeings mangelnder Kommunikation, die Unfalluntersuchung dauert an.

Vorstellung der 777X vorerst abgesagt

Beim Absturz in Äthiopien am Sonntag ist nach bisher verfügbaren Daten ein solcher Kampf und eine Auf- und Abwärtsbewegung des Flugzeugs nicht erkennbar. Ob es hier ein vergleichbares oder auch ein anderes technisches Problem gab oder ob die Ursache in keinem direkten Zusammenhang mit dem Flugzeugtyp und seinen Eigenschaften steht, ist bisher unklar. Die Beschaffenheit der Absturzstelle deutet auf einen Frontalaufprall am Boden mit der Nase voran hin, da sich keine größeren Einzelteile finden und das Flugzeug einen tiefen Krater in den Boden gerissen hat.

So oder so ist der zweite 737 MAX 8-Absturz ein schwerer Schlag für Boeing und die größte Sicherheitskrise seit dem Grounding der Boeing 787 vor sechs Jahren. Die Firma sagte die für Mittwoch geplante feierliche Enthüllung ihres neuen Langstreckenjets 777X vergangene Nacht ab. Weltweit fliegen derzeit rund 350 Jets des Typs 737 Max 8, größter Betreiber ist Southwest Airlines in den USA. Bestellt sind über 5110 Exemplare des Typs. In Europa sind die größten Betreiber derzeit Norwegian, TUI und Turkish Airlines.


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    Die US-Raumfähre Discovery reitet huckepack auf unserem Riesen – ein Foto aus dem Jahr 2012. Die Shuttle Carrier Aircraft (SCA) waren zwei modifizierte Flugzeuge vom Typ 747-100 zum Transport der Raumfähren der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Sie wurden zum Rücktransport der Shuttles zum Kennedy Space Center genutzt, sofern die Shuttle-Landung auf einem alternativen Landeplatz erfolgte.


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    Autorin/Autor: Klaus Ulrich