Wohin wandert das Erdmagnetfeld?

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Das Erdmagnetfeld schützt vor kosmischer Strahlung, gibt Zugvögeln Orientierung und zeigt die Richtung. Aber das Magnetfeld wandert – schneller als erwartet. Aktuelle Berechnungen sind durch den US-Shutdown unmöglich.

Geophysiker rechnen in ganz anderen Zeiträumen: Ein paar Wochen sind erdgeschichtlich nicht einmal ein Wimpernschlag. Eigentlich sollte am 15. Januar 2019 endlich das “World Magnetic Model” aktualisiert werden, aber durch den “Government Shutdown” in den USA wird sich die Veröffentlichung des Berechnungsmodells noch einige Wochen hinziehen. Die Forscher werden sich also gedulden müssen.

Das World Magnetic Model (WMM) wird eigentlich zusammen vom National Geophysical Data Center (NGDC) der USA und dem British Geological Survey (BGS) herausgegeben und alle fünf Jahre aktualisiert. Aber die NGDC-Website ist nicht aufrufbar. Sie wurde abgeschaltet, aufgrund “fehlender Mittel”, heißt es. Die aktuelle Modellversion wurde 2015 erstellt und sollte eigentlich bis 2020 gelten. Aber das derzeitige Modell stimmt vorne und hinten nicht mehr, denn der magnetische Pol wandert immer schneller.

Noch Anfang des Jahrhunderts befand er sich in der Nähe der Nordostpassage in Kanada. Jetzt befindet er sich viel weiter nördlich fast in der Nähe des geographischen Nordpols. Dabei wandert er überraschend schnell Richtung Sibirien, jährlich um etwa 30-50 Kilometer. Das ist etwa dreimal so schnell wie noch vor 100 Jahren. Im vergangenen Jahr überquerte er die internationale Datumsgrenze in Richtung der östlichen Hemisphäre. 

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Wie das Erdmagnetfeld vor kosmischer Strahlung schützt

 Wichtiger als die Lage des magnetischen Nordpols ist aber, dass das Erdmagnetfeld seit Beginn der Aufzeichnungen vor 175 Jahren um zehn Prozent schwächer geworden ist – auch hier sind die Gründe unklar. Für das Leben auf der Erde ist indes weniger entscheidend, wo die jeweiligen magnetischen Pole liegen, sondern wie stark sie sind.

Ein schwaches Erdmagnetfeld erschwert nicht nur den Zugvögeln die Orientierung. Ein starkes Erdmagnetfeld schützt vor allem auch die Erde vor aggressiver kosmischer Strahlung und Sonnenwinden. Bei einem schwachen Magnetfeld reduziert sich die schützende Ozonschicht und die gefährlichen UV-Strahlen dringen vor allem in den Polregionen leichter durch. 

Auch die geostationären Satelliten sind bei einem schwachen Erdmagnetfeld weniger geschützt. Strahlungen oder Teilchen aus dem All könnten ihnen erheblich zusetzen und die Kommunikation massiv einschränken. 

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Ein schwaches Erdmagnetfeld erschwert nicht nur den Zugvögel die Orientierung

Selbst über eine möglicherweise bevorstehende Polumkehr debattierten die Geophysiker im vergangenen Jahr angeregt, im Schnitt kommt so ein Polsprung alle 200.000 bis 300.000 Jahre vor. Der letzte Polsprung fand allerdings bereits vor 780.000 Jahren statt. Wie gesagt, Geophysiker rechnen in ganz anderen Zeiträumen.

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr eine chinesische Studie, der zufolge sich die letzte Polumkehr zu Beginn der letzten Eiszeit vergleichsweise schnell vollzog – nämlich in nur 144 Jahren. Bislang waren die Forscher davon ausgegangen, dass ein Seitenwechsel mehrere hundert Jahre dauert.

Die chinesischen Forscher hatten Stalagmiten in Kalksteinhöhlen untersucht und dabei die Schwankungen des Magnetfeldes nachweisen können. Vor etwa 98.000 Jahren fand allerdings kein Polsprung statt, sondern wohl nur eine sogenannte “Exkursion”, eine vorübergehende Schwächung des Magnetfelds, bevor das Magnetfeld dann komplett zusammenbrach. 

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Auch Navigationssysteme und Smartphones mit Magnetfeldsensoren sind auf ein korrektes Modell angewiesen

Für eine genauere Berechnung ist jedoch ein möglichst korrektes World Magnetic Model (WMM) dringend notwendig. Das geomagnetische Modell nutzen aber nicht nur Wissenschaftler, sondern vor allem auch die zahlreichen nationalen und internationalen Dienstleister, die etwa dem Schiffsverkehr Orientierung geben. Seekarten, Navigationssysteme und Smartphones mit Magnetfeldsensoren, also faktisch alle Geräte mit Android- oder iOS-Betriebssystem, sind auf ein korrektes Modell angewiesen.

Das Modell liefert weltweit die Deklination (auch: Ortsmissweisung), also den Winkel zwischen der Richtung zum magnetischen und geographischen Nordpol. Dieser Winkel ändert sich umso stärker, je weiter man nach Norden kommt und muss insbesondere bei der Navigation mit dem Kompass berücksichtigt werden. Zudem beschreibt das WMM auch das Erdmagnetfeld für einen Bereich von einem Kilometer unterhalb der Erdoberfläche bis in eine Höhe von 850 Kilometern. 

Polarlichter: Teilchen des Sonnenwinds ionisieren Sauerstoff- und Stickstoffatome in der Atmosphäre nahe der Pole.

Das Erdmagnetfeld entsteht tief unten im Erdinneren, wo sich gewaltige Ströme aus geschmolzenem Eisen an der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel bewegen. Diese Ströme erzeugen das magnetische Feld. Wenn sich diese Ströme etwa durch eine tektonische Erdplattenverschiebung ändern oder verlangsamen, verändert sich auch das Erdmagnetfeld. 

Mehr Klarheit über die Lage und Intensität des Erdmagnetfeldes wird es wohl erst geben, wenn die politischen Konfliktparteien in den USA ihre irdischen Auseinandersetzungen beilegen und das mittlerweile ziemlich ungenaue World Magnetic Model nach dem Shutdown wieder auf den aktuellsten Stand gebracht wird. 


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