Nach dem Sojus-Fehlstart: Wie geht es weiter mit der ISS?

0
277

Die russische Weltraumagentur Roskosmos setzt Flüge zur Internationalen Raumstation bis Dezember aus. Das jetzige Dreier-Team wird wohl länger oben bleiben müssen. Kein Grund zur Sorge: Die Versorgung ist gesichert.

Nach dem Fehlstart einer Sojus-Rakete mit zwei Astronauten, die eigentlich zur Internationalen Raumstation (ISS) fliegen sollten, dreht sich nun alles um die Frage, wie dort die Arbeit weitergeht. Hier die wichtigsten Antworten.

Kann man der Sojus-Technologie nicht mehr vertrauen?

Obwohl es in jüngster Zeit zwei besorgniserregende Vorfälle mit Sojus-Raumschiffen gab, nämlich ein gefundenes und schlampig verschlossenes Loch in der Außenwand und nun den Fehlstart, bleibt die Sojus das meistgenutzte und erfolgreichste Raumschiff der Raumfahrtgeschichte. Der Fehlstart am Donnerstag war der erste derart schwere Zwischenfall mit einem Sojus-Raumschiff seit dem Ende der Sowjetunion. Die Tatsache, dass die Besatzung trotz der Antriebspanne sicher wieder zur Erde zurückgekehrt ist, spricht eher FÜR diese Technik. “Das zeigt die Robustheit des Rettungssystems”, so der deutsche Astronaut Thomas Reiter im DW-Interview. Er rechne damit, dass nach einer gründlichen Fehleranalyse und entsprechenden Anpassungen das Trägersystem weiterhin eingesetzt werde. Auch habe er “vollstes Vertrauen in die Kommission, die jetzt eingesetzt wurde” und sei “zuversichtlich, dass sie die richtigen Schritte einleiten wird.” Auch ESA-Generaldirektor Jan Wörner sagte die Unterstützung der ESA zu. 

Muss das derzeitige Team länger oben bleiben?

Derzeit sind neben dem Kommandeur Alexander Gerst auch die US-Astronautin Serena Aunón-Chancellor und der russische Kosmonaut Sergej Prokopjew an Bord. Sie sollten ursprünglich Mitte Dezember mit einer Sojus Kapsel, die derzeit an der ISS angedockt ist, zurückkehren. Da sie aber nun alleine dort die Stellung halten, wird daraus sicher nichts. Die Sojus-Kapsel ist so konzipiert, dass sie etwa 210 Tage im Orbit bleiben kann, ohne zu viel Batteriekapazität zu verlieren. Das würde bedeuten, dass die drei spätestens Anfang Januar ihre Rückreise antreten müssten. Vielleicht gelingt es aber, die Lebensdauer der Sojus-Kapsel auch noch etwas zu verlängern.

Notlandung geglückt: Nick Hague und Alexej Owtschinin steigen aus der Sojus-Kapsel aus.

Ist ein längerer Aufenthalt gefährlich?

Die Verzögerungen, die jetzt auftreten werden, halten sich noch alle in einem sicheren Rahmen. Richtig ist: Je länger ein Raumfahrer in Schwerelosigkeit ist, desto stärker bauen seine Muskeln ab. Nach der Rückkehr dauert es dann viel länger, um sich zu regenerieren. Der Rekordhalter ist der russische Kosmonaut Waleri Poljakow, der von 1994 bis 1995 437 Tage am Stück auf der Raumstation Mir verbrachte.

Ist die Versorgung der Raumfahrer gefährdet?

Nein, sie haben genug Luft, Wasser, Nahrung und Energie, um noch deutlich länger auf der ISS auszuharren. Auch wenn es vorerst keine Versorgungsflüge mit Sojus-Raketen geben wird, ist die Versorgung der ISS gesichert. SpaceX plant für Anfang Januar einen unbemannten Flug zur ISS, der gleichzeitig auch ein Testlauf für den ersten bemannten Flug der Firma sein soll. Daneben gibt es den Raumtransporter Starliner von Boeing und das HTV der japanischen Weltraumagentur JAXA. All diese Raumschiffe sind in der Lage, die ISS anzufliegen.

Am 3. Oktober übergab Drew Feustel das Kommando an Alexander Gerst – dann ging es nach Hause

Muss das Team auf der ISS jetzt doppelt so viel arbeiten?

In der Tat kommen auf die drei Raumfahrer, die noch oben sind, mehr Aufgaben zu als bisher. Insbesondere Arbeiten zur Wartung und Pflege der ISS werden jetzt deutlich mehr Arbeitszeit in Anspruch nehmen als zuvor. Einige Aufgaben müssen unter Umständen verschoben werden, bis ein neues Team auf die Raumstation kommt, etwa der verschobene Außeneinsatz zum Austausch alter Solaranlagen-Batterien gegen neue. Auch weniger dringende Forschungsprojekte könnten nun auf der Prioritätenliste weiter nach unten rutschen. Möglicherweise werden diese dann durch spätere Astronauten-Missionen vollendet. Ob Astro-Alex also jetzt noch so viel Zeit zum Twittern hat? Mal abwarten! 

Wann kann frühestens eine Ersatzmannschaft zur ISS fliegen?

Der Leiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, erklärte, dass die zwei Unglücks-Raumfahrer Nick Hague und Alexej Owtschinin “auf jeden Fall” zur ISS fliegen werden. Als Ziel nannte er in einem Tweet “das Frühjahr”. In dem Tweet zeigte er sich mit beiden Unglücks-Raumfahrern auf dem Weg zurück ins Sternenstädtchen in Moskau. 

Voraussetzung für einen neuen Start ist, dass die Ermittlungskommission, die Roskosmos eingesetzt hat, die Ursache für die Panne findet. Dann müssen die Ingenieure unter Umständen an der Bauweise der Raketen etwas anpassen.

Unabhängig davon soll die US-Firma SpaceX bereits im ersten Quartal 2019 mit Besatzung zur ISS fliegen, vorausgesetzt der unbemannte Testflug im Januar verläuft erfolgreich. Auch der neue Starliner von Boeing könnte im ersten Halbjahr 2019 erstmals Astronauten zur ISS bringen. “Die Termine beider Firmen haben sich immer wieder etwas nach hinten verschoben”, sagte Reiter, der auch Koordinator für Internationale Agenturen der ESA ist. “Ich würde erwarten, dass man jetzt sehr darauf achtet, dass der gegenwärtige Zeitplan eingehalten wird.”


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Auf geht’s!

    Eine Sojus-Rakete ist auf dem Weg zu ihrer Start-Rampe in Baikonur. Mit solch einer Rakete wird der deutsche Astronaut Alexander Gerst am 6. Juni abfliegen, gemeinsam mit einem russischen und einem US-Kollegen.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Berühmte Vorgänger

    Die ersten Raumfahrer, die aus Baikonur starteten und auch heil in die kasachische Steppe zurückkehrten, waren die Hunde Belka und Strelka. Sie hoben mit einem Kaninchen, 40 Mäusen und zwei Ratten ab. Damit war erstmals bewiesen, dass Lebewesen einen Raumflug absolvieren können.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Der erste Mensch im All

    Am 12. April 1961 startete Juri Gagarin in Baikonur zu einem Raumflug und umrundete die ganze Erde in einem Orbit. Der gelernte Gießer befand sich noch in der Ausbildung zum Militärpiloten, als er für den Raumflug ausgewählt wurde.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Heil gelandet

    Hier sieht man Gagarins Raumkapsel nach der geglückten Landung. Der Raumflug etablierte den Weltraumbahnhof in Kasachstan für die kommenden Jahrzehnte als das wichtigste Raumfahrtzentrum der Sowjetunion. Zur Ausbildung diente das Sternenstädtchen Swjosdny Gorodok bei Moskau.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Die erste Frau im All

    Valentina Tereschkowa grüßt zum Abschied vor ihrem Flug am 16. Juni 1963 in Baikonur. Für die Sowjetunion galt ihre Wahl als bewusstes und starkes Zeichen der Emanzipation der Frau.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Sowjetisches Erbe

    Am 14.11.2016 grüßt Lenin in Baikonur vor einem wolkenverhangenen Supermond. Das sowjetische Erbe ist im Stadtbild durchaus noch sichtbar. Nach dem Zerfall der Sowjetunion liegt Baikonur zwar in Kasachstan, der Weltraumbahnhof ist aber russisches Hoheitsgebiet geblieben: Bis 2050 hat Russland das Gebiet gepachtet.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Tummelplatz für Raumfahrer

    Seit dem Ende des Space-Shuttle-Programms der NASA ist der Weltraumbahnhof Baikonur weltweit der einzige Ort, von dem Raumfahrer ins All fliegen. Denn nur dort gibt es Sojus-Raketen und -Raumkapseln, die Menschen transportieren können. Alle Besucher der ISS starten daher von Baikonur. Hier zu sehen: Randolph Bresnik (NASA), Paolo Nespoli (ESA) und Sergei Ryazansky (Roskosmos).


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Kommerzielle Transporte

    Bei nicht-bemannten Transporten gibt es Konkurrenz: Die ESA betreibt noch einen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guyana, die NASA hat gleich mehrere Startplätze für Raketen, die Satelliten transportieren oder Fracht zur ISS bringen. Trotzdem nutzen auch viele westliche Firmen Baikonur. Diese Proton-Rakete ist mit britischen Telekommunikationssatelliten bestückt.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Bewährtes Arbeitspferd

    Nun laufen in Baikonur wieder die Vorbereitungen für einen bemannten Flug. So wie hier im Jahr 2014. Eine Sojus-Rakete wird startfertig gemacht.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Alter Hase

    Alexander Gerst kennt es schon: Am 28.5.2014 war er das letzte Mal mit den abschließenden Startvorbereitungen beschäftigt. Jetzt wird es wieder spannend für ihn: Am 6. Juni startet Gerst erneut zur ISS. Dieses Mal als erster deutscher Kommandant.


  • Baikonur: vom sowjetischen Weltraumbahnhof zum Astronauten-Drehkreuz

    Neuer Weltraumbahnhof in Sibirien

    Russland möchte sich trotzdem nicht komplett von Kasachstan abhängig machen: Letztes Jahr ging der neue Weltraumbahnhof Wostochny in der Amur-Region Sibiriens in Betrieb. Von dort dürfen aus Sicherheitsgründen zwar noch keine bemannten Raketen starten, aber zumindest schon Satelliten – so wie hier zu sehen.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt