Geschwindigkeitsphilosoph Paul Virilio ist tot

0
395

“Rasender Stillstand” hieß sein Erfolgsbuch in den 1990er Jahren. Paul Virilio hatte sich den Auswirkungen der Beschleunigung verschrieben. Nun ist der französische Kulturkritiker im Alter von 86 Jahren gestorben.

Gestorben ist Paul Virilio, der 86 Jahre alt geworden ist, bereits am 10. September, wie seine Tochter in Paris mit einer persönlichen Erklärung bekannt gab. 

Bekannt geworden ist der französische Philosoph und Urbanist Paul Virilio vor allem als Kulturkritiker des modernen Geschwindigkeitswahns. Für ihn war die immerwährende Beschleunigung durch die rasante technische Entwicklung ausgelöst durch Hochgeschwindigkeitsverkehrsmittel wie auch durch hochgerüstete Computer und vernetzte Kommunikationstechnologien ein Faktor, der die Zivilisation massiven Schaden zufügt.

“Die Geschwindigkeit ruft die Leere hervor, die Leere treibt zur Eile”, schrieb Paul Virilio einmal. Seine Bücher “Geschwindigkeit und Politik” und “Rasender Stillstand”, die sich kritisch damit auseinander setzen, werden weltweit gelesen.

Kriegstrauma: Die Bunker des 2. Weltkrieges beschäftigten Paul Virilio sein Leben lang

“Information ist eine Bombe” kritisierte Paul Virilio in einem Essay 1998 und sah darin vorher, dass die Übermittlung von Echtzeitdaten und falschen Informationen den Frieden zwischen den Nationen schwächen kann. 

Ein Kind des totalen Krieges

Paul Virilio wurde 1932 in Paris geboren. Als Kind erlebte er im Zweiten Weltkrieg die Besetzung Frankreichs durch die Nazis mit und später die Bombardierung der Stadt Nantes 1943 durch die Alliierten. Beides habe ihn und seinen späteren Lebensweg – nach Angaben seiner Tochter – stark geprägt. Er habe sich selbst immer als “ein Kind des totalen Krieges” beschrieben. Während der Bombardierung von Nantes habe er zum ersten Mal die Erfahrung einer “Ästehtik des Verschwindens”, wie er es später nennen wird, gemacht. Seinen Militärdienst leistete er als Kartograph in Freiburg/Breisgau und in Algerien ab. 

Virilio war auch als Architekt, Stadtplaner und Ausstellungsmacher sehr erfolgreich. Er lehrte Architektur in Paris, veröffentlichte mehr als 30 Essays und Bücher über die Bunker-Architektur der Weltkriege und später zu den Terror-Anschlägen des 11. September in den USA. 1976 wurde seine vielbeachtete Ausstellung “Bunker-Archäologie” im Centre Pompidou in Paris gezeigt.

Neben seiner philosophischen Beschäftigung kümmerte sich Paul Virilio schon in den 1980er Jahren für die Rechte von Obdachlosen auf ein Dach über dem Kopf.

Am Montag ist er im engsten Familienkreis in Paris beigesetzt worden.

hm/so (dpa/Libération)