Nigeria: Mathe in der Muttersprache

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Nigeria hat begonnen, Grundschüler in ihrer Muttersprache zu unterrichten – aber zunächst nur in drei Bundesstaaten und nur in den drei Hauptverkehrsspachen. Lernerfolge sind bereits zu sehen.

Seit Aisha Abdussalam in ihrer Muttersprache lernt, hat sie richtig Lust auf Schule. Auch der Mathematik-Unterricht macht ihr jetzt Spaß. “Die Lehrer bringen uns Englisch, Mathematik und Soziales in Haussa bei. Das verstehe ich dann besser. Auf Englisch fällt es mir schwer, den Inhalt richtig aufzunehmen”, erzählt Aisha im DW-Interview. Sie besucht die Rimi-Grundschule im Bundesstaat Katsina im Norden Nigerias. Dort spricht die Mehrheit der Menschen Haussa.  

Die drei Hauptsprachen Haussa, Yoruba und Igbo sind die Verkehrssprachen der größten Volksgruppen in Nigeria. Doch der Schulunterricht findet meist auf Englisch statt, das nigerianische Schulsystem ist am britischen orientiert – dem der ehemaligen Kolonialmacht. Dabei sollen Kinder in den ersten drei Klassen laut Plan der Regierung bereits in Haussa, Yoruba und Igbo unterrichtet werden. Schon seit 30 Jahren versucht die Regierung einheimische Sprachen in Nigeria im Schulalltag zu fördern. Aber erst jetzt beginnt ein Pilotprojekt – in nur drei Regionen des Landes, in dem mehr als 250 Völker leben und über 500 verschiedene Sprachen gesprochen werden. 

Lernprogramm in der Muttersprache

Aishas Grundschule nimmt am Pilotprojekt “The Reading and Numeracy Activity (RANA)” teil. Das dreijährige Pilotprojekt in Haussa haben die nigerianischen Bundesstaaten Kaduna, Katsina und Zamfara in Zusammenarbeit mit der Regierung 2017 eingeführt. Das Programm zielt darauf ab, Kinder in den ersten drei Klassen in mehr als 200 Schulen zu unterstützen: Die Mädchen und Jungen sollen im Lesen und Rechnen besser werden. Usman Muhammad Rimi lehrt im RANA-Programm. “Wenn die Schüler auf Englisch unterrichtet werden, wissen sie noch nicht einmal, was sie genau hören. Aber wenn sie in ihrer Muttersprache lernen, dann kennen sie den Klang der Worte und Sätze und das Lernen ist einfacher für sie”, sagt er im DW-Interview.

Die offizielle Unterrichssprache Nigerias ist Englisch

Unterricht in der Muttersprache spielt auch laut Ishaq Idris Guibi eine zentrale Rolle für das Verständnis. Guibi arbeitet seit 29 Jahren als Grundschullehrer. Er ist Experte für Haussa und übersetzt englische Bücher in diese Sprache. Denn oft fehlen Unterrichtsmaterialien für den Unterricht in einheimischer Sprache. “Ich habe mich mit dem Lehrplan beschäftigt und festgestellt, dass die Regierungspolitik nicht angewandt wird. Demnach soll ein Kind in den ersten drei Jahren in seiner Muttersprache lernen. Das ist nicht in allen Landesteilen gegeben”, sagt Guibi in einem DW-Interview. 

Schlecht ausgebildete Lehrer, kaum Geld fürs Bildungswesen

Für eine Vielzahl von nigerianischen Kindern ist Schule keine Selbstverständlichkeit: Über zehn Millionen gehen nach Angaben des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen UNICEF nicht in die Schule – so viele wie in keinem anderen Land auf der Welt.  Kritiker machen dafür den Mangel an Geldern im Bildungssektor verantwortlich. Dazu erschweren die angespannte Sicherheitslage und die Aktivitäten der Terrorgruppe Boko Haram im Norden den Schulbesuch für viele Kinder: Schulen werden zerstört oder aus Sicherheitsgründen geschlossen, Lehrer bei Anschlägen verletzt oder getötet. 

Die islamische Boko Haram-Miliz greift immer wieder Schulen an

Die amerikanische Hilfsorganisation USAID arbeitet mit der Regierung in Nigeria daran, das Erziehungssystem zu verbessern. Es habe nicht mit der rapide anwachsenden Zahl der Bevölkerung im Grundschulalter Schritt gehalten. Die Qualität der Grunderziehung sei schlecht, das führe laut USAID dazu, dass wenige an Universitäten studieren. Und wenn, dann blieben die Noten oft mangelhaft. Lehrer seien zudem oft schlecht ausgebildet und bezahlt, daher sei ihre Motivation schwach.

Kleinere Volksgruppen unzufrieden

Malam Gambo ist seit über zwanzig Jahren Lehrer in Kaduna. Auch er sieht auch die Vorteile des Unterrichts in der Muttersprache und ist überzeugt vom Nutzen des RANA-Programms:  “Sie bringen den Schülern alle Grundkonzepte der Fächer in ihrer Muttersprache bei”, sagt er der DW. Er findet es gut, dass die nigerianische Regierung mehr Sprachen im Unterricht einführen will, sieht aber ein Problem: “Der einzige Punkt ist, dass die Eltern das nicht unterstützen.” Sie müssten erst noch erkennen, wie wichtig die Lokalsprache für ihre Kinder ist, sagt er.

Unzufrieden sind allerdings viele Angehörige andere Volksgruppen, deren Sprachen nicht als Lehrsprache in den Unterricht aufgenommen werden. Abubakar Ahmed gehört den  Nupe an, einer kleinen Volksgruppe in Nigeria. “Es sollten mehr nigerianische Sprachen als Unterrichtssprache eingeführt werden. Wir wollen auch einbezogen werden”, fordert er im DW-Interview. 

Mitarbeit:  Zaharaddeen Umar, Tabea Goppelt