Im Bonner Haus der Geschichte geht die “Angst” um

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Gibt es sie wirklich, die “German Angst”, über die man im Ausland so gerne spöttelt? Danach fragt das Geschichtsmuseum in seiner aktuellen Ausstellung: “Angst, eine deutsche Gefühlslage?”.

“Angst” – längst hat es das Wort ins Englische geschafft – und zwar als ein typisch deutsches Gefühl. Im August erst fragte die Londoner Zeitung “The Times” in ihrem Leitartikel nach den Ursachen der hässlichen Ausländerhatz von Chemnitz. Um die Antwort gleich mitzuliefern: “German Angst”! Wer nach dem Begriff bei Google sucht, stößt auf einen ergiebigen Wikipedia-Eintrag. Aber gibt es das Phänomen tatsächlich? Sind die Menschen in Deutschland ängstlicher als anderswo?

Kuratorin Judith Kruse

Die Museumsschau in Bonn legt diesen Schluss nahe, drückt sich aber vor einer Antwort. “In Deutschland herrscht eine höhere Emotionalität”, sagt etwa Kuratorin Judith Kruse. “Die Deutschen suchen besonders nach Sicherheit”, ergänzt Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte. Angst sei hier ein zentrales Phänomen. Aber typisch deutsch? Als vor zwei Jahren die Ausstellungsidee aus der Taufe gehoben wurde, habe man rund 30 solcher kollektiven Ängste identifiziert. Exemplarisch beschränkt sich die Schau jetzt auf vier – Zuwanderung, Atomkrieg, Umweltzerstörung und Überwachung.

Merkel: “Wir schaffen das!”

Cover des US-Magazins Time von 1981

Über 300 Exponate versammelt die Schau, darunter Filme, Plakate, Zeitungsausschnitte, Schautafeln, Briefe und viele andere Zeitzeugnisse. Lauter Glatzköpfe mit aufgedrucktem Strichcode, so warnt etwa ein Foto vor “Totalerfassung” im Jahr 1983, als der Computer aufkam und die Volkszählung anstand. Aus Lautsprechern tönt Angela Merkels Versicherung: “Wir schaffen das!”, während die Kanzlerin im Modell eines Düsseldorfer Karnevalswagens von einer Flüchtlingswelle mitgerissen wird. Das Waldsterben löste, auch das zeigt die Schau, in den 1980er Jahren ebenso Ängste aus wie der drohende Atomkrieg oder der Zuzug von Flüchtlingen aus Osteuropa Anfang der 1990er.

Viel Diskussionsstoff

Das Waldsterben als Ausstellungsthema

Also alles schon mal dagewesen? Alles halb so wild? Das könnte eine Bilanz der Ausstellung sein. Doch das würde die Bedrohungen der Vergangenheit relativieren. Und tatsächlich spricht Stiftungspräsident Hütter von Angst als einem “wellenartigen Phänomen”, an dessen Ausbreitung und Verstärkung die Medien nicht ganz unschuldig sind.

Doch wie genau wird Angst zum kollektiven Gefühl? Wer profitiert davon? Warum haben so viele Deutsche Angst vor Zuwanderung und Überfremdung, wenn es ihnen doch wirtschaftlich – und nachweislich – noch nie so gut ging? Warum kehren die Wähler den etablierten Parteien gleich scharenweise den Rücken? Die Ausstellung im Haus der Geschichte, soviel ist sicher, liefert zwar wenig Antworten, dafür jede Menge Diskussionsstoff.