Kann die Politik den Wohnungsmarkt retten?

0
283

Wohnen wird immer häufiger Luxus. Die Bundesregierung will das ändern. Wie, darüber streiten sich Union und SPD allerdings. Auf einem “Wohngipfel” sollen Lösungen gefunden werden.

Wenn die Politik zum Gipfeltreffen einlädt, dann muss das Problem schon mehr als nur drängend sein. Beim Thema Wohnen ist das durchaus der Fall. Auch wenn das allgemeine Mietpreisniveau in deutschen Großstädten im internationalen Vergleich noch relativ niedrig ist, sind die Bürger aufgeschreckt. Denn der Preisanstieg auf dem Wohnungsmarkt übersteigt den Anstieg der Löhne und Gehälter bei Weitem. In Deutschland lebt jeder Zweite zur Miete. Das ist ein Spitzenwert in Europa, wo im Durchschnitt 70 Prozent aller Menschen in den eigenen vier Wänden wohnen.

Ein Blick in die digitalen Immobilienportale vermittelt einen Eindruck, worum es geht: Wer in einer deutschen Großstadt eine Wohnung sucht, die weniger als die Hälfte eines durchschnittlichen Monatseinkommens verschlingt und dabei noch Ansprüche an den Zustand, die Größe und die Lage der Wohnung stellt, der kann auch nach einer Nadel im Heuhaufen suchen.

Städte boomen, Dörfer veröden

Nimmt man die 14 am meisten nachgefragten deutschen Städte, dann sind dort zwischen 2010 und 2017 die Mieten bei Neu- und Wiedervermietung um durchschnittlich 34 Prozent gestiegen. In München und Stuttgart sind es mehr als 40 Prozent, in Berlin sogar knapp 70 Prozent. In München werden für 80 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf drei Zimmer, mindestens 1500 Euro Miete verlangt. Zuzüglich Kosten für Wasser, Heizung und Strom. In begehrter Innenstadtlage kann die Wohnung auch locker das Doppelte kosten.

Demonstration für bezahlbaren Wohnraum in München

Allerdings ist die Wohnungsknappheit in Deutschland ein regionales Problem. Ende 2016 standen bundesweit insbesondere in ländlichen Gebieten zwei Millionen Wohnungen leer, davon 620.000 in Ostdeutschland. In Großstädten hingegen wird es immer enger. Berlin muss pro Jahr 40.000 zusätzliche Einwohner verkraften. Auch die oft nur mittelgroßen Universitätsstädte sind betroffen, da sich bundesweit die Zahl der Studenten seit 2008 von 1,8 auf 2,8 Millionen erhöht hat. 

Die Politik hat versagt

Wo mehr Menschen leben wollen, als Raum vorhanden ist, kippt der Markt und Wohnen wird zum Luxusgut. Das gilt für Miet-, aber auch für Eigentumswohnungen. Vermietung ist ein lukratives Geschäft. Zudem sind Immobilien in Zeiten niedriger Zinsen eine erfolgsversprechende Geldanlage geworden.

Jahrelang haben der Bund, aber auch die Länder und Kommunen tatenlos zugeschaut, wie sich der Wohnungsmarkt verändert hat. Die steuerliche Wohnbauförderung wurde zurückgefahren und staatliche Wohnungsgesellschaften wurden reihenweise an private Investoren verkauft. Wohnungsknappheit schien lange ein Problem von vorgestern zu sein. Noch 2017 überlegte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, ob das Thema Wohnen im Wahlkampf überhaupt betont werden sollte.

Plötzlich schlägt auch die Politik Alarm

Gewerkschaften und Sozialverbände gehen davon aus, dass, gemessen am Bedarf, inzwischen eine Million Wohnungen in Deutschland fehlen. Zudem sei die Zahl der Sozialwohnungen mit einer vergleichsweise niedrigen Miete für Einkommensschwache in den vergangenen 30 Jahren von vier Millionen auf 1,25 Millionen geschrumpft. 

Was viele Menschen in Deutschland schon lange umtreibt, ist nun aber auch in den obersten politischen Etagen angekommen. Wohnen sei “zur neuen sozialen Frage” geworden, stellte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) fest. Auch CDU und CSU haben das Problem erkannt. “Bezahlbarer Wohnraum gehört ebenso wie Vollbeschäftigung und die Teilhabe aller am Wohlstand zu unseren wichtigsten politischen Zielen”, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Ein “Wohngipfel” soll es richten

“Wir brauchen in Deutschland dringend mehr Wohnungen”, sagt Angela Merkel in ihrem jüngsten, wöchentlichen Podcast. Der Bund werde bis 2021 fünf Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau investieren und “damit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass bezahlbarer Wohnraum für untere Einkommen zur Verfügung gestellt wird”, so die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende.

Für diesen Freitag hat Merkel Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, des Mieterbunds, der Gewerkschaften und der Bauwirtschaft ins Kanzleramt eingeladen. Auf einem “Wohngipfel” soll darüber gesprochen werden, wie die hehren Ziele umgesetzt werden können. Denn mehr Wohnraum schaffen zu wollen, ist viel leichter gesagt als getan. Vor dem Wohngipfel forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Maßnahmen für ein schnelleres Bauen. Dies sei die einzige Möglichkeit, um Wohnungsnot zu lindern, sagte der CDU-Politiker der “Passauer Neuen Presse”.

Streit über den richtigen Weg

Doch Bauen ist eine langwierige Sache und die Bauwirtschaft keine Branche, die auf Knopfdruck zum Einsatz kommen kann. In den Großstädten ist kaum noch Platz vorhanden. Grünflächen und Parks will niemand opfern. Ein kürzlich erstelltes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem lapidaren Schluss, dass nicht alle Menschen in zentralen Innenstadtlagen wohnen könnten. “Wo kein zusätzlicher Wohnraum erstellt werden kann, wird es ein Luxus sein, dort zu wohnen.”

Klein und eng – geht es in den Städten nicht anders?

Der SPD reicht die Forderung nach mehr Wohnbau nicht aus. In der Regierungskoalition hat die Partei eine Verschärfung der Mietpreisbremse durchgesetzt. Damit soll es Vermietern schwerer gemacht werden, die Mieten bei Neubezügen nach Belieben erhöhen zu können. Kaum Chancen auf Umsetzung wird hingegen ein 12-Punkte-Plan haben, den die SPD vor kurzem vorlegte. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, dass Bestandsmieten und Mieten bei Neuvermietungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten für fünf Jahre nur in Höhe der Inflation steigen dürfen.

Mehr Geld für Bauherren

Das kommt bei CDU und CSU nicht gut an, die schon bei der Verschärfung der Mietpreisbremse erheblich mit den Zähnen geknirscht haben. “Wir wollen die Rechte der Mieter stärken ohne die Vermieter unverhältnismäßig zu belasten”, betont die Bundeskanzlerin. Die Union setzt auf finanzielle Förderung beim Wohnungsbau. Wer Mietwohnungen baut, soll seine Baukosten steuerlich umfangreicher absetzen können. Familien sollen außerdem pro Kind 12.000 Euro “Baukindergeld” bekommen, wenn sie Wohneigentum erwerben.