Kommentar: Mit Bushs Tod verliert Deutschland einen echten Freund

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Die Trauerfeier für George H.W. Bush würdigte das Leben des letzten Präsidenten, der im Zweiten Weltkrieg diente. Sein Tod markiert einen Wendepunkt für Deutschland und die USA, meint Michael Knigge.

Rund zwei Stunden lang versammelten sich an diesem kalten Dezembermorgen alle noch lebenden Präsidenten in der Nationalen Kathedrale in Washington, um einen der ihren zu ehren. Hochrangige Gäste aus dem Ausland waren anwesend, darunter die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige kanadische Premierminister Brian Mulroney, der eine Rede auf der Trauerfeier hielt.

Auch US-Präsident Donald Trump war dieses Mal eingeladen – im Gegensatz zum Gedenkgottesdienst für den republikanischen Senator John McCain vor drei Monaten. Es spricht für den Charakter von George H.W. Bush und seiner Familie, dass sie das Land einen wollten. Wenigstens für diesen einen Moment sollten der aktuelle politische Konflikt, die Parteizugehörigkeit und die tiefen gesellschaftlichen Spaltungen beiseite geschoben werden. Und all dies, obwohl Bush seine Verachtung für Trump und dessen Politikstil nie verheimlicht hatte.

Ein Teilerfolg

Oberflächlich ist das auch gelungen. Alle noch lebenden Präsidenten waren anwesend und niemand hat offen auf Trump und das vergiftete politische Klima verwiesen. Dieser Erfolg kann die tiefe politische und charakterliche Kluft zwischen Bush und Trump aber nicht verbergen.

Sie wurde auch unausgesprochen deutlich, als wichtige Aspekte aus Bushs Leben, Persönlichkeit und Präsidentschaft nacherzählt wurden. Etwa bei seiner Unterstützung der deutschen Wiedervereinigung. Viele andere internationale Staatschefs haben damals gezögert oder sich gegen ein geeintes Deutschland ausgesprochen. George Bush hat sie nach Kräften unterstützt.

Unterstützung für Deutschland

Besonders bewegend ist seine Haltung wenn man bedenkt, dass er als Soldat im Zweiten Weltkrieg fast sein Leben verloren hätte. Rückblickend mögen der Fall der Berliner Mauer, das friedliche Ende des Kalten Krieges und die deutsche Einheit fast unvermeidbar erscheinen. Doch das waren sie nicht. Man stelle sich nur vor, wie die Dinge mit dem jetzigen US-Präsidenten hätten enden können. Bush unterstützte die deutsche Einheit, weil er davon überzeugt war, dass sich das Land erfolgreich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hatte. Und weil er an die Stärke und Beständigkeit der deutschen Demokratie glaubte.

DW-Korrespondent Michael Knigge

Dem wiedervereinten Land bot der US-Präsident sogar eine einzigartige Partnerschaft, eine Führungsrolle in der Welt an. Etwas, das die Deutschen wahrscheinlich auch heute noch nicht wirklich begreifen können. Alle nachfolgenden Präsidenten haben in Deutschland einen wichtigen Partner und Verbündeten gesehen. Bei Bush ging die Verbundenheit tiefer. Er war ein echter Freund Deutschlands.

Parteiübergreifende Innenpolitik

Dank seiner Außenpolitik wird Bush oft als erfolgreicher Präsident angesehen. Dabei kann er sich auch innenpolitischer Erfolge rühmen. Er unterzeichnete den “Americans with Disabilities Act”, der die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung verbot. In Zeiten eines demokratisch dominierten Kongresses kämpfte Bush gegen seine Republikanischen Partei und auch gegen seine eigenen Wahlversprechen und erreichte ein Abkommen, mit dem die Steuern angehoben wurden, um den aufgeblasenen Haushalt zu kontrollieren.

Das kostete ihn wahrscheinlich seine Wiederwahl, wurde später aber als entscheidender erster Schritt zu einer Politik der wirtschaftlichen Verantwortung gewertet. Und nach seiner Wahlniederlage gegen Bill Clinton entwickelte er enge persönliche Beziehungen zu seinem Nachfolger und zu Hillary Clinton, die damals schon von den meisten Republikanern verabscheut wurden.

Präsident aller Amerikaner

Diese Charakterzüge wirken nostalgisch, fast schon bizarr in einer Zeit, in der es der Politik nur noch darauf anzukommen scheint, um jeden Preis gegen die andere Seite zu gewinnen.

Dabei war Bushs Bilanz beileibe nicht makellos. Es gibt viele Aspekte seiner Präsidentschaft, die zutiefst umstritten sind. Darunter fallen eine rassistische Werbekampagne, der Einmarsch in Panama, seine Reaktion auf die AIDS-Krise oder die Begnadigung von Personen, die in die Iran-Contra-Affäre involviert waren.

Dennoch war George H.W. Bush der letzte US-Präsident, der von den meisten Amerikanern, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, als “ihr” Präsident akzeptiert wurde. Deshalb markieren sein Tod und sein Vermächtnis wirklich einen Wendepunkt in der Geschichte. Nicht nur für Deutschland, auch für die USA.