Asbest: Krebsgefahr kann in jeder Wand lauern

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Asbest ist gefährlich – das weiß praktisch jeder. Aber viele ahnen nicht, wo die Gefahr lauern kann: Zuhause. In jeder Wand, hinter jeder Kachel können die tödlichen Fasern stecken. Wer sie erkennt, ist klar im Vorteil.

Asbestsanierung – das ist doch etwas für öffentliche Gebäude aus den 1970er Jahren? Stimmt! Aber bei weitem nicht nur. Die Wahrheit ist: Asbestfasern können sich auch an ungeahnten Orten verstecken – an denen sie außerdem kaum zu erkennen sind.

Schon bei einer einfachen Renovierung im Eigenheim können ganz schnell gefährliche Faserkonzentrationen in die Atemluft gelangen. Darf’s ein neues Fenster sein? Soll das Bad saniert werden? Sind Elektroleitungen zu verlegen? Soll neues Parkett ins Zimmer? Grundsätzlich gilt: Besser erstmal über Asbest nachdenken!

“Jeder Fachmann kennt Wellasbestplatten, wie sie auf etlichen Dacheindeckungen auch heute noch zu finden sind. Die sind für jeden auch nur halbwegs Geschulten einwandfrei zu identifizieren”, sagt Frank Jansen vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI). So einfach ist es allerdings nicht immer.

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Putze, Fliesenkleber, Spachtelmassen

Denn wer ahnt schon, dass sich der Asbest auch im Fliesenkleber unter den alten Kacheln im Bad verstecken kann, im Putz an der Wand, in den ausgespachtelten Fugen an der Gipskarton-Decke oder im und unter dem alten Fußbodenbelag? Leider kaum jemand – nicht einmal viele Facharbeiter, gibt der Bauingenieur Jansen zu bedenken.

Erst vor gut zehn Jahren ist die Fachwelt darauf aufmerksam geworden, dass in vielen Fliesenklebern, Spachtelmassen und Putzen über Jahrzehnte auch Asbestfasern beigemischt waren.

Die machen dort zwar nur einen geringen Anteil aus. Bearbeitet allerdings jemand eine solche Wand mit der Schleifmaschine – etwa um neue Kacheln zu verlegen – gelangen die Fasern in lebensgefährlich hoher Konzentration in die Luft.

Der Staub, der bei solchen Arbeiten entsteht, ist so fein, dass er alles durchdringt. Sind darin Asbestfasern enthalten, reicht bereits ein geringer Prozentsatz aus, um die Lunge schwer zu schädigen.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Ein natürliches Gestein

    Asbest ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene, natürlich vorkommende Silikat-Minerale. Dazu gehören Grunerit, Anthophyllit, Aktinolith und Chrysotil. Beliebt war das faserige Material sowohl im Bau als auch in der Industrie wegen seiner Beständigkeit, Feuerfestigkeit und weil es sich in Zement gut verarbeiten ließ.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Winzige Fasern unter dem Elektronenmikroskop

    Typisch für Asbest sind seine winzigen Fasern, die zum Teil nur drei Mikrometer stark sind. Hier eine Chrysotil-Probe. Diese Fasern sind nicht löslich und setzen sich deshalb unter Umständen sehr lange in der Lunge fest. Dort können sie noch nach Jahrzehnten Krebs auslösen.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Nicht anfassen!

    Wellasbest darf nicht gesägt, geschnitten, gebohrt, geschliffen oder gebrochen werden. Solange man ihn nicht anfasst, besteht keine Gefahr, dass Fasern in die Luft freigesetzt werden. Aber selbst das Reinigen ist tabu: Wer versucht, den Moosbewuchs mit dem Hochdruckreiniger zu entfernen, begeht bereits Frevel an der Umwelt und gefährdet seine eigene Gesundheit.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Nichts für den Sperrmüll

    Ein Blumenkasten aus Faserzement, auch Eternit oder Asbestzement genannt. Zement und Asbest vereinigen sich hier zu einem zwar beständigen, aber auch giftigen Baustoff. Dieser Kasten darf zwar weiterhin bepflanzt werden. Allerdings sollte man bei der Arbeit mit der Schaufel und der Harke vorsichtig sein, um das Gefäß nicht zu zerkratzen. Wer ihn loswerden möchte, muss damit zum Sondermüll.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Giftiger Fußbodenbelag

    Solche Floor-Flex-Platten sind heute in vielen Wohnhäusern zu finden. Fast alle enthalten Asbest. Sicherheit kann auch hier nur eine Laborprobe bringen. Also nicht einfach herausrupfen und in den Müll werfen. Oft sind solche Fußbodenbeläge zudem mit asbesthaltigem Kleber befestigt. Vorsicht, nicht eigenständig abschleifen!


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Schickes Sammlerstück – oder Sondermüll?

    Wohl eher ein Fall für den Sondermüll. Auf keinen Fall sollte man einen älteren Fön benutzen – auch keinen aus den 1970er Jahren. Was hat ein Fön mit Asbest zu tun? Der Stoff ist extrem hitzebeständig und würde deshalb bei der Herstellung dieses altertümlichen Geräts als Wärmeschutz verwendet.


  • Asbest – Eine oft unsichtbare Gefahr

    Vintage Design ist besser als Vintage Schrott

    Es mag zwar wieder im Kommen sein, aber wer sein Toastbrot aus einem so eleganten Toaster essen möchte, greift besser auf einen neuen im Retro-Look zurück. Da ist dann wenigstens sichergestellt, dass die Träger für die Heizdrähte nicht aus Asbest sind. Auch ungenutzt im Antiquitäten-Schrank hat so ein Gerät nichts mehr verloren.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt


Viele Handwerker kennen die Gefahr nicht

Auch Jansen, der 2015 mit dem VDI und dem Gesamtverband Schadstoffsanierung ein Diskussionspapier zu dem Problem veröffentlicht hat, war das Ausmaß der Asbestverseuchung zunächst gar nicht bewusst: “Ich habe vor dem Studium eine Lehre als Fliesenleger gemacht. Als ich dann durch meine Arbeit beim VDI mit dem Thema in Berührung kam, habe ich erst mal gedacht: Au weia!”

Die Gefahr kann grundsätzlich in jedem Gebäude stecken, das vor der Jahrtausendwende errichtet wurde. “Zudem gibt es kein Haus bei dem nicht mal irgendwo irgendetwas ausgebessert worden ist”, gibt Jansen zu bedenken. 

Zwar wurde asbestbedingter Lungenkrebs schon 1942 in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt, doch erst 1995 wurde der Stoff in Deutschland und 2005 europaweit verboten. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis die Fachwelt auf die weniger sichtbaren Asbest-Baustoffe aufmerksam wurde.

Noch Jahrzehnte später tödlich

“Die Arbeitsschützer haben sich zuerst das Asbest angeschaut, das offensichtlich und besonders häufig in Baumaterialien oder anderen Produkten verwendet worden ist”, erinnert sich Thomas Kuhlbusch, Gruppenleiter der Fachgruppe Gefahrstoffmanagement an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

“Das waren Eternitplatten, Fassadenverkleidungen, Dächer, die mit Asbeststoffen gebaut worden sind und auch Brandschutzpappen und -textilien. Weniger im Vordergrund standen anfangs Produkte, in denen nur geringe Mengen Asbest verarbeitet wurden oder in denen der Asbest überhaupt nicht sichtbar war.”

Meist dauert es sehr lange, bis Arbeiter, die Asbeststäuben ausgesetzt waren, daran erkranken. “Wir haben jetzt Todesfälle durch Asbest von Menschen, die vor 40 Jahren dem Stoff ausgesetzt waren”, sagt Kuhlbusch. Die winzigen Fasern überdauern sehr lange in den Lungenbläschen. Sie werden nicht abgebaut und können noch nach Jahrzehnten Entzündungen hervorrufen. “Asbest ist nach wie vor eine häufige Ursache für berufsbedingten Krankheiten und Todesfälle”, sagt Kuhlbusch.

In Europa ist Asbest seit 2005 verboten. Vor allem in Asien wird der Stoff indes noch heute viel genutzt.

Kein Grund zur Panik

Als Handwerker, Mieter oder Immobilienbesitzer sei es vor allem wichtig zu wissen, wie man Asbest erkennt und mit ihm umgeht, sagt der Chemiker Kuhlbusch. Das Problem zu dramatisieren helfe nicht weiter. 

Asbest kommt als Mineralstoff natürlich in der Umwelt vor und lässt sich überall in der Luft nachweisen. “Untersuchungen zeigen, dass 75 bis 130 Fasern pro Kubikmeter Luft vorhanden sind”, erklärt Kuhlbusch. Diese Fasern atmen wir alle ständig ein. Aber deshalb bekommt noch lange nicht jeder Lungenkrebs.

Es heißt zwar, dass bereits eine einzige Asbestfaser ausreicht, um Krebs auszulösen. Das heißt aber nicht, dass jede eingeatmete Faser zwangsläufig zu Krebs führt.

Kuhlbusch vergleicht es mit einer riesigen Wand, in der eine dünne Wasserleitung verläuft: “Wenn ich einen Nagel in die Wand haue: Mit welcher Wahrscheinlichkeit treffe ich dann die Wasserleitung?”

Das Krebsrisiko steigt natürlich mit der Konzentration der Fasern in der Luft und auch mit der Länge des Zeitraums, über den jemand dem Stoff ausgesetzt ist. 

Das bedeutet: Eine geringe Exposition bedeutet zwar noch kein Todesurteil. Je weniger man aber mit Asbest in Berührung kommt, desto besser. Wer ihn erkennt kann, ihn gut vermeiden. Und mit den richtigen Maßnahmen – etwa der Nutzung von Geräten, die den gefährlichen Staub einsaugen – lässt sich das Risiko wirksam verringern.