Vetternwirtschaft und zweifelhafte Auftragsvergabe?

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Ein Ausschuss des Bundestages soll klären, ob im Verteidigungsministerium Beraterverträge in Millionenhöhe illegal vergeben wurden. Für Ministerin Ursula von der Leyen wird es zunehmend ungemütlicher.

Es hätte für Ursula von der Leyen eigentlich eine wirklich gute Woche werden können: In Brüssel geht am Donnerstag das hochrangige Nato-Verteidigungsminister-Treffen zu Ende, und am Freitag wird sie die weltweit renommierte Münchener Sicherheitskonferenz eröffnen. Mehr Prestige geht kaum. Doch in ihrem Terminkalender steht noch ein weiterer, für sie brisanter Termin: Am Donnerstagnachmittag hat der Untersuchungsausschusses zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium seine Arbeit aufgenommen.

Der Ausschuss, die schärfste Waffe des Parlaments, soll klären, inwieweit es unter von der Leyens Ägide Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe an externe Berater gegeben hat. Es geht dabei nicht um einen Pappenspiel, sondern einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Verträge sollen möglicherweise illegal vergeben worden sein. Das moniert jedenfalls der für das Finanzgebaren der Ministerien zuständige Bundesrechnungshof. Ein Vorwurf, der die einstige Hoffnungsträgerin in der Merkel-Regierung erheblich unter Druck setzt.

Vom Politstar zum Problemfall

Einst war die CDU-Politikerin der Star in der Unions-Ministerriege. Die alerte Frau aus einer Politikerfamilie wurde schon 2005 Familienministerin. Es folgte die Leitung des Ministeriums Arbeit und Soziales. Seit 2013 ist von der Leyen Verteidigungsministerin. Sie war die erste Frau überhaupt, die die Truppe führt. Von der Leyen galt lange als “Allzweckwaffe”; als enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Einstmals große Hoffnungsträgerin der Kanzlerin: Ursula von der Leyen

Viele trauten ihr zu, Merkel als Bundeskanzlerin zu beerben oder mindestens Bundespräsidentin zu werden. Aber das gemeinhin als schwer steuerbar geltende Verteidigungsministerium hat ihren guten Ruf ruiniert. Sie selbst war daran allerdings nicht unschuldig.

Dabei hatte sie Plagiatsvorwürfe gegen ihre Dissertation überstanden. Sogar die Kritik darüber, dass sie der eigenen Truppe despektierlich ein “Haltungsproblem” und “Führungsschwäche” vorwarf, konnte sie an sich abperlen lassen. Auch, dass Panzer, U-Boote, Hubschrauber und anderes Bundeswehr-Gerät nur beschränkt bis gar nicht einsetzbar ist, hat sie nicht wirklich in ihrer Autorität gefährdet. Doch der Untersuchungsausschuss könnte für sie bedrohlich werden.

Millionenverträge für Rat von “außen”

Das Magazin “Der Spiegel” hatte die Affäre bereits im vergangenen Sommer aufdeckt. Es geht dabei um Verstöße gegen das sogenannte Vergaberecht. Der Bundesrechnungshof hatte – als Kontrollinstanz – aufgedeckt, dass das Ministerium nicht nur eigene Berater mit Umbau und Neubeschaffungen beschäftigt hatte, sondern sich für Millionenbeträge externen Rat eingekauft hatte. Im Raum stehen die Vorwürfe Verschwendung von Steuergeldern und Vetternwirtschaft.

Besonders pikant dabei ist, dass einige Beraterverträge an Ausschreibungen vorbei vergeben sein sollen. Zum Beispiel an die weltweit agierende Beraterfirma McKinsey. Bei dieser Firma hatte die ehemalige Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder zuvor gearbeitet, die das Amt bereits wieder verlassen hat. Suder wollte zunächst nicht persönlich vor dem Ausschuss erscheinen, kann aber dazu gezwungen werden.

Verteidigungsministerium unter Beschuss

Wenige Tage vor Gründung des Untersuchungsausschusses berichtet die “Bild am Sonntag” über neue Vorwürfe. Nach Informationen der Zeitung soll ein Manager 2017 für ein IT-Projekt beim Verteidigungsministerium doppelt abgerechnet haben, was zunächst nicht aufgefallen war. Die Firma Accenture hat demnach möglicherweise mindestens 25.000 Euro zuviel abgerechnet.

Opposition empört über von der Leyen

Die Opposition ist empört und will jetzt schnell Aufklärung. “Frau von der Leyen hat die Kontrolle über ihr Haus verloren”, sagt der Verteidigungsexperte der Grünen, Tobias Lindner. Der Verteidigungspolitiker der rechtspopulistischen AfD, Rüdiger Lucassen, spricht von einer “Fehlentwicklung” im Verteidigungsressort. Man müsse in der Lage sein, “mit eigener Expertise die entsprechende Beratung” durchführen zu können.

Und auch die FDP fordert genau auszuleuchten, warum sich das von der Leyen-Ministerium “in einen Moloch” verwandelt habe; mit immer weiteren Unterberatern. Weiter fügt die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hinzu: “Am Ende könnten durchaus Köpfe rollen”, sagt sie dem Tagesspiegel.

Der Ruf ist ramponiert

Ob Strack-Zimmermann damit die Verteidigungsministerin meint, bleibt offen. Aber so viel ist klar: Ursula von der Leyen steht erheblich unter Druck, muss um ihren Ruf und vielleicht sogar um ihr Amt bangen. Tröstlich ist für die Spitzenpolitikerin immerhin, dass sie sich ab Freitag auf großer Bühne mit den wichtigsten Sicherheitslenkern und Staatschefs über weltweite Verteidigungsfragen austauschen kann, bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Da sind die Niederungen eines Untersuchungsausschusses in Berlin zunächst einmal sehr weit weg.