90 Jahre “Tim und Struppi”

0
363

Der rasende Reporter und sein kleiner weißer Terrier sind eines der erfolgreichsten Duos der Comicliteratur. Gerade Hergé, ihrem Schöpfer, verdankt Belgien seinen Ruf als Comicland. Doch der war nicht unumstritten.

Der Reporter und sein Hund in der Kinoverfilmung “Tim und Struppi am Hafischsee” (1972)

Am 10. Januar 1929, vor genau 90 Jahren, waren Tim und sein Hund Struppi zum ersten Mal auf den Seiten der katholischen belgischen Zeitung “Le Vingtième Siècle”, genauer in der Kinderbeilage “Le Petit Vingtième”, zu sehen. In den ersten Episoden machten sie sich auf in Stalins Sowjetunion, ständig überwacht von dessen gefürchteter Geheimpolizei. Die Geschichte wurde bis Mai 1930 fortgeschrieben und erschien anschließend in Buchform unter dem Titel “Tim im Lande der Sowjets”. Inhaltlich war das erste Abenteuer von Tim und Struppi vor allem anti-kommunistische Propaganda – spannend verpackt für Kinder und Jugendliche.

Mit Freunden durch dick und dünn

Tims Erfinder Georges Remi, besser bekannt als Hergé, schrieb seinem Helden die verschiedensten Geschichten auf den Leib – von Kriminalgeschichten über politische Thriller bis hin zu Science-Fiction. Neben dem treuen weißen Hundefreund Struppi erfand Hergé zahlreiche Weggefährten, die den Reporter bei seinen Abenteuern begleiteten, wie beispielsweise der cholerische und notorisch betrunkene Kapitän Haddock, der geniale, aber schwerhörige Professor Bienlein oder auch die stümperhaften Detektive Schulze und Schultze.

Kolonialistische und rassistische Stereotype im Frühwerk

Anlass zur Kritik: “Tim und Struppi im Kongo”

Belgisch-Kongo war 1931 der Schauplatz von Tim und Struppis zweitem Abenteuer. Weil in der ursprünglichen Version kolonialistische und rassistische Stereotype bedient wurden, drohten Länder wie Belgien, Schweden und die USA später, das Buch zu verbieten. Hergé passte seine Geschichte daraufhin an. Seine Faszination für fremde Kulturen und alte Zivilisationen blieb. Während seines Studiums in Brüssel traf er etwa den chinesischen Künstler Zhang Chongren, der ihm half, sein Heimatland in “Der Blaue Lotus” (1934) darzustellen.

Vorwurf der Nazi-Kollaboration

In den späten 1930er Jahren enthielten Hergés Geschichten teils mehr oder weniger subtile Kritik an den faschistischen Regimen Europas. In “König Ottokars Zepter” lässt er Tim in das fiktive osteuropäische Land Syldavien reisen, wo er gegen den Schurken Rawczik (im frz. Original “Musstler”, Zusammengesetzt aus den Nachnamen der Diktatoren Mussolini und Hitler) kämpft, der eines seiner Nachbarländer annektieren will.

Als die deutsche Wehrmacht 1940 Belgien überfiel, ließen die deutschen Besatzer Hergés Hausblatt schließen. Der Karikaturist passte sich an und wechselte zu “Le Soir”, einem Propagandaorgan der Nazis. Nach der Befreiung Belgiens im September 1944 wurde die Zeitung geschlossen und ihre Mitarbeiter als Kollaborateure beschuldigt. Hergé wurde mehrmals verhaftet und später mit einem zweijährigen Berufsverbot belegt.

Tim und Struppi leben auf der Leinwand weiter

Georges Remi alias Hergé

In der Nachkriegszeit entstanden zahlreiche Fernseh- und Theateradaptionen der Tim und Struppi-Geschichten sowie ein halbes Dutzend Filmversionen, von denen fünf zu Lebzeiten von Hergé veröffentlicht wurden.

Hergé starb 1983. Zuvor hatte er den Wunsch geäußert, dass nach seinem Tod kein anderer Künstler Tim und Struppi zeichnen sollte und die Abenteuer des jungen Reporters damit zu Ende gehen. Insgesamt wurden 24 Tim und Struppi-Geschichten veröffentlicht, die letzte posthum 1986. 

Auf dem Papier war die Karriere des Duos also vorbei. Doch 2011 hauchte US-Regisseur Steven Spielberg den beiden mit seinem 3-D-Animationsfilm “Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn” neues Leben ein. Eine Fortsetzung unter dem neuseeländischen Starregisseur Peter Jackson ist laut Spielberg in Arbeit. Tim und Struppi werden also weiterhin Generationen von Fans begeistern.