Warum Mexiko der Sprit ausgeht

0
252

Im Kampf gegen die Mafia, die illegal Benzin aus Überlandleitungen abzapft, hat die neue mexikanische Regierung das Verteilersystem geändert. Die Folgen sind Treibstoffmangel und wachsender Unmut in der Bevölkerung.

Es ist schon zwei Uhr morgens und Athena Silva konnte noch immer kein Benzin tanken. Seit über einer Stunde steht sie mit ihrem Wagen in einer langen Autoschlange, die sich an einer Tankstelle in Mexiko-Stadt gebildet hat. Andere wartende Fahrer vermuten, dass es noch eine weitere Stunde brauchen wird, bis sie dran sind. “Ich habe mir den Wecker auf Mitternacht gestellt, um zu dieser Uhrzeit herauszufinden, wo es in der Stadt gerade Treibstoff gibt und die endlosen Schlangen am Tag zu vermeiden”, erzählt Silva im Gespräch mit DW.

Ein Tankwagen des mexikanischen Ölkonzerns PEMEX verlässt das von Polizisten überwachte Verteilzentrum

Seit die Regierung von Präsident Andrés López Obradorden Krieg gegen den organisierten Kraftstoffdiebstahl erklärt und die Überlandleitungen des staatlichen Mineralölkonzerns PEMEX geschlossen hat, leidet die Hauptstadt des Landes unter akutem Benzinmangel. PEMEX transportiert derzeit das Benzin mit bewachten Tankwagen an die Tankstellen im ganzen Land. Diese Art der Verteilung dauert wesentlich länger und führt landesweit zu Engpässen. Pendler legen kilometerweite Strecken zurück, um den Tank ihres Wagens zu füllen.

“Die Warteschlangen sind so lang, dass es schon Leute gibt, die Lebensmittel, Softdrinks und Kaffee verkaufen”, sagt Gustavo Garcia, Besitzer eines Taxis gegenüber DW. Was als eine kurzfristige Maßnahme der Regierung gegen die Korruption gedacht war, zieht sich nun über mehrere Wochen hin. “Jetzt gibt es nur noch Chaos in der Stadt. Meine Strecke zwischen Arbeitsplatz und Zuhause ist jetzt viel länger. Ich will Resultate sehen, und dass Leute im Gefängnis landen”, sagt Claudia Ramirez.

So nicht, Amlo!

Angesichts dieser Probleme sind viele Menschen auf die öffentlichen Transportmittel umgestiegen. Dies wiederum führte zu überfüllten Bussen und Bahnen. Der Andrang zur Hauptverkehrszeit ist so groß, dass einige sogar beschließen, den Weg zur Arbeit zu Fuß zu bewältigen. Dies gilt vor allem für Frauen. “Alle raten, doch einfach in die Metro zu steigen. Die haben keine Ahnung was es heißt, als Frau in einer überfüllten Metro zu stehen. Jeder will dich begrapschen oder sogar angreifen”, erzählt María López der DW.

Ein verlassener Lastwagen, mit dem gestohlenes Benzin in Plastiktanks transportiert wurde. Über 1.700 solcher Fahrzeuge wurden in den letzten zwei Monaten beschlagnahmt

Viele Bürger äußern ihre Unzufriedenheit und Wut in den sozialen Netzwerken. Mit dem Hashtag #AsíNoAmlo (So nicht, Amlo) beschweren sie sich über die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador, genannt Amlo. Sie fordern zumeist ein Ende des Kraftstoffdiebstahls und die Sicherstellung der normalen Versorgung an den Tankstellen.

Als im Netz auch noch von einer drohenden Lebensmittelknappheit geredet wurde, brach Panik aus. Fake-Bilder von leer geräumten Supermärkten verbreiteten sich viral und führten zu Hamsterkäufen. “Ich habe Angst, dass wir hier wie in Venezuela enden. Zuerst das Benzin, und was danach?”, äußert sich Patricia Robles gegenüber DW.

Bürger greifen zur Selbsthilfe

Die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung beruht auf dem Mangel an Information. Keiner weiß, wann und wo die nächsten Tankwagen ankommen. Auch ist völlig ungewiss, wann die Maßnahmen der Regierung enden und ob sie zum gewünschten Ergebnis führen. Mittlerweile bilden sich Selbsthilfeinitiativen im Internet, in denen Informationen über die Verfügbarkeit von Treibstoff je nach Stadtgebiet oder Hinweise auf offene oder geschlossene Tankstellen weitergereicht werden.

“Es wird nicht einfach sein die Korruption zu beenden”, sagt Atenas Silva der DW. “Lassen wir der Regierung die nötige Zeit, um der Mafia das Handwerk zu legen. Bis dahin kommen wir mit dem Benzinmangel schon klar”, ergänzt sie.