Vom Mond zum Mars: Chinas Griff nach den Sternen

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Nach der ersten Landung auf der Mond-Rückseite will China sein Mond-Programm schnell ausbauen und bereits 2020 eine Mars-Sonde losschicken. Weltraumexperte Dirk Lorenzen erklärt Chinas ambitioniertes Weltraumprogramm.

DW: Herr Lorenzen, welche Interessen verfolgt China mit der Landung Chang’e 4s auf der Rückseite des Mondes, die bisher einzigartig ist – sind das ausschließlich wissenschaftliche? 

Dirk Lorenzen: Das sind nicht nur wissenschaftliche Motive. Natürlich will China auch zeigen, was es kann. Aber es ist viel weniger Politik und viel weniger Prestigedenken als es die Apollo-Missionen in den 60er und 70er Jahren waren. Dass China eine große Weltraummacht ist, wissen wir nicht erst seit Chang’e 4. Schließlich schicken die Chinesen seit 15 Jahren Menschen ins All. 

Und trotzdem heißt es, jetzt sei der Wettlauf um den Mond eröffnet. Es hat den Anschein, wenn man Artikel oder Social Media-Kommentare dazu liest, als hätten die Europäer und die Amerikaner die Chinesen bisher unterschätzt. Stimmt das? 

Das ist völliger Unsinn. Es gibt nicht diesen Wettlauf zum Mond. China hat dieses sehr konsequente Programm von automatischen Sonden: erst die Landung auf der Vorderseite, jetzt die Landung auf der Rückseite. China wird vielleicht noch Ende dieses Jahres Bodenproben von der Rückseite auf die Erde bringen.

Aber es stimmt nicht, dass NASA und ESA nichts tun. NASA und ESA bauen gemeinsam das Orion Raumschiff. Damit werden 2022 Menschen zumindest schon mal um den Mond herumfliegen. Interessant wird sicher, wann Menschen auf dem Mond landen werden. Das könnte noch gut zehn Jahre dauern.

Bisher waren zwölf Menschen auf dem Mond und der dreizehnte könnte dann tatsächlich eine Chinesin oder ein Chinese sein. Aber es ist nicht so, dass die anderen den Mond nicht wahrnehmen. 

Woher kommt dann der Eindruck, dass China in erster Linie eigene Interessen verfolgt und diese Mission vor allem symbolischen und politischen Wert hat?

Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich fragwürdige Thesen auf Social Media selbst verstärken. Zum Einen: Es stimmt nicht, dass die anderen nicht zum Mond fliegen. Zweitens ist es nicht nur eine Machtdemonstration. Man hat sogar internationale Partner dabei.

Es ist ein Messinstrument der Christian-Albrechts-Universität in Kiel mit an Bord. Wer jetzt behauptet, die anderen hätten den Mond verschlafen und China würde nun allen zeigen, wie es geht, hat offensichtlich keine Kenntnis vom Mondprogramm der anderen. 

Klar ist, dass China zeigen will, was es kann. Vor allem zeigen sie das aber, um bei künftigen internationalen Missionen mitmachen zu können. Bisher sind auf Anordnung der Amerikaner die Chinesen außen vor bei der Internationalen Raumstation.

Darüber habe ich vor kurzem mit NASA-Chef Jim Bridenstine gesprochen. Die NASA würde gerne sehr viel stärker mit China zusammenarbeiten. Aber ganz offiziell ist ihr das per Gesetz verboten. In gewisser Weise zwingen die Amerikaner China also in diese Rolle: Wir müssen erst mal zeigen, was wir können, damit dieses Verbot vielleicht gelockert wird. 

Auch die Inder haben ein eigenes Weltraumprogramm. Wie schätzen Sie deren Ambitionen und Möglichkeiten ein?

Indien hat sich bisher vor allem auf Erdbeobachtung und Kommunikation aus dem All beschränkt. Nun gehen sie auch verstärkt in die Wissenschaft. Sie müssen zunächst Erfahrungen sammeln. Da gibt es keine wirklich großen Ziele, sie wollen erstmal ein bisschen lernen, wie man im All arbeitet.

Indien ist nicht wirklich eine Konkurrenz zu China, denn die sind deutlich zielstrebiger. Indien hat ein sehr schönes Wissenschaftsprogramm, aber es ist nicht auf dem Niveau, das die Chinesen haben. 

Dirk Lorenzen ist Physiker und Wissenschaftsjournalist. Sein Spezialgebiete sind Astronomie und Raumfahrt. Das Interview führte Julia Vergin.