Kommentar: Treffpunkt Borsigplatz?

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Borussia Dortmund ist verdient Herbstmeister. Und wir Fans bekommen in dieser Saison, was wir verdient haben: guten Fußball und dabei auch etwas Drama, wie Marko Langer schreibt. In der Liga hat sich einiges verändert.

Haben Sie diese Szene gesehen, im Stadion oder im Fernsehen? In Dortmund, nach dem Abpfiff, vor der Südtribüne: Die Mannschaft von Borussia Dortmund, gerade Herbstmeister geworden, steht Spalier und klatscht für einen Spieler, der an diesem Tag im Trikot des Gegners antrat. Nuri Sahin, der in Dortmund 2011 deutscher Meister und 2017 Pokalsieger wurde und seine Laufbahn nun in Bremen fortsetzt, wird gefeiert. Der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nimmt ihn in den Arm. Ein Gegner als Freund.

Pfiffig, der Favre

Ist das der neue Geist des BVB? Oder war es hier immer so, so wie früher mit Jürgen Klopp, dem Trainer mit der Aufschrift “Pöhler” auf der Kappe? Wenn’s läuft, dann läuft’s. Der BVB ist im Moment das Maß aller Dinge in der Bundesliga. Hier sind mit Pablo Alcacer und Axel Witsel zwei Spieler angekommen, die zu absoluten Stars werden können, wenn sie es nicht schon sind. Hier spielt ein Mannschaftskapitän namens Marco Reus den vielleicht besten Fußball seines Lebens. Hier kommt selbst der lange verschmähte Mario Götze wieder zur Geltung. Hier hat es Boss Watzke verstanden, sehr unterschiedliche Charaktere zu einem professionellen Management-Team zusammenzubinden und sich ein Stück zurückzunehmen. Und hier wirkt ein pfiffiger Trainer, der das alles in idealer Weise zusammenbindet.

Der beste Trainer everever?

Also: Herbstmeister! Neun Punkte Vorsprung. Da die Bayern sich gerade zusammenreißen und sich mehr auf ihre Stärken als auf das Grundgesetz besinnen, kann die Rückrunde eine prickelnde Angelegenheit werden. Ungeachtet des Dortmunder Vorsprungs. Der Ex-Trainer Peter Bosz könnte erzählen, wie schnell Euphorie vergehen kann.

Marko Langer, DW-Autor

Spannende Angelegenheit? Das hätte man noch vor einem Jahr unter dem besten Bayern-Trainer everever namens Jupp Heynckes nicht gedacht, dass die Dominanz der Münchner derart zu brechen ist. Und dass die Liga wieder so spannend wird. Dabei spielen übrigens nicht nur die Dortmunder eine gute Rolle. Nehmen wir die Borussen aus Mönchengladbach, die mit einer angespannten Personaldecke auf Tabellenposition zwei stehen. Aber auch Teams wie Hoffenheim, Frankfurt oder Bremen, die unter ihren sehr cleveren Trainern sehr cleveren, erfrischenden Fußball spielen. Wie schön!

Was kommt? Der BVB hat gute Chancen, am Ende der Saison dieses rauschende Fest am Dortmunder Borsigplatz wieder einmal abzuhalten, dann als Deutscher Meister. Bundestrainer Joachim Löw könnte rund um den höchst agilen Marco Reus den Neuaufbau der Nationalelf vorantreiben. Die Fans können sich freuen, dass sie – auch wenn sonst vieles im Argen liegt zwischen den Anhängern im Stadion und dem “Produkt” Bundesliga – viele und schöne Tore sehen. 

Alte Reflexe

Spannend wird es – ganz klar – in München. Greifen die Bayern, sollten sie heuer einmal nicht Meister werden, auf alte Reflexe zurück? Also: Kaufen sie den anderen einfach die Topspieler weg? Fraglich ist, wer sich im Sommer nach München locken lässt. Oder versteht die dortige, über so lange Zeit sehr erfolgreiche Vereinsführung, dass da etwas im Gange ist in der Liga, was wir Beobachter uns immer gewünscht haben. Es ist spannend, wie gesagt. Die Spiele sind sehenswert. Stars von gestern können die tragischen Helden von heute werden – siehe Domenico Tedesco. Und die tragischen Helden heute könnten morgen wieder Stars sein – siehe Niko Kovac.

Apropos Stars: Ob Pierre-Emerick Aubameyang, der samt seinen Allüren nach Arsenal abwanderte, manchmal mitbekommt, wie gut die Stimmung beim BVB heute ist? Ob Robert Lewandowski manchmal zurückdenkt an die Zeit in Dortmund, in den Momenten, wenn er nicht ganz so glücklich ist im Münchner Himmel? Wenn’s läuft, dann läuft’s.