Kofler: “Xinjiang-Debatte im Bundestag war wichtig”

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Die Bundesregierung weist den Versuch Chinas, Druck auf deutsche Abgeordnete auszuüben, klar zurück. Gleichzeitig setzt sie weiterhin auf den Dialog mit China, wie die Menschenrechtsbeauftrage Bärbel Kofler erläutert.

DW: Inwieweit waren Sie von dem heftigen Protest der chinesischen Seite gegen die Bundestagsdebatte zum Thema Umerziehungslager in Xinjiang überrascht?

Es ist nicht unüblich, dass China gegen Kritik an seiner Menschenrechtspolitik protestiert. Das passiert in unterschiedlicher Form, ob durch eine Protestnote oder in direkten Gesprächen. Die Art, wie dies in der vergangenen Woche passiert ist, ist aus meiner Sicht jedoch unmöglich. Büros von Bundestagsabgeordneten anzurufen, und sie so unter Druck zu setzen, ist nicht in Ordnung. Das deutsche Parlament ist unabhängig und lässt sich von niemandem vorschreiben, was es diskutiert und was es nicht diskutiert. Das würden wir umgekehrt auch nicht tun.

Außerdem erreichen uns besorgniserregende Berichte von Menschenrechtsorganisationen besonders über die Lage der Uiguren, über Misshandlungen und Folter in illegalen Lagern, die teilweise als Umerziehungslager oder gar euphemistisch als Berufsbildungseinrichtungen bezeichnet werden. Die Überwachung der Zivilbevölkerung mittels Kameras, Straßenkontrollen, Hausdurchsuchungen, Kontrolle netzwerkfähiger Elektrogeräte und DNA-Erfassung hat in Xinjiang extreme Ausmaße angenommen. Es war insofern ein wichtige Debatte vergangenen Woche im Deutschen Bundestag

Post und Anrufe von der chinesischen Botschaft im Büro der Abgeordneten Margarete Bause

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Welche Rolle spielt das zunehmende Selbstbewusstsein einer asiatischen Großmacht bei dieser empfindlichen Reaktion auf Kritik?

China ist das bevölkerungsreichste Land und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Insofern verwundert es nicht, wenn China Selbstbewusstsein demonstriert. Das gilt für alle Politikbereiche. Jedoch muss es in einer regelbasierten Welt, für die wir uns als Deutschland aktiv einsetzen, auch möglich sein, Missstände in anderen Ländern anzusprechen. Auch Deutschland muss sich schließlich mit internationaler Kritik auseinandersetzen, bei Menschenrechtsfragen in diesem Jahr ausführlich im Staatenüberprüfungsverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf. Hier wurden wir auch von chinesischer Seite kritisiert.

Wir setzen uns mit dieser Kritik offen auseinander und sind bereit, darüber mit anderen Staaten einen Dialog zu führen. Das sollte auch für eine Weltmacht möglich sein.  Die Menschenrechtsverletzungen in China verstoßen auch gegen die chinesische Verfassung und gegen internationale Vereinbarungen. Eine verlässliche Partnerschaft setzt voraus, dass wir solche Verstöße klar ansprechen können.

Bereitet Ihnen ein solcher Versuch wie jetzt von China, Druck auf Abgeordnete auszuüben, Sorge?

Unser freiheitlich demokratisches System steht derzeit vor einer Reihe von Herausforderungen, im Inneren und Äußeren. Einige große Länder versuchen die regelbasierte Weltordnung und Zusammenarbeit in internationalen Foren wie den Vereinten Nationen zu unterminieren. Menschenrechte stehen weltweit unter Beschuss. China propagiert ein eigenes Verständnis von Menschenrechten. Dies bereitet mir durchaus Sorge und wir  müssen mit unseren außenpolitischen Partnern eng für unsere Werte zusammenstehen. Das dürfte jedoch in der Tat in Zukunft nicht leichter werden.

Trotz Differenzen geht der Dialog weiter: Außenminister Heiko Maas mit Vizepräsident Wang Qishan in Peking

Bundesaußenminister Maas hat in China den Umgang Pekings mit der muslimischen Minderheit der Uiguren kritisiert. Wie vereinbart die Bundesregierung die beiden Ziele, einerseits auf eine Verbesserung der Situation der Menschenrechte in China hinzuwirken, und andererseits die deutsch-chinesischen Beziehungen nicht zu beschädigen?

Ich bin der Meinung, dass gerade Länder, die historisch gewachsene Beziehungen haben, in der Lage sein müssen, offen ihre Meinungsunterschiede und Differenzen zu diskutieren. Wir werden weiterhin kritische Fragen stellen und Missstände direkt ansprechen. Der Einsatz für Menschenrechte dient, davon bin ich überzeugt, der Stabilität und dem Frieden. Überall auf der Welt fordern Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf Freiheit von Diskriminierung usw. Diese Rechte zu unterdrücken schafft langfristig nur Instabilität, davon bin ich überzeugt.

Bei all den genannten Punkten ist es mir sehr wichtig, dass es auch weiterhin einen regelmäßigen und engen Austausch mit der chinesischen Regierung gibt. Mit China haben wir einen solchen auf höchster Ebene, der Besuch von Außenminister Maas zeugt davon. In solchen Gesprächsformaten müssen wir auch weiterhin kritische Punkte ansprechen.

Daneben gibt es den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf, dem zentralen Forum einen Austausch über menschenrechtliche Fragen. Diesen sollten wir aktiv stützen und nutzen. Im November musste sich China hier – wie Deutschland zuvor im Frühjahr – kritischen Fragen der Weltgemeinschaft, und eben auch der deutschen Bundesregierung, stellen. Mit China haben wir zudem das Format des Deutsch-Chinesischen Menschenrechtsdialogs, bei dem wir menschenrechtliche Probleme in Deutschland und in China ausführlich diskutieren. Zuletzt fand dieser 2016 in Berlin und in meinem Wahlkreis in Traunstein statt. Diesen Dialog führen wir Ende des Jahres nun weiter, die chinesische Seite hat uns dazu nach Peking eingeladen.