Verehrt und verteufelt: der Wald und die Deutschen

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Sagenhaft und mystisch: So war der Wald im Mittelalter. Lyrisch und malerisch zeigte er sich in der Romantik. Heute ist er ein Erholungsort – und in Gefahr, wie die aktuellen Ereignisse um den Hambacher Forst zeigen.

  • Der Wald als Freizeitraum: Wo die Deutschen ihre Seele baumeln lassen

    Der Waldsport: Training an der frischen Luft

    Wieso sich in stickigen Fitnessstudios drĂ€ngen, Schlange stehen fĂŒr SportgerĂ€te und auf einen Bildschirm glotzen, wĂ€hrend man in die Pedale tritt ohne sich vom Platz zu rĂŒhren? Eine Alternative dazu bietet der Wald. Also, Rucksack packen, Wanderschuhe anziehen und auf geht’s in die Natur.

  • Der Wald als Freizeitraum: Wo die Deutschen ihre Seele baumeln lassen

    Der Waldkindergarten: Aufwachsen in der freien Natur

    Wie schlau ist ein Fuchs? Wie alt wird ein HirschkĂ€fer? Was machen Ameisen im Winter? Kann ein Baumscheibensalat denn schmecken? Die Antworten darauf erfahren die kleinen Forscher in den Natur- und WaldkindergĂ€rten. Insgesamt 1500 solcher Einrichtungen gibt es bereits in Deutschland – und sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

  • Der Wald als Freizeitraum: Wo die Deutschen ihre Seele baumeln lassen

    Die Waldbestattung: Letzte Ruhe im Wald

    Die letzte RuhestĂ€tte in der Natur finden? Das ist möglich – und im deutschsprachigen Raum als Alternative zum klassischen Friedhof immer beliebter. Dabei wird die Asche des Verstorbenen in eine biologisch abbaubare Urne gefĂŒllt und in die Erde gebracht. In der Regel macht ein kleines Namenschild auf die GrabstĂ€tte aufmerksam.

  • Der Wald als Freizeitraum: Wo die Deutschen ihre Seele baumeln lassen

    Der Waldmeister: Der dufte FrĂŒhlingsbote

    Er soll Hexen in die Flucht schlagen und mit magischen KrÀften die Liebe erwecken: Es gibt viele Legenden, die sich um die geheimnisvolle Pflanze ranken. Fest steht: Mit seinem Aroma verfeinert er die Maibowle und in geringer Dosierung hilft er sogar gegen Kopfschmerzen.

  • Der Wald als Freizeitraum: Wo die Deutschen ihre Seele baumeln lassen

    Das Waldhotel: Schlafen unter freiem Himmel

    Vogelgezwitscher, Laubrascheln, die ersten Sonnenstrahlen spĂŒren: Baumhotels sind eine ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit. FĂŒr Frostbeulen vielleicht nicht die beste Auswahl, doch fĂŒr alle Abenteuerbegeisterten ist ein Zimmer ohne Dach und WĂ€nde sicherlich ein Erlebnis wert.

    Autorin/Autor: Rayna Breuer


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    Autorin/Autor: Rayna Breuer


Einen Text ĂŒber den Wald am Schreibtisch zu verfassen, ist keine dankbare Aufgabe. Das hat Hermann Hesse schon anders hingekriegt. Er fand die richtigen Worte, um dem Wald zu huldigen: “Seltsam schöne HĂŒgelfluchten, dunkle Berge, helle Matten, rote Felsen, braune Schluchten, Überflort von Tannenschatten!”, schrieb der Schriftsteller Hesse (1877 – 1962) inspiriert von seinen zahlreichen Besuchen bei seiner Schwester in Unterreichenbach im Nordschwarzwald.

FĂŒr den Schriftsteller Joseph Freiherr von Eichendorff war der Wald – rund 100 Jahre zu vor – ein Inbegriff nationaler Einheit und Freiheit. “O TĂ€ler weit, o Höhen,  / O schöner, grĂŒner Wald”, schrieb der Lyriker in seinem Gedicht “Abschied”. Es ist eine Hommage an den Wald, der als Ort der Wiedergeburt und Erleuchtung dargestellt wird, der dem Menschen GlĂŒck, Zufriedenheit und Schutz vor dem gesellschaftlichen Druck und dem chaotischen Alltag schenkt. 

Unheimlich und gefĂŒrchtet

Die Deutschen pflegen seit jeher eine ganz besondere Beziehung zum Wald – eine, die ĂŒber die Jahrhunderte immer wieder neu entdeckt wurde.

Ein Ereignis, das sich im Wald abspielte, und spĂ€ter diesen Ort zum Mythos machte, ist die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christi. “Zwar weiß man bis heute nicht, ob der Teutoburger Wald der Ort der Schlacht gewesen ist, aber es spielt eine große Rolle, dass sie im Wald stattgefunden hat”, sagt Detlev Arens, Autor des Buchs “Der deutsche Wald”. Es sei auf einen römischen Dichter, nĂ€mlich auf Tacitus, zurĂŒckzufĂŒhren, was in den Wald hineininterpretiert wird. “Tacitus beschreibt dieses Land der Germanen als einen schrecklichen Urwald voller hĂ€sslicher SĂŒmpfe. Und dann folgert er: Wie das Land, so der Mensch. Diese Fremdwahrnehmung und Interpretation von öden Landstrichen des römischen Autors Tacitus wirkte bis ins Mittelalter weiter: Geister und Hexen beherrschten im Mittelalter den Wald. Vor RĂ€ubern, die hinter BĂ€umen versteckt auf ihre Beute warteten, hatte man sich ohnehin zu fĂŒrchten. Das Bild vom finsteren Wald hat sich lange im Volksglauben gehalten. Außerdem galt damals die Waldluft als schĂ€dlich, ungesund und feucht. Der Wald war das Zuhause von DĂ€monen und Fabelwesen, vor dem sich der Mensch fernhalten sollte.

Kulturerbe und StĂŒck deutscher IdentitĂ€t

“Der Chasseur im Walde” von Caspar David Friedrich

Die Romantik verlieh dem Wald ein neues, positives Image – und machte ihn zum zentralen und bestimmenden Thema in Dichtung, Malerei und Musik. In den MĂ€rchen der BrĂŒder Grimm etwa war der Wald als Handlungsort nicht mehr wegzudenken: Das kleine, unschuldige RotkĂ€ppchen, das im Wald auf den bösen Wolf trifft. Die verĂ€ngstigten HĂ€nsel und Gretel, die im Wald die böse Hexe treffen. Oder die Stadtmusikanten, die erst einmal durch den Wald laufen mĂŒssen, bis sie die Stadt Bremen erreichen.

In der deutschen Romantik wird er zum identitĂ€tsstiftenden Symbol stilisiert – vor allem auch, um sich vom ungeliebten Nachbarland Frankreich abzugrenzen. Die Überhöhung des deutschen Waldes habe politische sowie auch literarische Wurzeln, so Arens: “Der deutsche Wald entsteht als Abgrenzung zum französischen Park. Die Deutschen sind ganz nach Tacitus diese kernigen Ureinwohner, die im Wald und mit dem Wald leben, wĂ€hrend die Franzosen lĂ€ngst diese Beziehung verloren haben und als dekadentes Volk in der Literatur damals dargestellt werden”, sagt Detlev Arens.

SpĂ€ter nutzten die Nationalsozialisten die romantische Vorstellung vom Wald fĂŒr ihre Zwecke – und instrumentalisierten ihn als politisches Symbol: Menschen pflanzten “deutsche Eichen” zu Ehren Hitlers und Förster ordneten die BĂ€ume so an, dass sie ein Hakenkreuz bildeten. Deutschland ĂŒberstand den Nationalsozialismus, der Wald als Ort von Sehnsucht und Identifikation blieb. Bis heute ist der Wald der Inbegriff von purer Natur und UrsprĂŒnglichkeit. Ein Ort der Ruhe – im Kontrast zur Hektik und dem kĂŒnstlichen Leben, das vor allem modernen GroßstĂ€dten zugeschrieben wird.

Der Wald in Gefahr

Mit 11,4 Millionen Hektar ist knapp ein Drittel der GesamtflĂ€che Deutschlands mit Wald bedeckt. In den letzten zehn Jahren hat die WaldflĂ€che hierzulande um 50.000 Hektar, um 0,4 Prozent zugenommen (Quelle: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald). Doch der Klimawandel und die Energiepolitik stellen eine Gefahr fĂŒr den Wald dar. Ein aktuelles Beispiel: der Hambacher Forst. Er ist in den vergangenen Monaten zum Symbol fĂŒr den Kampf gegen die Kohleverstromung geworden. Seit sechs Jahren ist ein Teil des Waldgebietes von UmweltschĂŒtzern, die in selbstgebauten BaumhĂ€usern leben, besetzt. Nun will der deutsche Energiekonzern RWE, dem das Land gehört, die wenigen Hektar Wald, die am Rande der riesigen Kohlegrube stehen, ab Mitte Oktober abholzen. Das versuchen UmweltschĂŒtzer derzeit zu verhindern.

Nicht nur die Energiepolitik setzt dem Wald zu, er ist auch Leidtragender des Klimawandels. Die ErderwĂ€rmung und die abnehmende Feuchtigkeit machen sich auch bei den BĂ€umen bemerkbar – vor allem die Fichte, die 25 Prozent des deutschen Waldes ausmacht, kriegt den Klimawandel deutlich zu spĂŒren.

Der Versuch einer Definition

Der Wald ist mehr als die Summe seiner BĂ€ume – fĂŒr den Deutschen ist und bleibt er IdentitĂ€t, HeimatgefĂŒhl, Kultur, Nachhaltigkeit, Ressource. Alles, könnte man fast meinen. Und das Besondere daran ist: “Zwar spielt der Wald in vielen anderen LĂ€ndern ebenfalls eine große Rolle, vor allem in der Volksmusik, aber das Deutsche am deutschen Wald ist diese parallele Entwicklung zwischen dem romantischen Wald vor allem in der Literatur auf der einen Seite und die nĂŒchterne wissenschaftliche Betrachtung auf der anderen Seite, die eine wirtschaftliche Perspektive eröffnet”, schlussfolgert Arens. Und nicht zu unterschĂ€tzen sei der Einfluss des römischen Historikers Publius Cornelius Tacitus bis heute. Auch wenn die Faktenlage dĂŒrftig ist: Die berĂŒhmte Schrift “Germania” prĂ€gt bis heute das Bild der Deutschen, auf ihr grĂŒndet der Mythos von den Germanen, deren Lebensweise vom Wald charakterisiert ist.Â