Die zwei Gesichter des Luka Modric

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Luka Modric ist endgültig im Fußball-Olymp angekommen. Der 33-jährige kroatische Vize-Weltmeister vom Real Madrid wurde in London zum weltbesten Kicker gekürt. In seiner Heimat wird er vergöttert – und heftig kritisiert.

Ganz oben angekommen – Luka Modric

Keine Tattoos. Keine Tratsch-Geschichten. Keine gegelten Haare. Stattdessen altmodischer Mittelscheitel. Kaum Details aus dem Privatleben. Im modernen Fußball wirkt Luka Modric wie aus der Zeit gefallen.

Der 1,72 Meter kleine Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft ist scheu, spricht ungern, Pressekonferenzen und Interviews mag er nicht. Außerhalb des Platzes möchte er am liebsten nicht auffallen. Es falle ihm schwer, über sich selbst zu reden, sagte er einmal der Zeitung “Die Welt”.

Auf dem Feld aber ist er der Chef. “Der Krieg, das Leben in Flüchtlingslagern, haben mich hart gemacht”, sagte einmal Modric, der schon zu Beginn des Krieges in Kroatien 1991 mit der Familie sein Heimatdorf verlassen musste. Hart genug, um den Konkurrenzkampf bei Real Madrid zu bestehen. “El Pony”, wie ihn seine Mitspieler nennen, trägt die Nummer 10 bei den “Königlichen” – die Wertschätzung seiner Leistungen. Modric ist gleichzeitig Kämpfer und Techniker. Sein Markenzeichen: die giftigen Außenristpässe. Gerne über 30 bis 40 Meter.

“Der beste kroatische Spieler aller Zeiten”

Modric ist laufstark, ständig unterwegs. Rennt nach vorne und hinten, dribbelt und scheut kein Duell, übernimmt Verantwortung. Trotz seiner Größe ist er überraschend zweikampfstark, fällt auf durch filigrane Ballbehandlung und ausgezeichnete Übersicht. Dank dieser Eigenschaften setzte er sich schon bei der FIFA-Wahl gegen Mohamed Salah und Christian Ronaldo durch und erhielt die prestigeträchtige Trophäe.

Sternstunde des kroatischen Fußballs: Bei der WM 2018 wurde Kroatien Vize-Weltmeister

Für den Mittelfeld-Star von Real Madrid ist es die nächste große Auszeichnung in diesem Jahr. Bei der WM in Russland erhielt er nach dem verlorenen Finale gegen Frankreich den Goldenen Ball für den besten Spieler des Turniers. Erst vor kurzem wurde er zum Europas Fußballer des Jahres gewählt.

“Luka ist nicht nur der beste unserer aktuellen Spieler, er ist der beste kroatische Spieler aller Zeiten”, schwärmte Teamkollege Ivan Rakitic (FC Barcelona) während des Turniers in Russland. Als unermüdlicher Taktgeber und Dauerläufer überzeugte Modric alle Skeptiker, auch in Kroatien.

Luka und der Pate

Dabei, so schien es, steckte er auf dem WM-Rasen mühelos den ganzen Wirbel weg, der um die Anklage wegen Falschaussage nach seinen Auftritt im Prozess gegen die Gebrüder Zdravko und Zoran Mamic aufkam. Das ist die zweite Geschichte von Luka Modric.

Er war wegen seines Wechsels im Jahr 2008 von Dinamo Zagreb zu Tottenham Hotspur vernommen worden – und hatte zunächst behauptet, mit dem damaligen Dinamo-Boss die Teilung des Transfererlöses vereinbart zu haben. Später zog Modric diese Aussage zurück, plötzlich konnte er sich an die Details der sittenwidrigen Verträge nicht mehr erinnern. Im Falle einer Verurteilung wegen Meineids drohen dem Weltfußballer des Jahres bis zu sechs Jahre Haft.

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Das Gericht im kroatischen Osijek sah es als erwiesen an, dass die Gebrüder Mamic bei diversen Spielertransfers rund 15 Millionen Euro veruntreut und rund 1,6 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben. Der Haupttäter Zdravko Mamic, auch als der Pate des kroatischen Fußballs bekannt, entzog sich dem Strafantritt durch die Flucht nach Bosnien-Herzegowina. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Modric wird geliebt und – gehasst

Für seine fußballerischen Fähigkeiten wird der Nationalmannschafts-Kapitän in Kroatien regelrecht angehimmelt. Gleichzeitig hat er aber durch seine seltsamen Auftritte vor dem Gericht viele Sympathien auch verspielt. Es gibt viele enttäuschte Fans, die überhaupt kein Verständnis für seinen Zick-Zack-Kurs in “Causa Mamic” haben – und seine zwielichtigen Verbindungen zu dem Strippenzieher des kroatischen Fußballs.

Einen Tag nach der spektakulären Wende im Mamic-Prozess wurden in seiner Heimatstadt Zadar Plakate mit Schmähungen aufgehängt. An der Fassade des Hotels, in dem der damals sechsjährige Modric mit seiner Familie während des Krieges in den 1990er Jahren als Flüchtling Unterschlupf gefunden hatte, war zu lesen: “Luka, an diesen Tag wirst du dich noch erinnern.”

Patriotismus als oberste Gebot

Einerseits darf man von SportlerInnen erwarten dass sie ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, sagt Dario Brentin vom Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz, andererseits “wird Modric aber als kleines (angepasstes) Rädchen in der korrupten und nepotistischen kroatischen Mamic-gelenkten Fußballmaschinerie gesehen. In diesem Sinne werden ihm seine Fehltritte weitgehend verziehen.”

Es herrsche also eine gewisse Ambivalenz ob Modrics Person. Die Euphorie und der Stolz auf die Erfolge in der Nationalmannschaft überwiegen aber deutlich, das ist nicht nur Brentins Meinung. Denn die Sportler werden in Kroatien seit Jahren von vielen als beste Botschafter des Landes bezeichnet. Die Politik weiß das zu nutzen und sonnt sich gerne im Glanz der Nationalelf. “Sport hat eine zentrale Rolle für die nationale Identität”, so Brentin zur DW.

Unter Verdacht: Luka Modric ist der Falschaussage im ‘Fall Mamic’ beschuldigt

Die Journalisten, die sich investigativ mit den Skandalen auseinandersetzen und kritisch über die Rolle der Nationalspieler berichten, werden oft als “Vaterlandsverräter” bezeichnet. So wie Aleksander Holiga vom Webportal Telesport: “Wenn man davon ausgeht, dass die Nationalspieler nicht nur den kroatischen Sport, sondern auch den gesamten Staat vertreten, dann wird die Unterstützung der ‘Feurigen’ (wie die Nationalmannschaft genannt wird, Anm. d. R.) quasi als oberste patriotische Pflicht gesehen.”

Alle anderen Fragen und Probleme im kroatischen Fußball und im Land selbst werden dadurch nachranging behandelt. Diejenigen, die das nicht akzeptieren wollen, werden als Nestbeschmutzer abgestempelt, berichtet Holiga aus eigener Erfahrung.

Das Ende einer Ära

Mit Modrics Wahl endet eine Ära im Weltfußball. Zum ersten Mal seit zehn Jahren wird ein anderer Star als Christian Ronaldo oder Lionel Messi mit der bedeutendsten individuellen Auszeichnung bedacht. Er schreibt somit die kroatische Sportgeschichte, meint Holiga. Seine Wahl zum weltbesten Fußballer sei absolut richtiges Signal, trotz allen Irritationen um seine Aussagen und Verbindungen mit Mamic-Klan. “Spieler wie Modric sind irgendwie das Gegenteil des modernen Fußballs”, so Holiga. Denn heutzutage werden vor allem die individuellen Fähigkeiten gefeiert und die Selbstdarsteller werden glorifiziert. Man spricht über Helden. “Modric ist aber kein Angeber, er ist vor allem ein Teamplayer, das Herz der Mannschaft, ihr Motor. Er verbindet die einzelnen Teile des Kollektivs und macht sie besser”, sagt Aleksander Holiga vom kroatischen Webportal Telesport.