Italien: Wie weiter im Haushaltsstreit?

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Nur verhaltene Kritik üben die Euro-Finanzminister an Italiens Schuldenhaushalt. Noch läuft die Frist für geforderte Änderungen. Und Vize-Regierungschef Di Maio empfiehlt sogar viel Schulden als Rezept für die ganze EU.

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici gibt sich vor dem Treffen der Eurogruppe unbeugsam: Es gehe nicht um “eine Art Deal” im Haushaltsstreit zwischen Brüssel und der Regierung in Rom. “Das sind keine Verhandlungen. Die Regeln sind die Regeln und müssen respektiert werden”. Die EU-Kommission hatte Ende Oktober zum ersten Mal in ihrer Geschichte den italienischen Haushaltsentwurf vorsorglich zurück gewiesen. Italien plant, durch Steuersenkungen und soziale Wohltaten den Schuldenstand entgegen den europäischen Regeln weiter massiv zu erhöhen.

Rom übt weiter den Widerstand

Finanzminister Tria müsse nun im Kollegenkreis erklären, was er tun wolle, forderte Moscovici. Offiziell läuft die Frist, bis zu der er ein geändertes Budget gemäß der Forderung aus Brüssel vorlegen müsste, noch bis zum 13. November. Bis dahin aber will Moscovoci auf “Dialog und nochmal Dialog” setzen. Und er vermeidet dabei, wie andere auch, jede Erwähnung möglicher Konsequenzen.

Natürlich weiß auch die EU-Kommission, dass nicht der seriöse Wirtschaftsexperte Giovanni Tria das Sagen hat, sondern Innenminister Matteo Salvini von der Lega und 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio, die den geplanten Schuldenhaushalt entworfen haben. Beide gaben sich in den letzten Wochen unbeirrbar. Und Vize-Premier Di Maio legte sogar noch nach und empfahl am Montag in einem Interview mit der “Financial Times”  kräftiges Schuldenmachen als Rezept, um das Wachstum überall in der Eurozone zu erhöhen. 

Man solle sich an Donald Trumps Wirtschaftspolitik orientieren, erklärte der 5-Sterne-Politiker, der mit Steuersenkungen und einer expansiven Ausgabenpolitik das Wachstum in den USA angekurbelt habe. Die europäischen Wähler würden die ewige Sparpolitik nicht mehr akzeptieren: “Wenn das Rezept hier [in Italien] funktioniert, dann wird man auf EU-Ebene sagen, wir sollten das italienische Rezept in allen Ländern anwenden”.

Schulden machen wie die USA hält Luigi di Maio für das richtige Rezept auch in der EU

Di Maio glaubt, dass Italien aus seinen Schulden herauswachsen könne. Seine Regierung erwartet rund 1,5 Prozent Wachstum für das nächste und für die kommenden Jahre. Die Statistiker im Finanzministerium in Rom gehen dagegen von weniger als 1 Prozent aus. Und tatsächlich ist das Wirtschaftswachstum seit dem Amtsantritt der populistischen Regierung quasi auf Null gefallen. Dennoch schwört Di Maio, man wolle weder die Eurozone sprengen noch aus dem Euro austreten.

Ernste Mahnungen von den Kollegen

Es wäre “weise”, erklärte der französische Finanzminister Bruno Le Maire dazu, wenn Italien die ausgestreckte Hand der EU-Kommission ergreifen und in einen Dialog mit ihr eintreten würde. “Worum es hier geht ist die Stabilität der gemeinsamen Währung”, betont der Franzose. Man müsse eine Lösung finden und noch sei genug Zeit dafür. Weder er noch seine Kollegen wollen sich derzeit schon zu Strafmaßnahmen gegen Rom äußern. Aber die Ernsthaftigkeit der Appelle steht nicht in Zweifel: “Der Euro ist ein Schutz gegen die Unruhen am Finanzmarkt”, fügt Le Maire hinzu, ein Hinweis an Rom, dass ohne die stabile Basis der Gemeinschaftswährung die italienischen Schuldenprobleme noch viel gravierender wären.

Der österreichische Finanzminister Hartwig Löger ist weniger diplomatisch: “Diese Grundlagen [des italienischen Haushalts] sind für uns nicht akzeptabel. Es gibt große Verwunderung bei den Kollegen darüber, wie Italien sich verhält”. Die Regierung in Rom müsse nun sagen, ob und wie sie etwas ändern wolle und er hoffe, so Löger, dass die Vernunft siegen werde.

Auch sein slowakischer Kollege Peter Kazimir wird deutlich gegenüber Rom: “Italiens Benehmen gefährdet unsere Pläne” für eine tiefere Integration in der Eurozone.

Der Franzose Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Olaf Scholz kritisieren Italien bislang verhalten

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will Berlin nicht zur Zielscheibe der Populisten in Rom machen und wählt seine Worte vorsichtig. Aber die Botschaft ist unmissverständlich: Für hoch verschuldete Länder sei die Refinanzierung der laufenden Ausgaben das größte Problem. Und da müsse Italien mit 130 Prozent viel vorsichtiger sein als andere. Das ist das exakte Gegenteil von dem, was Di Maio und sein Koalitionspartner propagieren.

Und der für den Euro zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis fügt hinzu, dass Italien die Regeln der Eurozone offen missachte. “Wir erwarten dass sie die Neuverschuldung um 0,6 Prozent senken, sie wollen sie um 0,8 Prozent erhöhen”. Die Folgen würden auch bereits auf die Ebene von Unternehmen und Haushalten durchsickern, die Probleme mit der Kreditaufnahme bekämen, was die italienische Wirtschaft weiter verlangsamt.

Die EU-Kommission mit Pierre Moscovici ist in Zugzwang im Haushaltsstreit mit Italien

Offene Auseinandersetzung zunächst vermeiden

Wenn Rom nicht bis Mitte des Monats einlenkt, was eher nicht zu erwarten ist, muss die EU-Kommission reagieren. Schlägt sie vor ein Defizitverfahren zu eröffnen, könnten am Ende hohe Geldstrafen stehen. Anfang Dezember müssen sich die Euro-Finanzminister erneut mit dem Budget Italiens befassen. Bislang wollen sie erkennbar kein Öl ins Feuer gießen und die offene Auseinandersetzung mit der populistischen Regierung in Rom vermeiden.

Andererseits kann die Kommission in Brüssel kaum anders, als ihren Kurs weiter zu verfolgen. Nachdem sie sich  darauf festgelegt hat, dass “die Regeln die Regeln” sind, verlören sie ihre Glaubwürdigkeit, wenn der italienische Haushaltsentwurf ohne Konsequenzen bliebe. 

Möglicherweise will man den Streit ins neue Jahr vertagen, denn beim Dezembergipfel wird es um eine Handvoll Beschlüsse zur Reform der Eurozone gehen, die sonst zum Erpressungspotential würden. Klar ist, dass die nördlichen Länder, die sich unter dem Namen “Hanse” zusammengeschlossen haben, angesichts des Konflikts mit Rom bereits mehr Kontrolle über die nationale Haushaltsgestaltung verlangen und die Vorschriften der Gemeinschaftswährung eher verschärfen wollen.

In Brüssel hofft man wohl mittelfristig auf die disziplinierende Wirkung durch den Finanzmarkt. Die Ratingagentur Moody’s hat die italienische Kreditwürdigkeit bereits auf eine Stufe über “Schrott” herunter gesetzt, Standard & Poor’s die Aussichten auf “Negativ” gesenkt. Der sogenannte Spread, die Differenz bei der Finanzierung von Staatsanleihen gemessen am Basiswert Deutschland, ist zwar schon empfindlich gestiegen, hat aber noch keine kritische Höhe erreicht. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Regierung in Rom durch den Anstieg ihrer Kreditkosten zum Einlenken gezwungen sein könnte.