Weltmeister Magnus Carlsen verpasst Auftaktsieg bei Schach-WM in London

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Sieben Stunden lang haben sich Magnus Carlsen und Fabiano Caruana ein Duell mit vielen Höhen und Tiefen geliefert. Am Ende gab es ein Ergebnis, über das sich der Herausforderer mehr freuen kann als der Weltmeister.

Stundenlanges Grübeln: Carlsen gegen Caruana

“In Sachen kämpferischem Schach war das doch schon einmal ein guter Start”, sagte Magnus Carlsen nach der Partie und machte damit deutlich, wie er die Verteidigung seines Titels in den nächsten Wochen angehen will. Denn bereits sein allererster Zug war eine Kampfansage in Richtung seines als sehr stark eingeschätzten Konkurrenten: Carlsen wählte die als besonders aggressiv bekannte sizilianische Verteidigung. Dabei setzt Schwarz direkt auf Gegenangriff und ist bereit, dafür auch Risiken in Kauf zu nehmen. Fabiano Caruana erwischte der Champion mit dieser Strategie offenbar auf dem falschen Fuß. Denn der US-Amerikaner mit italienischen Wurzeln, der zum ersten Mal in einem WM-Finale antritt, verbrauchte vom Start weg mehr Zeit, ohne aber einen Vorteil versprechenden Plan austüfteln zu können. “Ich habe den Faden verloren und musste mich schnell auf Verteidigung umstellen”, beschrieb Caruana die Situation.

Carlsen vergibt mehrere Siegchancen

In der Folge entwickelte sich eine typische Carlsen-Partie, bei der der Weltmeister systematisch Druck aufbaute, aber den möglichen Knock-Out verpasste. Die beiden Kontrahenten tauschten immer mehr Figuren ab – bis der norwegische Champion am Ende zwar einen Bauer mehr auf dem Brett hatte, dafür aber kaum noch Siegchancen. Für Carlsen war das jedoch kein Grund, schnell die Friedenspfeife zu rauchen: Statt in ein Remis einzuwilligen, manövrierte Carlsen zwei Stunden lang mit seinem Turm hin und her – in der Hoffnung, dass Caruana doch noch einen Fehler machen würde.

Fabiano Caruana: Der Herausforderer rettete sich in der ersten Runde ins Remis

Der stets gelassen wirkende US-Amerikaner behielt jedoch die Übersicht, so dass Carlsen im 115. Zug in das dann unvermeidliche Unentschieden einwilligte. “Es lief eigentlich ganz gut, aber das Ergebnis zeigt, dass ich mich noch steigern muss”, so Carlsen.

Mit der Auftaktpartie ist die Schach-Weltmeisterschaft in London schnell in Fahrt gekommen. Auch wenn sich Carlsen über den verpassten Sieg etwas ärgern dürfte, hat er Caruana deutlich gemacht, wie schwer es in den nächsten Wochen werden wird, ihm dem Titel abzunehmen. Schon an diesem Samstag (10.11.2018) wird sich zeigen, ob er vor den beiden die siebenstündige Auftakttortur besser verkraftet hat. Das WM-Match geht über 12 Partien. Sieger ist, wer 6,5 Punkte erreicht.

Internet-Übertragung mit Problemen

Wie schon bei der WM vor zwei Jahren sorgte während der ersten Partie die Webseite der Organisatoren für Ärger bei den Schachfans. Unübersichtliches Design und technische Macken, lauteten die Kritikpunkte. Immerhin 20 Dollar müssen die Zuschauer für die offizielle Übertragung der WM bezahlen – dafür gibt es neben den Live-Bildern von der Partie auch die Erläuterungen der besten Schachspielerin aller Zeiten, der Ungarin Judith Polgar. Der gelang in London das Kunststück, das Geschehen auf dem Schachbrett für Experten wie Laien gleichermaßen verständlich zu kommentieren. Ob es allerdings mit diesem Angebot und der wackligen Technik dem Schach-Weltverband FIDE und ihrer Organisationsfirma “World Chess” gelingen wird, Geld zu verdienen, bleibt abzuwarten.